Der Ball ruht, der Kummer wächst: Depressionen bei Fußballern steigend

Die Folgen der Coronakrise sorgen für einen Anstieg der Depressionen – auch der Profifußball ist da keine Ausnahme. Das deutet eine Umfrage der Spielergewerkschaft FIFPro an.

Das nächste Spiel ist nicht in Sicht. In der Coronakrise ist nur die Unsicherheit gewiss. Die Pandemie wird auch für die Fußballprofis zunehmend zur psychischen Belastung. Zwar wachsen in der Bundesliga die Hoffnungen auf einen Wiederanpfiff am 9. Mai, Ligen aus anderen schwer betroffenen Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich sind davon aber noch weit entfernt.

Die Folgen? Isolation aufgrund teils massiver Ausgangsbeschränkungen, Anpassungsprobleme, Existenzängste. „Wir sind besorgt“, sagt Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann von der Spielergewerkschaft FIFPro.

Unterschiede bei Spielerinnen und Spielern

Anlass zu dieser Sorge bereitet Baer-Hoffman eine FIFPro-Umfrage mit 1602 Spielerinnen und Spielern aus 16 Nationen. Zwischen dem 22. März und dem 14. April zeigten sich demnach bei 22 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer Symptome, die auf eine Depression hinweisen könnten. In einer Studie zwischen Dezember 2019 und Januar 2020 waren es noch elf beziehungsweise sechs Prozent gewesen.

„Es sind ganz besondere Zeiten gerade, man könnte fast sagen: Die meisten von uns sind in einem latenten Alarmzustand, in einem Stresszustand“, sagt DFB-Teampsychologe Hans-Dieter Hermann. Der 59-Jährige sprach dabei von einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Davon ausgenommen werden können Fußballer aber nicht.

Der Pass in die Tiefe oder der Torabschluss aus der Distanz? Ein mutiges Dribbling an der Außenlinie oder lieber das sichere Zuspiel zum Hintermann? Statt mit Situationen aus dem Spiel- und Trainingsalltag beschäftigen sich viele Spieler längst mit anderen, grundlegenden Fragen.

Finanzielle Probleme

Was tun, wenn der eigene Marktwert sinkt? Wie reagieren, wenn Verträge auslaufen und bei potenziell interessierten Klubs der Spielraum für Neuverpflichtungen aufgrund wirtschaftlicher Corona-Folgen kaum noch vorhanden ist? Zumindest für Spieler aus den untere Ligen kann das zum Problem werden.

„Es ist für die Fußballer deswegen so schwierig, weil sie keine Kontrolle darüber haben“, sagte Markus Raab, Leiter der Abteilung Leistungspsychologie der Deutschen Sporthochschule Köln, dem SID.

Hart trifft die Lage ausländische Spieler, besonders in Ländern mit strikten Kontaktverboten. „Viele sind von ihren Familien getrennt, verbringen viel Zeit allein. Das ist sehr herausfordernd“, sagte Baer-Hoffmann.

Der Umgang mit den Herausforderungen der Coronakrise ist dabei typabhängig. Raab sprich von zwei Arten von Bewältigungsstrategien: „Es hängt von der Person ab, ob sie sich mit der Umbewertung der aktuellen Situation kognitiv so auseinandersetzen kann, dass sie sagt: ‚Okay, dann kann ich mich auf meine Fitness konzentrieren oder eine ältere Verletzung auskurieren.‘ Oder es ist so, dass sie sich ständig Sorgen machen über die Zukunft, die sie nicht so stark beeinflussen können in der jetzigen Situation.“

Das Aufzeigen von potenziellen Möglichkeiten für die Zukunft sei sinnvoll. „Da sind auch die Vereine und Verbände gefragt“, sagte Raab.

(SID)

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