Deutscher Profifußball steht vor Zerreißprobe: St. Pauli-Antrag mit Brisanz

Die Solidargemeinschaft der 36 deutschen Profiklubs steht angeblich auf dem Spiel. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die vier „Werksklubs“ aufgrund des Antrags vom deutschen Fußball-Zweitligist FC St. Pauli.

Frankfurt/Main (SID) Keine Kohle für „Werksklubs“ – und damit das Ende der Solidargemeinschaft? Dem deutschen Profifußball droht eine Zerreißprobe. Auf Antrag des Zweitligisten FC St. Pauli sollen sich künftig der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, 1899 Hoffenheim und ab 2017 eventuell auch Hannover 96 selbst vermarkten. An den Einnahmen aus der Fernseh- sowie der Gruppenvermarktung (adidas-Ligaball, Krombacher, Hermes-Ballbote) sollen sie nicht mehr partizipieren.

„Für die gesamte Bundesliga wäre dies eine schädliche Entwicklung, die die Grundwerte des Erfolgs des deutschen Profifußballs in Gefahr bringen würde“, sagte Wolfsburgs Geschäftsführer Klaus Allofs am Montag. In der Stellungnahme des Vereins heißt es weiter, dass es „nicht im Sinne der großen Mehrzahl der deutschen Profiklubs sein“ könne, dass „die Solidargemeinschaft und die Zentralvermarktung aufgegeben wird.“

Von einer möglichen „Aufkündigung“ der Gemeinschaft hatte zuvor auch das Fachmagazin kicker berichtet, dem das Schreiben der vier Klubs vorliegt. Die hatten sich laut Allofs „gemeinsam an die Vereine der ersten und zweiten Liga gewandt und betont, dass dieser Antrag gegen die gültige Satzung verstößt.“

Völler: „Rettig macht auf Schweinchen schlau“

Wenig Verständnis brachten auch die Verantwortlichen aus Leverkusen für den Vorschlag auf. „Das ist ein typischer Rettig. Er macht das, was er gerne tut: Er gibt ein bisschen Schweinchen schlau“, sagte Sportchef Rudi Völler. Der Antrag sei für ihn „ein bisschen populistisch, unnötig, nicht in Ordnung und enttäuschend“.

Hannover-Boss Kind: „Unüberlegt und substanzlos“

Ähnlich sieht es Hannovers Präsident Martin Kind. „Der Antrag ist unüberlegt und substanzlos“, sagte er der Bild-Zeitung. Ab dem kommenden Jahr könnte sein Verein genau wie Hoffenheim seit diesem Sommer von der 50+1-Regel ausgenommen werden, weil Kind sich dann 20 Jahre für den Klub engagiert hat. Dann wären die Niedersachsen – so der Wunsch der Kiez-Kicker von St. Pauli – von wichtigen Einnahmequellen aus der Vermarktung ausgeschlossen.

Für Kind allerdings ist das unvorstellbar. „Wir denken“, sagte er, „dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben.“ Und dadurch würden beispielsweise Vereine wie Bayern München oder Borussia Dortmund profitieren, ein Klub wie der SV Sandhausen oder der FSV Frankfurt aber könnten deutlich weniger Geld einnehmen.

Derzeit nämlich regelt die DFL die „satzungsgemäße Verteilung“ der Einnahmen durch Übertragungsrechte zentral. Von den 2,5 Milliarden Euro des im kommenden Jahr auslaufenden Vierjahresvertrags erhielten die Bundesligisten in dieser Saison 680 Millionen Euro, 170 Millionen Euro gingen an die Zweitligisten.

Wird am 2. Dezember über eine entschärfte Version abgestimmt? Nach kicker-Informationen will St.Pauli-Manager Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer, vorschlagen, dass die betroffenen Vereine nicht gänzlich von den Einnahmen ausgeschlossen werden, sondern lediglich Abschläge in Kauf nehmen sollen.

Traditionsklubs nicht abgeneigt

Eine hitzige Debatte über den Antrag darf jedenfalls erwartet werden. Traditionsvereine wie Eintracht Frankfurt oder der Hamburger SV wären dem Vorschlag zumindest nicht vollkommen abgeneigt und haben in der Vergangenheit ebenso wie Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke bereits Argumente für eine Neuverteilung der TV-Honorare gebracht. Watzke beispielsweise sprach davon, dass Tradition oder das Fanaufkommen der Klubs bei Auswärtsspielen bei der Verteilung der Einnahmen berücksichtigt werden.

Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef von Rekordmeister Bayern München, hatte zuletzt für die zentrale TV-Vermarktung geworben. „Unter einer Bedingung: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des FC Bayern und der Bundesliga darf nicht gefährdet sein.“ Denn die Bundesliga, so Rummenigge weiter, lebe „von der Spitze“.

Bild: Imago