Ilzer will „kleine Kluft“ zu Rapid, WAC und LASK schließen

Sturm Graz hat eine neue Zeit der Bescheidenheit eingeläutet. Nach verpatzten Jahren mit sofortigem Erfolgszwang hat sich der ins Mittelfeld abgestürzte Fußball-Bundesligist Geduld verschrieben. Trainer Christian Ilzer soll das Projekt auf Schiene und Sturm mit „konstruktivem Schnell-Fußball“ wieder an die heimische Spitze heranführen.

„Salzburg ist in einer eigenen Liga, dann kommt Rapid, WAC, LASK. Da ist eine kleine Kluft entstanden, die wir mit konsequenter Arbeit langsam versuchen zu schließen“, sagte Ilzer (42) wenige Tage vor dem Bundesliga-Start zur APA.

Der Club und Ilzer glauben sich beide unter Wert geschlagen. Der eine beendete die Saison trotz Ergebnis-Fußball mit neun Niederlagen in zehn Meistergruppen-Spielen auf Rang sechs. Der andere erlebte im Verpassen der Meistergruppe mit der Wiener Austria (7.) die bisher größte Niederlage seiner Trainerkarriere.

So kam es, dass Ilzer einen Tag nach Saisonende als Austria-Trainer dem Ruf von Sturms Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker auf dessen Almhütte folgte – und als Sturm-Trainer in Gedanken wieder ins Tal kam. Eine Bauchentscheidung, die sich bisher gut anfühle. Ilzer: „Die Zusammenarbeit mit dem Andi taugt mir irrsinnig. Da fühl ich mich wohl, das macht Spaß.“

Für den Spaßfaktor am Rasen kehrt das Duo Schicker/Ilzer beim Cupsieger von 2018 die Scherben der jüngeren Vergangenheit auf. „Es gibt ein paar Dinge aus der Vergangenheit zu lösen, aber wir überstürzen nichts“, erklärte Ilzer angesichts von aussortierten Spielern mit laufenden Bezügen. „Was möglich ist, machen wir jetzt.“ Was nicht möglich ist, soll im Winter-Transferfenster nachgeholt werden.

Geduld als Tugend

Geduld wird neuerdings in Graz versprochen und eingefordert, auch von Ilzer. „Man sollte schon geduldig sein als Sturm-Fan. Aber wir wollen auf unserem konsequenten Weg auch zeitnah Ergebnisse liefern und erfolgreich sein.“ Der Steirer, ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag, soll die Zeit kriegen, die Vorgängern unter der Maxime des schnellen Erfolgs nicht eingeräumt wurde. „Auf Sicht, in den nächsten drei Jahren, wollen wir auch wieder einmal eine internationale Gruppenphase nach Graz bringen.“

Seine Handschrift soll für „konstruktiven Schnell-Angriffs-Fußball“ (Ilzer) stehen, sie war in Grundzügen beim klaren 8:0 im Cup gegen den Viertligisten SV Innsbruck schon leserlich. Natürlich geht es mit und gegen den Ball aktiver zu als noch unter Nestor El Maestro. Fehler des Gegners sollen erzwungen, nicht geerbt werden. Das 4-4-2 mit Raute ist Ilzers präferierte Grundordnung, es ist schon einmal gutgegangen. „Beim WAC ist es mir gelungen, dass der Spielstil mehrere Trainer und Spieler überlebt hat“, erinnerte Ilzer. „Aber mein Spiel ist nicht an die Raute gemeißelt.“

Das Bekenntnis zur eigenen Jugend wurde erneuert. Talente, wie der in der Vorbereitung auffällige Sebastian Zettl (19) sollen höchstens 13 bis 14 gestandenen Kaderspielern Druck machen. „In der Vorsaison hatten wir 18-19 gestandene Spieler, totale Unruhe, es hat sich alles nach unten gezogen – weil Spieler gar nicht im Kader waren“, sagte Schicker kürzlich gegenüber dem Fan-Podcast „blackfm.at“. „Ich habe gemerkt, das hat keine Dynamik, das passt nicht.“

Neue Kaderstruktur

Dass Schicker an der Kaderstruktur rütteln konnte, war auslaufenden Verträgen von Gutverdienern wie Anastasios Avlonitis, Juan Dominguez, Kiril Despodow, Christoph Leitgeb und Thomas Schrammel zu verdanken. Die Coronavirus-Pandemie schrumpft auch das Budget von Sturm, zumindest 20 Prozent weniger als in der Vorsaison sind veranschlagt. Die Trennung vom früheren Sportchef Günter Kreissl am Dienstagabend wurde letztlich auch finanziell begründet.

Zuvor wurde ins fast komplett neue Betreuerteam um Ilzer investiert. Neu ist auch der ehemalige Ski-Trainer Mathias Berthold, der als „Team- und Persönlichkeitsentwickler“ das Wachsen einer neuen Mannschaft begleiten soll.

Die Abwehr etwa wird sich finden müssen. Zum Bundesliga-Start in St. Pölten am Sonntag könnten – von rechts nach links – die vier Neulinge Sandro Ingolitsch (aus St. Pölten), Gregory Wüthrich (Perth), Jon Gorenc-Stankovic (Huddersfield) und der zuletzt an Hartberg verliehene Amadou Dante die Viererabwehr bilden. Weil Linksverteidiger Vincent Trummer (20) mit einem Kreuzbandriss acht Monate auszufallen droht, halten die Verantwortlichen für die spärlich besetzten defensiven Außenpositionen die Augen bis zum Transferschluss am 5. Oktober offen.

Für den Angriff gilt dasselbe. Bekim Balaj und Kevin Friesenbichler sind wuchtige Spielertypen. Zu einem flinken Neuzugang als Nebenmann würde Ilzer nicht Nein sagen. Den aus Sambia zugewanderten Francisco Mwepu (20/Bruder des Salzburgers Enock Mwepu) tituliert Ilzer als „Projektspieler“, der bei den Amateuren Fuß fassen soll.

(APA)

Artikelbild: GEPA