Freshfields: Keine Beweise für gekaufte WM 2006

(SID) Die WM 2006 wurde nach Erkenntnissen der Kanzlei Freshfields nicht gekauft – aufgrund der lückenhaften Akten- und Informationslage kann ein Stimmenkauf vor der Vergabe aber auch nicht ausgeschlossen werden. Das teilten die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) beauftragten Ermittler am Freitag in Frankfurt/Main mit. Der Weg der dubiosen 6,7 Millionen Euro bleibt aber höchst verdächtig.
In jedem Fall habe der DFB versucht, den wahren Verwendungszweck der Millionen-Zahlung im Jahr 2005 an den Weltverband FIFA bewusst zu verschleiern.

Deshalb kommen auf den Weltmeisterverband mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Konsequenzen zu. Die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen. Im Zentrum der Ergebnisse stehen wie erwartet der damalige Organisationschef Franz Beckenbauer und der im Herbst 2015 als DFB-Präsident zurückgetretene Wolfgang Niersbach.

 

„Keinen Beweis für Stimmenkauf gefunden“

„Wir haben keinen Beweis für einen Stimmenkauf gefunden, können diesen aber auch nicht ausschließen“, steht in der Zusammenfassung der 361 Seiten, die Freshfields am Freitag um 13.30 Uhr der Öffentlichkeit zugänglich machte. Zum Vorwurf der Verschleierung heißt es: „Nach dem Ergebnis unserer Untersuchung steht fest, dass die Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 vom WM-Organisationskomitee bewusst falsch deklariert worden ist. Sie war als Betrag für die FIFA-Eröffnungsgala ausgewiesen, aber für Robert Louis-Dreyfus gedacht.“

Der verstorbene Ex-adidas-Chef Louis-Dreyfus hatte dem WM-OK laut der Ergebnisse finanziell ausgeholfen und 2002 ein Darlehen in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken (mit Zinsen ca. 6, 7 Millionen Euro) gewährt.

Ob dieses „nur der Sicherung des Finanzierungszuschusses der FIFA an das OK WM 2006 in Höhe von 170 Millionen Euro dienen sollte, oder ob zumindest auch ein weiterer, dahinterliegender Zweck“ verfolgt wurde bliebe „offen“, teilte die Kanzlei mit. Wer von den damals Beteiligten Kenntnis von dem Betrug gehabt habe, sei jedoch „strittig“.

 

Keine Erklärung für Zahlung im Jahr 2002

Für die Zahlung im Jahr 2002 gebe es „keine plausible“ Erklärung, teilten die Ermittler mit. Die 10 Millionen Schweizer Franken flossen über den Umweg eines Verteilerkontos in der Schweiz (auch Beckenbauer transferierte eine Millionensumme auf dieses Konto) an ein Konto in Katar, das dem inzwischen schwer belastetem früheren Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees, Mohamed bin Hammam, zugeschrieben wird.

„Mit anderen Worten flossen die 10 Millionen Schweizer Franken nicht in das Vermögen der FIFA, die den Zuschuss als Verband gewährte“, teilten die Ermittler mit: „Sondern in das Vermögen der KEMCO Scaffolding Co. (das bin-Hammam-Konto, d. Red.), die selbst keinerlei Leistung an den DFB erbrachte.“

Der seit 2012 gesperrte Skandal-Funktionär bin Hammam war damals Mitglied der FIFA-Finanzkommission, was die Überweisung in den Augen des WM-Organisationskomitees legitimierte.

 

Die wichtigsten Erkenntnisse zur Freshfields-Untersuchung:

 

WURDE DAS SOMMERMÄRCHEN GEKAUFT?

Nein, zumindest gibt es laut Freshfields-Ermittlern dafür bislang keine eindeutigen Beweise. Der Stimmenkauf könne aufgrund der lückenhaften Akten- und Informationslage aber auch nicht ausgeschlossen werden. Dicke Fragezeichen bleiben: Bewiesen ist die aus Deutschland initiierte Zahlung von rund 6,7 Millionen Euro im Jahr 2002 über Umwege an Mohamed bin Hammam. Angeblich als Vorleistung für den 170-Millionen-Zuschuss von der FIFA. Der katarische Geschäftsmann und Strippenzieher saß damals im Exekutivkomitee des Weltverbands und in der FIFA-Finanzkommission. Er ist inzwischen aber wegen zahlreicher Korruptionsvorwürfe lebenslang gesperrt. Die FIFA selbst sah nichts von den überwiesenen Millionen.

 

ALSO GAB ES DAS DARLEHEN VON ROBERT LOUIS-DREYFUS?

Ja. Der inzwischen verstorbene Ex-adidas-Chef überwies zehn Millionen Schweizer Franken auf das Verteilerkonto. Neu ist: Auf das gingen auch sechs Millionen Schweizer Franken von einem Oder-Konto des WM-OK-Chefs Franz Beckenbauer und dessen Berater Robert Schwan. Diese sechs Millionen gingen zuerst komplett nach Katar, dann sechs der zehn Louis-Dreyfus-Millionen zurück an Beckenbauer. Die restlichen vier Millionen kamen dann ebenfalls bei bin Hammam an. Der bestreitet den Eingang der Zahlung vehement.

 

HAT DER DFB DIE RÜCKZAHLUNG AN LOUIS-DREYFUS VERTUSCHT?

Ja, und laut Freshfields auch bewusst. Es stehe fest, dass die Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 vom WM-Organisationskomitee an die FIFA bewusst falsch deklariert worden ist. Sie war als Betrag für die FIFA-Eröffnungsgala ausgewiesen, aber für Robert Louis-Dreyfus gedacht. Der Weltverband leitete die Summe am gleichen Tag an das Dreyfus-Konto weiter – offenbar in Absprache mit Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt. Deshalb ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft, es geht um die Falschangabe in der entsprechenden Steuererklärung 2005.

 

WER HATTE WANN KENNTNIS VON DER VERSCHLEIERUNG?

Das ist „teilweise strittig“, sagen die Ermittler. In jedem Fall habe Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt von dem tatsächlichen Verwendungszweck gewusst, bei allen anderen – vor allem bei Zwanziger – gebe es Indizien in beide Richtungen. Tendenz: Schmidt hat bestimmt keinen Alleingang gestartet. Beim im Herbst als DFB-Präsident zurückgetretenen Wolfgang Niersbach seien die Ermittler „trotz schwerwiegender Bedenken“ zu dem Ergebnis gekommen, dass der 65-Jährige 2005 nicht zwingend wusste, dass das Geld an Louis-Dreyfus gehen sollte.

 

WAS IST MIT DEM VERTRAG MIT JACK WARNER?

Dieser bleibt laut Freshfields „rätselhaft“. Der Vertrag „trat formal wohl nicht in Kraft“. Die von Beckenbauer unterzeichneten Zusagen an den früheren FIFA-Vize seien aber „jedenfalls teilweise erbracht“ worden. Der wirtschaftliche Gegenwert des Vertrags habe sich laut Schmidt auf 10 Millionen Mark belaufen.

Titelbild: GEPA