Ex-Liga-Vorstand Pangl sieht Krise auch als Chance für den Fußball

Die Coronavirus-Pandemie hat den internationalen Profi-Fußball in die vielleicht größte Krise seines Bestehens gestürzt. Fast alle Ligen in Europa sind ebenso unterbrochen wie die Europacup-Bewerbe, Clubs klagen über existenzgefährdende Einkommensverluste. Georg Pangl sieht in dieser Situation aber auch die Chance, dass Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre korrigiert werden könnten.

Der Burgenländer arbeitete bis Jahresende als Generalsekretär der „European Leagues“ (EL), eines Verbandes von europäischen Profi-Ligen. Außerdem war der 55-Jährige von 2004 bis 2014 als Bundesliga-Vorstand tätig und arbeitete in verschiedenen Funktionen für ÖFB, UEFA und FIFA.

Vor allem in seinem Job als EL-Generalsekretär erlebte Pangl das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den großen europäischen Vereinen und dem Rest hautnah mit und hofft nun auf ein Gegensteuern nach der Überwindung der Pandemie. „Ich wünsche mir, dass das oft ausgesprochene Wort Solidarität wirklich gelebt wird, dass den großen Clubs bewusst wird, dass sie ihre nationalen Ligen brauchen und dass man ein bisschen nachhaltiger denkt und nicht immer nur mehr will“, sagte Pangl der APA.

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Im UEFA-Benchmark-Report 2020 ist ersichtlich, dass die 15 größten Clubs Europas 46 Prozent aller Sponsoreinnahmen kassieren. „Hier wäre eine Trendwende für den Fußball positiv“, forderte Pangl.

An wen dann aber umverteilt werden soll, ist noch offen – schließlich besteht die Möglichkeit, dass sich die Kluft weiter verbreitert, weil wirtschaftlich starke Vereine die schwierige Phase besser überstehen als der Mittelbau. Pangl: „Man muss unterscheiden zwischen Clubs, die einen gewissen finanziellen Polster auf dem Konto haben, und jenen, bei denen die Kalkulation relativ knapp ist. Wenn einige Monate lang die Einnahmen ausfallen, kann ich mir schon vorstellen, dass es bei vielen Vereinen eng werden kann.“

Deshalb ist es laut Pangl von großer Bedeutung, dass die nationalen Meisterschaften finalisiert werden – selbst wenn das nur mit Geisterspielen möglich ist. „Das wäre sicher nicht ideal, aber wenn man sich das Ausmaß der Pandemie mit allen Konsequenzen vorstellt, wird, so glaube ich, auch bei den Fans die Einsicht einkehren, dass es nicht anders geht.“

Bei Geisterspielen brechen zwar die Ticketeinnahmen weg, dafür bleiben den Clubs noch TV- und Sponsoren-Gelder. Außerdem würden in diesem Fall die Entscheidungen über Meistertitel, Europacup-Plätze und Abstieg auf sportlichem Weg fallen. Bei einem Saisonabbruch hingegen müssten darüber die nationalen Ligen oder die Nationalverbände befinden, was wiederum zu gerichtlichen Nachspielen führen könnte. „Aber ich glaube, da würden die Verantwortlichen Lösungen finden, um so etwas abzuwenden“, vermutete Pangl.

Auf der verzweifelten Suche nach Spielterminen wurde bereits die EURO 2020 „geopfert“, also um ein Jahr verschoben. Die Länderspieltermine Anfang Juni dürften demnächst gestrichen werden. Damit bleiben noch die restlichen Europacup-Partien sowie die ausstehenden Runden in den Meisterschaften, wobei hier laut Pangl die nationalen Ligen Vorrang bekommen sollten. „Das müsste man allein schon in Anbetracht der Herausforderungen bei Reisen andenken. Im Sinne des Fußballs sollte man sich auf die nationalen Meisterschaften konzentrieren.“

Über all diesen Gedankenspielen schwebt allerdings das Damoklesschwert eines kompletten Saisonabbruchs. So mancher deutsche Virologe glaubt sogar daran, dass es im gesamten Kalenderjahr keine Fußballspiele mehr geben wird. „Wenn dieser ‚worst case‘ eintritt, wäre das eine unglaubliche Durststrecke. Aber der Fußball wird nicht umzubringen sein“, prophezeite Pangl.

Zum Fortbestand eines geregelten Fußball-Betriebs will auch der Ex-Liga-Vorstand selbst einen Beitrag leisten. Pangl hat nach eigenen Angaben mit einem Partner aus der Bankenbranche unter Einbeziehung einer der weltweit größten Banken ein Konzept entwickelt, mit dem ins Trudeln geratene Clubs durch Fonds in Milliardenhöhe Überbrückungshilfen zur Verfügung gestellt werden können.

(APA)

Artikelbild: GEPA