Norweger Granerud greift bei Tournee nach Goldadler

Der „Grand Slam“ von vier Tagessiegen bei der 71. Vierschanzentournee ist für Halvor Egner Granerud nach dem Bergiselspringen kein Thema mehr.

Das dürfte dem Norweger aber herzlich egal sein, nachdem er am Mittwoch seinen Schicksalsberg endlich besiegt hatte. „Es ist fantastisch. Der zweite Platz ist vollkommen okay“, war der 26-Jährige zufrieden. Nur sein polnischer Rivale Dawid Kubacki hatte ihn vor 18.700 Zuschauern überflügelt, den Rückstand aber kaum verringern können.

Großer Vorsprung von 23,3 Punkten vor Finale in Bischofshofen

In der Tournee-Gesamtwertung bringt Granerud nun 23,3 Punkte oder umgerechnet knapp 13 Meter auf Kubacki zum Dreikönigsspringen nach Bischofshofen am Freitag (16.30 Uhr) mit. Nach den Siegen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen war Granerud mit Respekt nach Österreich gereist, hatte er doch vor zwei Jahren als Halbzeit-Führender und Topfavorit am Bergisel alle Siegchancen verspielt. Heuer lief alles anders. „Ich habe nicht so viele Punkte verloren, wie ich dachte“, war Granerud positiv überrascht.

Sein Trainer Alexander Stöckl schwärmte im Zielraum über seinen Schützling. „Ich bin jeden Tag aufs Neue überrascht, wie ruhig er das alles durchsteht. Vor zwei Jahren war es anders, da war er gestresster und hat sich über alles Mögliche außerhalb des Skispringens aufgeregt“, erzählte der Tiroler. Nun lässt Granerud alles andere abprallen, das zeuge „von einer irrsinnigen mentalen Stärke“. Die benötigt es auch, um auf der Fliegerschanze in Bischofshofen die Nerven zu bewahren.

Viel Druck für Norwegen

Denn für Norwegen steht viel auf dem Spiel, es geht um den ersten Tourneesieg seit Anders Jacobsen 2006/07. Und ein Fauxpas ähnlich wie bei Daniel-Andre Tande vor sechs Jahren, als diesem als Gesamtführenden beim letzten Sprung in Bischofshofen die Bindung aufging, soll nicht noch einmal passieren. „Wenn man vergisst, seine Bindung zuzumachen, dann ist das ein Pech“, erinnerte sich Stöckl. Bei Granerud ist sich der Coach aber sicher: „Er hat alles so unter Kontrolle.“ Das norwegische Team reiste bereits am Mittwoch weiter nach Bischofshofen, dort hat Granerud viele Freiheiten.

„Er darf frühstücken, wann er will und was er will“, betonte Stöckl, sein Schützling müsse einfach nur sein Ding machen. Auf polnischer Seite war die Freude über den Triumph in Innsbruck groß. „Als Tiroler im Hexenkessel Bergisel das Springen mit der Mannschaft zu gewinnen, das ist einfach unbeschreiblich“, sagte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler. Allerdings sanken die Hoffnungen auf den Tourneesieg. „23 Punkte sind viel, es wird von Tag zu Tag schwieriger, ihn einzuholen“, bekannte Thurnbichler. Kubacki gab sich kämpferisch. „Es ist alles möglich, ich werde nicht aufgeben“, sagte der Tourneesieger von 2019/20.

ÖSV-Adler auf Heimschanze um letzte Podest-Chance

Die ÖSV-Adler um Weltmeister Stefan Kraft wollen unterdessen wie im vergangenen Jahr die Tournee mit einem Überraschungserfolg abschließen. Der bisher letzte Bischofshofen-Sieger Daniel Huber fehlt zwar nach einer Knie-Operation, dennoch dürfen sich alle rot-weiß-roten Athleten berechtigte Hoffnungen machen. Am Bergisel landeten vier Österreicher in den Top Neun, in der Gesamtwertung sind Kraft (6.), Daniel Tschofenig (7.), Michael Hayböck (9.), Manuel Fettner (11.) und Jan Hörl (12.) allesamt in der Weltspitze dabei.

ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl ist jedenfalls zuversichtlich. „Die Schanze liegt uns am besten. Wir fahren mit einem guten Gefühl rüber, wir wissen, wie die Schanze funktioniert“, betonte der Coach. Widhölzl erwartet sich wieder eine gute Mannschaftsleistung, „der ein oder andere kann auch aufs Stockerl springen oder gewinnen“. Kraft freut sich auf den Heim-Bewerb. „Eine coole Schanze, mag ich sehr gern. Da haben wir viel trainiert, es ist eine Österreicher-Schanze und vielleicht bringen wir einen durch“, sagte der Pongauer.

Eine Tournee zum Vergessen erleben dagegen die deutschen Skispringer um Cheftrainer Stefan Horngacher. In Innsbruck landete mit Philipp Raimund der beste DSV-Adler auf Platz 13, es droht das schlechteste Tournee-Abschneiden seit knapp einem Jahrzehnt. „Die Stimmung im Team ist beschissen“, sagte Markus Eisenbichler, Dreifach-Weltmeister von 2019. In der Tournee-Gesamtwertung liegt mit Andreas Wellinger auf Platz acht nur ein Deutscher in den Top Ten.

(APA)/Bild: Imago