„Die Fehler der Vergangenheit vermeiden“ als wiederkehrendes Lippenbekenntnis

Die Freistellung von Peter Stöger stellt den aktuellen Tiefpunkt der Krise beim SK Rapid dar. Ein Kommentar von Sky-Reporter Eric Niederseer zur aktuellen Situation in Hütteldorf.

Am 12.11.23 wurden Gerüchte über eine Freistellung von Zoran Barisic in einer offiziellen Aussendung des SK Rapid noch dementiert. Zwei Tage später endete die Ära Barisic dann doch. „Robert Klauß ist auf jeden Fall bis zum Ende der Saison Trainer bei uns“, meinte Markus Katzer am 31.03.2025 noch im „DAB – Der Audiobeweis“ von Sky. Rund drei Wochen später war auch diese Episode beendet. Am 27.11.2025 meinte Markus Katzer: „Für uns ist wichtig, dass wir so oder so keine Trainerdiskussion lostreten. Wir werden schauen, dass wir aus dieser Krise gemeinsam wieder rauskommen“. Am nächsten Tage wurde Peter Stöger von seinen Aufgaben entbunden.

Was haben alle drei Episoden gemeinsam? „Gemeinsam“ hat man es bei Rapid in den obigen drei Fällen nicht aus der Krise geschafft. Weder gemeinsam als Verein, noch gemeinsam als Team. Bei den jüngsten Trainern war die Hoffnung im Umfeld auf einen Neustart groß. Auf ein neues, erfolgreiches Rapid mit neuem Anstrich, dem ein vehement kommunizierter „klarer Plan“ hinsichtlich Ausrichtung vorangehen hätte sollen. Aufbruchstimmung war über den Dächern des Allianz Stadions zu spüren, Euphorie wurde zu Saisonbeginn entfacht. Die Ergebnisse passten, die Erwartungshaltung wuchs und wuchs. Der Ausgang jedoch wiederkehrend und gleichbleibend.

Konstanz in der Inkonstanz – Welchen Weg will Rapid gehen?

Nach der Freistellung von Zoran Barisic hatte der SK Rapid angekündigt, dass kein Trainer verpflichtet werden würde, der seine eigene Philosophie mitbringe. Anstelle dessen, hätte man einen eigenen klaren Plan, eine eigene Vision wie ein zukünftiges Rapid aussehen und vor allem auftreten solle. Ein moderner Trainer in persona Robert Klauß mit einer eigenen Vision wurde daraufhin als Antithese zum ursprünglichen Plan verpflichtet. Nach der Beurlaubung von Robert Klauß war bei den Verantwortlichen des SK Rapid die Rede davon, dass der eingeschlagene Weg nun fortgeführt werden solle.

Mit Peter Stöger wurde jedoch abermals ein Trainer verpflichtet, der einen anderen Ansatz des Fußballs verfolgt – andere Stärken vertritt, „Defizite“ der Vorgänger kompensieren solle – und wie seine Vorgänger scheiterte. Rund zwei Jahre nach der Beurlaubung von Zoran Barisic sucht man in Hütteldorf nach wie vor die eigene Identität und Ausrichtung. Die durchschnittliche Amtszeit der letzten fünf Rapid-Trainer beträgt 504 Tage, die der letzten drei durchschnittlich bei 355 Tagen. Wo liegt darin nun die Konstanz und Nachhaltigkeit, die der SK Rapid seit Jahren anstrebt? Oder sind all das nur Lippenbekenntnisse?

Der Reset-Knopf wurde erneut gedrückt, erneut aber nur gemäßigt. Bei allen drei Trainern hieß es schlussendlich, dass „die Entwicklung in die falsche Richtung ging und kurzfristige Ziele gefährdet gewesen seien“. Kurzfristige Ziele, die vor der Winterpause noch erreicht werden hätten können? Zeit ist bekanntlich im Fußballgeschäft nicht vorhanden. Zeit für Entwicklung & Nachhaltigkeit. In Stögers speziellem Fall: Zeit für Veränderung.

Die üblichen Fragen, die üblichen Antworten

Dass die individuelle Entwicklung in den vergangenen Wochen ausblieb, steht außer Frage. Dass die Ergebnisse ausblieben, ebenso. Acht Niederlagen aus den letzten zwölf Auftritten vor Freistellung von Stöger sind logischerweise zu wenig für die Ansprüche des SK Rapid. Der damalige Tabellenplatz Zwei ebenfalls? Dieser wäre vor wenigen Monaten wohl noch Wunschdenken gewesen. Auch wenn das „Eis“ von Woche zu Woche dünner wurde, der Abstand nach unten geringer.

Dass ein intensiver, dominanter Fußball, der einheitlich im gesamten Trainerteam und gepaart mit der Kaderplanung definiert hätte werden sollen, kaum ersichtlich war, steht ebenfalls außer Frage. Oder ist es bloß eine falsche Erwartungshaltung des Vereins hinsichtlich Spielphilosophie, die mit dem vorhandenen Kader sowie der athletischen Basis nicht einhergeht?

Dass die internationale Bühne nicht genutzt wurde, um den, anhand eines potenziell-fiktiven Wiederverkaufswerts zusammengestellten, Kader zu platzieren, steht außer Frage. Ob die Mannschaft dennoch gut genug für die nationalen Erwartungen und die internationale Bühne ist? Das werden die kommenden Monate sowie Aufgaben zeigen.

Was kann der Kader?

Fakt ist jedoch: Stand jetzt wurde der Abgang von Mamadou Sangaré, dem zweikampfstärksten Rapidler der Vorsaison, mit einem unfitten Martin Ndzie auf einer Schlüsselposition ersetzt. Zudem verließ man sich darauf, dass die 40 Pflichtspieltore von Isak Jansson, Dion Beljo und Guido Burgstaller aus der Vorsaison, auf den Schultern von Spielern, die zuvor wenig Spielzeit oder eine aussagekräftige Scorerquote in höchsten Ligen hatten, aufgefangen werden. Schwer vorstellbar.

Claudy Mbuyi wurde nach gutem Start leider ausgebremst. Nosa Dahl gilt nach wenigen Monaten in Hütteldorf als positives, und bis dato einziges Gegenbeispiel. Zumindest bei ihm war eine derart schnelle Anpassung in Hütteldorf, die leider rasch ausgebremst wurde, nicht erwartbar. Beim Rest, für den viele Millionen ausgegeben wurden, schon eher. Bei Neuzugängen wird generell oft auf Zeit gespielt, der Erklärungsversuch ein einfacher. „Ein anderes Land“, „ein anderer Fußball“, „eine andere Belastung“ gelten als universelle Thesen. Eine Zeitspanne, die man einem Trainer heutzutage leider kaum zugesteht.

Kaum Routine im Rapid-Kader

Fakt ist auch, und diesen Schuh muss sich der SCR, ob der Aussagen der Verantwortlichen Ende der Vorsaison, anziehen: Routine wurde dem Kader, abgesehen von Jannes Horn, kaum zugeführt. Als Antwort auf die Aussagen, man wolle „älter“ werden und Routine müsse dem Kader hinzugeführt werden, wurden junge Legionäre bzw. Entwicklungsspieler verpflichtet, um das hart erarbeitete Geschäftsmodell am Leben zu erhalten und das Transfer-Rad weiter drehen zu lassen.

Vereinzelte Leader, die auch in schwierigen Zeiten vorangehen, sind zwar vorhanden – eine Achse, welche beispielsweise die vergangenen Erfolge des SK Sturm Graz prägten, wird beim SK Rapid aber seit Jahren vermisst. Vor allem in schwierigen Phasen wird die Präsenz von Führungsspielern ersichtlich – oder im Falle des SK Rapid eben nicht. Eine homogene Einheit, die auf dem Platz füreinander kämpft und die gerne genannten Basics auf den Rasen bringt, sieht meiner Ansicht nach ebenfalls anders aus. Kader- und Marktwerte wurden zwar gesteigert, das große Ganze jedoch aus den Augen verloren.

Rapid fehlt die Basis

„Wenn du dich so präsentierst und so wenig Gegenwehr an den Tag legst, kannst du die Gründe im Trainerteam suchen – falsche Herangehensweise, von tief bis hin zu hoch verteidigen, Dreier- Vierer oder Sechserkette – aber wenn diese Prinzipien, die uns im Spiel wichtig sind, nicht kommen, hast du halt deine Probleme“, waren eine der letzten Aussagen, die Peter Stöger als Rapid-Trainer nach Rakow tätigte. „Du kannst als Trainer appellieren wie du willst. Wenn du eine Mannschaft mit so einem Auftritt siehst, ist das ein absoluter Wahnsinn“, schlug Sky-Experte Andreas Herzog nach dem Auftritt gegen den GAK wenige Tage zuvor in dieselbe Kerbe.

Der Auftritt in Polen offenbarte, abgesehen von einer einheitlichen Spielidee auch, was die ursächlichen Probleme des SK Rapid sind: für den intensiv gewünschten Fußball, muss zunächst auch die Basis in Form von Leidenschaft, Einsatz und Kampfbereitschaft stimmen. Stöger betonte dies auch während der erfolgreichen Anfangsphase der Saison immer – wohl im Bewusstsein, dass es auch schwierigere Phasen in den kommenden Monaten zu durchwandern geben werde. Phasen, in denen der Charakter einer Mannschaft auf eine harte Probe gestellt werden würde. Die Sätze „In guten, wie in schlechten Zeiten leben wir unsere Leidenschaft und sind stolz, uneigennützig zum Ruhm Rapids beizutragen. […] Seit jeher erkämpfen wir uns mit vollem Einsatz den Erfolg und geben nie auf“, prägen das Leitbild des SK Rapid. Von einer Einheit, die leidenschaftlich und uneigennützig für die Farben kämpft und als Gemeinschaft auftritt, war in den letzten Wochen jedoch wenig zu sehen.

Dinner for None – The same procedure as every year, SCR

Nachhaltigkeit wird aufgrund der aktuellen sowie vergangenen Entscheidungen nicht entstehen. Kontinuität ist es jedoch, die man sich in Hütteldorf seit Jahren wünscht und die man auf diversen Positionen im Verein predigt. Mit Peter Stöger ist ein Trainer mit Erfahrung bei Traditionsvereinen, der nachhaltig etwas verändern und aufbrechen wollte, gescheitert. Oder gerade deswegen? Nach der Niederlage gegen Rakow hatte er noch verlautbaren lassen: „Ich bin bereit, das durchzuziehen, ich bin ein Steher und Beißer. Wir sind auf alle Fälle bereit dazu, noch ein paar komplizierte Wochen durchzuziehen, um dann in die Pause zu gehen und Dinge zu verändern. Mein Zugang ist ganz klar: Ich will das so auf die Beine stellen, dass dieser Klub nachhaltig erfolgreich ist. Da muss man einige Dinge anders machen“.

Peter Stöger wollte Dinge anders machen, Dinge verändern, alte Strukturen aufbrechen. Spätestens im Winter. Und im Bewusstsein, damit anzuecken. Welche strukturellen Änderungen genau das hätten sein sollen, hat er mit der Öffentlichkeit nie geteilt. Schade eigentlich. Innerhalb des Vereins aber sicherlich. Man muss kein Hellseher sein, dass dies innerhalb Hütteldorfs zu Reibung führte. Hatte Peter Stöger die Zeit, die Basis und auch die Rückendeckung, seine gewünschten Veränderungen voranzutreiben? Oder war das Risiko schlussendlich doch zu groß, Veränderungen zuzulassen? Die Beantwortung dieser Frage hätte die Tabellenkonstellation und Systematik der Liga auf alle Fälle hergegeben. Der Wunsch nach Kontinuität ebenfalls. Anstelle einer grundlegenden Veränderung in Hütteldorf geht es nun ohne zwei externe Personen, die etwas bewirken wollten, gleichbleibend weiter – ähnlich wie in den Vorjahren. Und wohl mit denselben Lippenbekenntnissen.

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Bild: GEPA