Peter Seisenbacher nach über siebenmonatiger Flucht in Kiew verhaftet

Wien/Kiew (APA) – Die über sieben Monate lange Flucht des unter mehrfachem Kindesmissbrauchs-Verdacht stehenden Judo-Doppelolympiasiegers Peter Seisenbacher ist Dienstagmittag in der Ukraine zu Ende gegangen. Beamte der dortigen Kriminalpolizei vollzogen um 12.30 Uhr in Kiew einen von der Wiener Justiz ausgestellten internationalen Haftbefehl.

Der Haftbefehl wurde erlassen, nachdem der Ex-Judoka Mitte Dezember 2016 unentschuldigt nicht zu seinem Prozess im Wiener Landesgericht für Strafsachen erschienen war. Der 57-Jährige reagierte auf seine Festnahme völlig überrascht, leistete aber keinen Widerstand.

Auf die Spur des untergetauchten Goldmedaillengewinners bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984, der vier Jahre später seinen Titel in Seoul verteidigen konnte, war das Bundeskriminalamt (BK) nach umfangreichen Telefonüberwachungen und Observationen durch Kontaktbeamte in der Ukraine gekommen. Der von der Bildfläche verschwundene Seisenbacher wechselte zwar regelmäßig seine Handys, kontaktierte aber immer wieder dieselben Personen, darunter auch seine in Wien wohnhafte Mutter.

Vor seinem Prozess, in dem es um wiederholte Übergriffe in seiner Zeit als Trainer eines Wiener Judovereins zulasten ihm anvertrauter Mädchen gehen sollte, dürfte sich Seisenbacher schon länger nicht mehr in Aserbaidschan aufgehalten haben, wo er zuletzt als Trainer der Judo-Nationalmannschaft fungiert hatte und daher vermutet worden war. Fest steht, dass er am 14. Dezember einen Flieger von Georgien in die Ukraine nahm und in weiterer Folge in Kiew eine Wohnung bezog. An seiner Seite soll sich in den Monaten seit seinem Verschwinden eine Frau befunden haben.

„Vor ein paar Wochen sind konkrete Hinweise auf seinen Aufenthaltsort eingegangen“, präzisierte Christina Salzborn, die Sprecherin des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Dienstagabend im Gespräch mit der APA den Verlauf der Ermittlungen. Verstärkte Erhebungsmaßnahmen des Bundeskriminalamts und umfassende Observationen vor Ort hätten schließlich zum Fahndungserfolg geführt. In welches Gefängnis Seisenbacher von den Kiewer Behörden gebracht wurde, ließ sich vorerst nicht eruieren.

Die erforderlichen Anträge auf Auslieferung des 57-Jährigen an Österreich wurden bereits an die ukrainischen Behörden gestellt, berichtete Salzborn weiter. Ein neuer Termin für die Hauptverhandlung gegen Seisenbacher wird nach der tatsächlichen Auslieferung festgesetzt. Im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs müsste das einstige Sport-Idol mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.

Salzborn hob die gute Zusammenarbeit zwischen den österreichischen Justiz- und Polizeibehörden mit der Ukraine und Georgien hervor. Eine wichtige Rolle bei der Festnahme Seisenbachers hätten die in Kiew und Tiflis (Georgien) stationierten österreichischen Verbindungsbeamten gespielt. Diese koordinierten zwischen dem Bundeskriminalamt, den örtlichen Behörden und dem Landesgericht für Strafsachen.

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere war Seisenbacher als Trainer seinem Sport treu geblieben. In seinem Wiener Judo-Verein soll er – so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wien – zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitraum jeweils unmündige Mädchen missbraucht haben. Eine weitere Jugendliche wehrte ihn laut Anklage ab, als er zudringlich wurde – die Staatsanwaltschaft hat dieses Faktum als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt. Seisenbacher hat sich zu den Anschuldigungen bisher nicht öffentlich geäußert hat. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.