BVB-Fans protestieren gegen Sperrung der Südtribüne

„You’ll never walk alone“: Wenn die „Gelbe Wand“ kurz vor Anpfiff der Heimspiele von Borussia Dortmund ihren gesanglichen Ritus zelebriert, schallt aus 25.000 Kehlen ein Versprechen an die Mannschaft des deutschen Vizemeisters. Niemals, so der lauthals vorgetragene Schwur, werde das Team im Stich gelassen, nie die Unterstützung für die Elf in Schwarz und Gelb versagt. Wenn jedoch am Samstag (15.30 Uhr/Sky) der VfL Wolfsburg in Dortmund gastiert, können zumindest die Hardcore-Fans des BVB ihr Versprechen nicht halten.

Die legendäre Stehplatztribüne bleibt leer. Keine Fans, keine andauernden Sprechchöre, nur graue Tristesse – weil ein Teil der Dortmunder Fan-Szene Anstand und Respekt vermissen ließ. „Es ist immer ein unvergessliches Erlebnis vor und für diese Tribüne zu spielen. Es hat natürlich einen Einfluss auf uns, auf das Spiel, wenn sie leer ist“, sagte Trainer Thomas Tuchel.

Der Skandal beim Heimspiel gegen RB Leipzig vom 4. Februar (1:0), als beleidigende Banner gegen das „Kunstprodukt“ RB Leipzig die Grenzen des guten Geschmacks um Längen überschritten, wirkt noch immer nach. Der Imageschaden für den Klub lässt sich schwer beziffern, der wirtschaftliche Verlust dürfte einschließlich der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängten Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro im mittleren bis hohen sechsstelligen Bereich liegen.

Die öffentlich geführte Debatte über gewaltbereite und offenbar rechtsextreme Strömungen innerhalb der Dortmunder „Süd“ kann dem Klub anders als die drakonischen Strafen dagegen nur recht sein – auch im Sinne der friedlichen Mehrheit in der Kurve. Für die Sperrung zeigt Tuchel am Freitag allerdings nur wenig Verständnis: „Wir haben das Gefühl, dass wir nichts gemacht haben und die Leidtragenden sind. Wir reden von der gleichen Südtribüne, die im Spiel gegen Mainz geschwiegen hat, als ein Fan verstorben war. Wir reden von der gleichen Südtribüne, die vor wenigen Wochen noch einen Preis gewonnen hat.“

Die Schlagzeilen bestimmten zuletzt aber die Chaoten. Randalierer hatten außerhalb des Stadions Leipziger Gästefans mit gefährlichen Wurfgegenständen attackiert und zehn Personen verletzt, die Tribünen-Sperrung durch den DFB bezog sich allerdings nur auf die Banner im Stadion und nicht die Gewalttaten außerhalb der Arena. Am vergangenen Samstag wurden 88 Hooligans aus dem Dunstkreis des BVB, die auf dem Weg zum Auswärtsspiel bei Darmstadt 98 (1:2) waren, von der Polizei in Hessen aufgehalten und zurückgeschickt. Der DFB sprach am Donnerstag gegen alle Aufgegriffenen bundesweite Stadionverbote aus.

Die Entscheidung, die in Abstimmung mit dem BVB getroffen wurde, sei „ein weiteres deutliches Zeichen gegen Gewalt rund um Fußballspiele“, sagte der DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert.

In der Aufklärung der Ereignisse macht der Klub Fortschritte. 61 Tatverdächtige, die mutmaßlich an der Präsentation beleidigender Plakate im BVB-Stadion oder entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen beteiligt gewesen sind, wurden ermittelt. Gegen die Randalierer außerhalb des Stadions wurden nach Polizeiangaben bislang 32 Ermittlungsverfahren eröffnet.

Die Gewalttäter bleiben am Samstag draußen – wie etwa 25.000 andere, die die Konsequenz der Exzesse im Kollektiv mittragen müssen. Einem im Internet kursierenden Vorschlag, den Fanblock am Samstag immerhin für Kinder zu öffnen, schob der DFB einen Riegel vor, da es sich bei der Strafe um ein rechtskräftiges und abgeschlossenes Verfahren handelt. Da sich wohl trotz der Tribünensperre eine Vielzahl von Fans am Stadion einfinden wird, stockt die Polizei die Zahl der Einsatzkräfte auf.

Für Tuchel richtet sich der Fokus derweil wieder auf das Sportliche. Im Rennen um die direkte Champions-League-Qualifikation ist ein Sieg gegen die Wölfe Pflicht, vor allem die zuletzt mangelnde Chancenverwertung soll möglichst abgelegt werden.

Der kriselnde VfL wittert dagegen eine große Chance. „Falls es jemals einen guten Zeitpunkt gab, in Dortmund zu spielen, dann ist dieser vielleicht jetzt“, sagte Trainer Valérien Ismael.

Gänzlich ohne Unterstützung muss der BVB in seiner 80.000-Zuschauer fassenden Heimstätte freilich nicht auskommen. „Allein“, wie im zur Fußball-Hymne gewordenen Evergreen von Gerry and the Pacemakers gesungen, steht der BVB nicht da. Es wird nur etwas stiller als sonst sein.

SID re dk om