Sky-Interview: Reus über Haaland und den BVB

Marco Reus bereitet sich mit Borussia Dortmund im Trainingslager in Marbella auf die Rückrunde vor. Im Exklusiv-Interview mit Sky spricht der BVB-Kapitän über die Schwierigkeiten in der Hinrunde, Neuzugang Erling Haaland, Trainer Lucien Favre und die Titelambitionen.

Sky Sport: Wie geht’s? Sie waren heute ja schon ein bisschen im Training dabei.

Marco Reus: „Sehr gut, alles läuft nach Plan. Nach meinem Muskelfaserriss gegen Leipzig sind wir sehr gut in der Zeit. Ich denke, morgen mache ich ganz normal mit. Das dürfte kein Problem mehr sein.“

Sky Sport: Ist Augsburg das Ziel?

Reus: „Ja natürlich, wenn der Trainer Lust hat und mich aufstellt, stehe ich natürlich zur Verfügung.“

Sky Sport: Wie sehr habt ihr auf die Hinrunde zurückgeblickt?

Reus: „Das muss ein Thema sein. Es gab einige Punkte, die wir im gesamten nicht gut gemacht haben. Seien es individuelle Fehler oder Konzentrationsschwierigkeiten. Wir hatten viele Spiele, die wir nicht über 90 Minuten durchgebracht haben, viele Spiele, wo wir 45 bis 60 Minuten gut gespielt haben, dominant waren, aber es nicht zu Ende gebracht haben. Da müssen wir jetzt schleunigst hin, weil wir auch kaum mehr Zeit haben. Es geht in fast einer Woche wieder los. Da müssen wir die Sachen abstellen, um oben noch ein Wörtchen mitzureden. Das ist unser Ziel!“

Sky Sport: War das Leipzig-Spiel ein Spiegel der Hinrunde? Die beste erste Hälfte der bisherigen Saison und dann individuelle Fehler gemacht…

Reus: „Da könnte man noch einige andere Spiele aufzählen, die wir uns anders vorgestellt haben, die wir gut begonnen haben, wo wir in Führung lagen. Mal waren wir in der ersten Halbzeit nicht so gut, dann waren wir in der zweiten Halbzeit besser. Man hatte immer das Gefühl, dass wir aufdrehen, sobald wir müssen. Dann können wir es auch. Den Schalter müssen wir einfach umlegen, dass wir es über 90 Minuten komplett durchziehen. Dann machen wir uns selbst weniger Probleme. Wichtig ist, dass wir uns in einen Rausch spielen und Spiele gewinnen, um die Sicherheit zu bekommen. Seit der Systemumstellung hat man gesehen, dass wir uns wohler gefühlt haben. Dann kommen leider die individuellen Fehler dazu und dann wird’s schwierig, die Spiele zu gewinnen.“

Sky Sport: Wie stellt man die ab?

Reus: „Du musst dich 90 Minuten darauf konzentrieren, möglichst keine Fehler zu machen. Der Fußball lebt von den Fehlern. Natürlich ist es für die, die weiter hinten stehen, wo keiner mehr retten kann, umso ärgerlicher. Da kannst du nichts dafür. Aber im Großen und Ganzen wissen wir, dass wir es besser können – diejenigen natürlich auch und wir als Mannschaft sowieso. Deshalb müssen wir zusehen, das ab nächster Woche nicht mehr an den Tag zu legen.“

Sky Sport: Julian Brandt ist auch gewöhnt, 35 Meter weiter vorne zu stehen… (wegen dessen missglücktem Rückpass gegen Leipzig, Anm. d. Red)

Reus: „Ja, aber er hat es richtig gut gemacht, dieses Bindeglied zwischen Defensive und Offensive zu sein. Er hat schon öfter betont, dass er sich da wohlfühlt. Mit seiner Spielweise und Art, wie er verteidigt und angreift, macht er das sehr gut.“

Sky Sport: Der Trainer spielt eigentlich lieber Viererkette, oder?

Reus: „Das kann ich mir schon vorstellen. Aber bei Nizza hat er auch öfter mal Fünferkette gespielt. Der Fußball heutzutage ist so kreativ und schnelllebig, dass es auch darum geht, sich auf bestimmte Gegner anders einzustellen. Wir hätten das vorher auch schon spielen können, wir haben das öfter trainiert. Damals war der Anlass naheliegend. Mal schauen, wie wir in der Rückrunde spielen werden. Es ist immer gut, dass wir in verschiedenen Systemen spielen können, weil wir auch die Spieler dazu haben.“

Sky Sport: Jetzt kommt noch einer dazu: Erling Haaland. Das ist ein spannender Kicker, oder?

Reus: „Er ist vom Typ sehr offen. Es ist erstmal wichtig, alle nah kennenzulernen. Dafür ist so ein Trainingslager ideal. Jetzt geht für ihn darum, richtig fit zu werden, richtig anzukommen. Das wird seine Zeit dauern. Die geben wir ihm. Er gibt uns einfach nochmal anderen Input, nochmal eine andere Art, wie wir spielen können.“

Sky Sport: Solche Spieler hattet ihr lange nicht mehr.

Reus: „Ich glaube, seit Lewy [Robert Lewandowski, Anm. d. Red.] hatten wir so einen Spielertypen nicht mehr. Er gibt uns die Möglichkeit, flexibler zu sein, auf verschiedene Spielstände zu reagieren. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Jetzt muss er erstmal gesund werden und jeden richtig kennenlernen – wir ihn auch. Wir müssen ja auch auf ihn eingehen, auf seine Stärken, aber das wird sich alles mit der Zeit ergeben.“

Sky Sport: Möglichkeiten, die ihr dringend braucht? Paco Alcacer war in der Hinrunde viel verletzt und danach gibt es leider nicht mehr viel.

Reus: „Paco hat am Anfang richtig geboomt, dann war er länger verletzt. Danach hat sich der Trainer anders entschieden. Wie gesagt, Haaland gibt uns viele Möglichkeiten, Fußball zu spielen, aber letztlich muss der Trainer entscheiden, wer eingesetzt wird. Für mich und andere Spieler haben wir mit Haaland neue Optionen, auch mal lange Bälle. Wie gesagt, im Fußball ist es wichtig, flexibel zu sein und das haben wir damit geschaffen.“

https://www.skysportaustria.at/bundesliga-de/haaland-erklaert-bvb-wechsel-das-ist-es-was-mich-ueberzeugt-hat/

Sky Sport: Fehlt euch manchmal ein „Drecksack“ in der Mannschaft?

Reus: „Nein glaube ich nicht. Wir haben die Diskussion letztes Jahr auch schon mal gehabt. Der Kader ist so zusammengestellt, wie die Verantwortlichen sich das vorgestellt haben, wie der Trainer sich das vorgestellt hat. Wir haben da genug Qualität im Kader. Wir brauchen nicht jemanden, der ein absoluter Drecksack ist. Wir lösen das auf unsere Art und Weise, auch wenn das nicht immer richtig ist. Von daher brauchen wir uns da keine Sorgen machen. Wir werden unsere Spiele schon verbessern müssen, das wissen wir auch. Aber dafür brauchen wir nicht unbedingt einen Drecksack.“

Sky Sport: Was schafft ihr ohne „Drecksack“ in der Rückrunde?

Reus: „Ich hoffe eine ganze Menge. Wir müssen als allererstes konstanter spielen, über viele Spiele hinweg. Das wird das A und O sein in der Rückrunde, dass du konstant die Spiele gewinnst, um am Ende hoffentlich weiter oben zu stehen. Ansonsten brauchen wir darüber nicht reden. Und dann die individuellen Fehler abstellen und einfach befreiter spielen. Wir hatten in der Hinrunde viele Phasen dabei, wo wir nicht komplett waren, wo das System noch nicht stand. Ich glaube, jetzt ist das mit dem Trainingslager auch beendet und wir wissen auch wirklich, wo wir stehen. Wir müssen natürlich alle eine Schippe drauflegen. Wir haben uns die Hinrunde anderes vorgestellt: von der Art und Weise und von den Ergebnissen sowieso. Aber es ist vorne sehr eng. Leipzig macht es richtig gut. Mit den Bayern ist immer zu rechnen und mit uns sowieso, von daher ist alles offen. Wobei Leipzig natürlich schon ein kleines Polster hat, was wir aus der Vergangenheit kennen. Es bleibt spannend.“

Sky Sport: Welche Erklärungen gibt es, dass man diese Schippe in der Hinrunde noch nicht drauflegen konnte? Vielleicht auch die vielen Verletzten?

Reus: „Ja, wir haben trotzdem große Qualität, egal, ob einer ausfällt oder nicht. Das darf keine Ausrede sein und ist es auch nicht. Es sind verschiedene Dinge, die in der Hinrunde nicht so gelaufen sind, wie wir uns das vorgestellt haben. Es gab Unruhe bei uns, jeder hatte auch mit sich selber zu kämpfen. Dann ist es schwierig, von jetzt auf gleich alles umzustellen. Wir brauchten ein bisschen Geduld, auch eine kleine Veränderung wie beim System. Da hat sich das so langsam gefunden. Das spürt man auf dem Feld auch, dass man sich ein bisschen in einen Rausch spielt. Dann hat man ein anderes Gefühl, wenn man auf den Platz geht. Das hatten wir am Ende auch – ausgenommen vom Hoffenheim-Spiel.“

Sky Sport: Da wart ihr platt, oder?

Reus: „Platt hin oder her – wir sind immer in der Lage, das Spiel zu gewinnen. Das haben wir nicht geschafft. Da kann man vielleicht auch sagen, dass das ein bisschen die Schwierigkeit der Hinrunde war. Da müssen wir insgesamt eine andere Bereitschaft an den Tag legen – nicht nur in einzelnen Spielen, sondern in der gesamten Rückrunde.“

Sky Sport: War das ein kleiner Hinweis an ein paar Kollegen?

Reus: „Es passiert alles nur im gesamten, da wird niemand einzeln hervorgehoben. Wir können es nur im gesamten schaffen, da wieder vernünftigen Fußball zu spielen, eine vernünftige Einheit auf dem Platz zu sein. Da mache ich mir keine Gedanken, aber du musst viel auf dem Platz machen. Wir haben in der Vergangenheit viel geredet und jetzt wird es drauf ankommen, dass wir kontinuierlich unsere Leistung zeigen.“

Sky Sport: Wie haben sie den Druck auf Lucien Favre wahrgenommen? Sie kennen ihn ja schon ein bisschen länger.

Reus: „Das gehört dazu. Er ist erfahren genug zu wissen, dass der Fußball von Ergebnissen bestimmt wird. Wenn die Ergebnisse nicht da sind, dann muss jeder Trainer um seinen Job bangen, das ist ja ganz normal. So läuft das Geschäft. Ich habe ihn wie immer sehr ruhig erlebt. Er ist sehr engagiert, hat immer nach Lösungen gesucht und viel mit uns gesprochen. Er ist drangeblieben, wir sind drangeblieben. Wir hören auf ihn, wenn er uns die Richtung vorgibt. Das ist einfach wichtig.“

Sky Sport: Er kann ja ein witziger Typ sein, dass wissen viele nicht …

Reus: „Ja, absolut. Ich kenne ihn schon länger und habe schon einige Gespräche gehabt, die auch abseits vom Fußball sind. Er ist ein sehr lustiger Zeitgenosse, mit dem man sich sehr gut unterhalten kann.“

Sky Sport: Sie haben drei Titel zur Auswahl: Meisterschaft, DFB-Pokal oder Champions League – welchen würden Sie nehmen?

Reus: „Meisterschaft! Weil es in meinen Augen einfach ein besonderer Titel ist und es einfach schön wäre, mit den Fans und dieser Mannschaft in Dortmund so einen Titel zu feiern. Das wäre der Traum.“

Sky Sport: Nächstes Jahr dann die Champions League?

Reus: „Schauen wir mal. Ich würde auch alle drei nehmen. Wir haben die Qualität dazu, aber wir müssen realistisch bleiben. Einfach eine Schippe drauflegen und kontinuierlich Stabilität zeigen. Durch reden hat noch nie jemand irgendwas gewonnen. Von daher ist das die Marschroute.“

Sky Sport: Wie realistisch ist die Meisterschaft?

Reus: „Die ist so realistisch wie am Anfang der Saison. Wenn du einmal in dieser Saison einen Lauf hast, dann hast du sehr gute Chancen. Es sind viele Mannschaften oben dabei, die eine Rolle mitspielen. Ich würde nicht sagen, dass wir alles in der Hand haben, aber wir sind auf jeden Fall in der Lage, zurückzuschlagen. Und mit dieser Wut aus der Hinrunde müssen wir auch ins Spiel reingehen.“

Sky Sport: Braucht es für den Titel noch einen Spieler oder reicht Haaland?

Reus: „Wenn man sich die Mannschaft anguckt, was will man da noch mehr an Qualität? Wir müssen es auf dem Platz zeigen, denn die Mannschaft gibt alles her. Daran liegt es nicht. Wir haben jetzt einen sehr guten Stürmer dazu bekommen und damit neue Optionen. Von daher sind wir gut aufgestellt.“

Sky Sport: Sie haben schon vor der Saison gesagt: Vergesst mir Leipzig nicht!

Reus: „Ja, das stimmt. Aber vergesst mir Dortmund jetzt nicht.“

Das Interview führte Jesco von Eichmann.

(Red./skysport.de)