Fünf Jahre Marcel Koller – eine Bilanz

Am 15. November 2011 saß Teamchef Marcel Koller erstmals als Trainer der österreichischen Nationalmannschaft auf der Bank. In einem freundschaftlichen Länderspiel in der Ukraine musste sich das Nationalteam mit 1:2 geschlagen geben. Fünf Jahre und 45 Spiele später steht der 56-jährige Schweizer erstmals heftiger Kritik gegenüber. Die Bilanz seiner ersten fünf Jahre als ÖFB-Teamchef kann sich dennoch sehen lassen.

 

Die Ära Koller in Zahlen

In 46 Spielen holte das Nationalteam 22 Siege, 9 Unentschieden und kassierte 15 Niederlagen. Das entspricht 1,63 Punkten pro Spiel und einer Siegquote von 47,8 Prozent. In Pflichtspielen liest sich die Statistik noch besser. In 27 Spielen stehen 15 Siegen und 5 Unentschieden nur 7 Niederlagen gegenüber (Siegquote: 55,6 Prozent, 1,85 Punkte/Spiel). Zum Vergleich: Vorgänger Didi Constantini erreichte in 23 Partien eine Punkteschnitt von 1,04. Damit kann Koller auch mit Herbert Prohaska mithalten, der 1,65 Punkte pro Spiel mit der ÖFB-Elf holte.

In Kollers erster Qualifikationsrunde, der WM-Qualifikation 2014, landete man in der Gruppe mit 17 Punkten hinter Deutschland (28) und Schweden (20) auf Rang drei und verpasste damit das Turnier in Brasilien. Der für das Playoff nötige zweite Platz war aber durchaus in Reichweite. Erst eine unglückliche 1:2-Niederlage nach 1:0-Führung in Schweden besiegelte am vorletzten Spieltag das Aus. Auch beim 1:2 gegen Deutschland im Wiener Ernst-Happel-Stadion zeigte die Mannschaft eine starke Leistung und stellte den Favoriten vor große Probleme.

Chancenauswertung als größtes Problem

Koller verlängerte trotz Qualifikations-Aus seinen Vertrag. Er sah weiter Potential in der österreichischen Nationalmannschaft und seine Mission noch nicht als beendet. Dabei schlug er sogar das Angebot Teamchef seines Heimatlandes zu werden aus.

Koller bleibt Teamchef

Top 10 der Welt

Das fehlende Glück in der Qualifikation zur WM sollte aber in den beiden Jahren danach zurückkommen. Österreich marschierte ohne Niederlage (9 Siege, 1 Unentschieden) durch die EM-Qualifikationsgruppe für die Endrunde in Frankreich 2016 und qualifizierte sich erstmals sportlich für eine EM. Nur zum Auftakt gegen Schweden (1:1) musste man Punkte abgeben. Danach gab es neun Siege in Serie mit einem beeindruckenden Torverhältnis von 21:4. Herausragend dabei war der 4:1-Auswärtssieg in Stockholm gegen Schweden, wo das österreichische Team erfrischenden Offensivfußball zeigte.

Koller: „Frankreich Wir Kommen“

Der Hype um das Team und auch um Teamchef Marcel Koller kannte keine Grenzen. Österreich lag in der FIFA-Weltrangliste plötzlich in den Top 10. 2007 war Österreich Nummer 94 der Fußballwelt. Beim Amtsantritt des Schweizers lag man auf Rang 70. Mittlerweile ist man auf Platz 30 zurückgefallen.

 

 

Koller setzt auf Vertrauen

Der Schweizer erstellte in den fünf Jahren seinen Stammkader. Er schenkte auch Spielern, die bei ihren Vereinen nur wenig Spielpraxis bekamen, das Vertrauen. So stand Marc Janko regelmäßig  in der Startelf, obwohl er bei Trabzonspor in der Türkei mehr auf der Tribüne saß als auf dem Rasen spielte, oder Torhüter Robert Almer, der bei Fortuna Düsseldorf, Energie Cottbus und Hannover 96 nur Ersatzkeeper war. Beide zahlten das Vertrauen zurück. Janko bedankte sich im Juni 2013 beim 2:1-Heimsieg gegen Schweden mit einem Flugkopfballtor, der viel kritisierte Almer entwickelte sich zur unumstrittenen Nummer eins im Nationalteam.

Almer ist Koller dankbar

Janko genießt Kollers Vertrauen

Bei der Europameisterschaft setzte der 56-Jährige ebenfalls auf altbewährte Kräfte, die in der Qualifikation so starke Leistungen gezeigt hatten. Beim Turnier in Frankreich ließen aber gerade diese Spieler mit Formschwäche aus. Die Kritik richtete sich zunehmend nicht nur gegen Alaba und Co., sondern auch gegen den Trainer. Kollers Festhalten am Stamm wird jetzt heftig kritisiert, manche sprechen von „Sturheit“ des Schweizers.

Koller setzt auf Kontinuität

Doch wer nach der misslungenen EM glaubte, dass das ÖFB-Team mit frischem Wind in die WM-Qualfikation für Russland 2018 startet, sollte sich täuschen. Koller setzt weiterhin auf sein Stammpersonal. Zum Paradebeispiel wurde Alessandro Schöpf, der auf Schalke Woche für Woche Top-Leistungen brachte und als einziger ÖFB-Spieler bei der EM positiv aufzeigte und sich dennoch hinter dem mit Bremen schwächelnden Zlatko Junuzovic, anstellen musste. Doch auch mit Schöpf erstmals in der Startelf setzte es gegen Irland am vergangenen Samstag eine 0:1-Niederlage. Marcel Koller fehle der Plan B lautet der Tenor der Medien.

Koller in der Kritik

Bereits nach vier Spielen ist das Ticket für Russland in weite Ferne gerückt. Mit 4 Punkten liegt man bereits abgeschlagen hinter Irland (10), Serbien (8) und Wales (6) auf Rang vier. Der Weg nach Russland ist angesichts dieser Ausgangslage beinahe unüberwindbar.

Koller 2015 bei Talk & Tore: „Du musst auch Stur sein“

Die Unzufriedenheit der Fans über den Schweizer Teamchef ist so groß wie nie in den fünf Jahren zuvor. Der Fußball ist und bleibt ein Tagesgeschäft – vor wenigen Monaten war der Schweizer noch der gefeierte Heilsbringer. Wenige Monate später fordern Fans seinen Rauswurf. Eine weitere Niederlage im Freundschaftsspiel gegen die Slowakei könnte die Stimmung weiter in Richtung der „Gegner“ von Marcel Koller kippen lassen.

ÖFB-Team droht Trainerdiskussion

 

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