Carlos Alcaraz: Bruchlandung der Nummer eins in Toronto

Auch ein Überflieger hat Angstgegner. Wieder mal verlor der Weltranglistenerste gegen Tommy Paul. Wieso eigentlich?

Wenn Außerirdische unfreiwillig landen, kommt das immer ein bisschen härter rüber als bei Normalsterblichen. Frei übersetzt: Wenn Carlos Alcaraz ein Tennismatch verliert, fällt das ziemlich auf. Jetzt hat er wieder verloren, im Halbfinale von Toronto gegen Tommy Paul – gegen den er sowieso nicht so furchtbar gerne spielt.

„Ich nehme viele Lektionen aus diesem Turnier mit“, sagte Alcaraz nach dem 3:6, 6:4, 3:6 gegen Paul, der seinem Gegner mit einer wenig spektakulären, aber sehr effektiven Spielweise kaum Gelegenheit gab, seine PS auf den Platz zu bringen. Das Spiel von Carlos Alcaraz, irgendwie immer ein Mix zwischen Genie und Wahnsinn, kam nie so recht zur Entfaltung.

Alcaraz kann eigene Stärken gegen Paul nicht auf den Platz bringen

Wenn der Weltranglistenerste alles rausholt, was er kann, ist gegen ihn kaum ein Kraut gewachsen. Eine ungeheure Wucht in den Schlägen, viel Übersicht und Spielwitz haben Alcaraz in einer vielleicht sogar ungesunden Geschwindigkeit an die Spitze seines Sports katapultiert. Die Art und Weise, wie der 20-Jährige den großen Novak Djokovic im Wimbledonfinale vom Platz jagte, war beispiellos – auch wenn er gelegentlich Fehler macht, die einem Medenspieler die Schamesröte ins Gesicht treiben würden.

Aber auch einer wie Alcaraz ist nicht frei von Selbstzweifeln. Gegen Tommy Paul das gab er in Toronto zu, geht er ungern auf den Platz. In Cincinnati, wo am Montag das nächste Masters-Turnier beginnt, wird er es möglicherweise schon in der dritten Runde wieder müssen, das ergab die Auslosung. „Ich kann einiges besser machen als in Toronto“, sagte Alcaraz: „Ich muss vor allem mehr Vertrauen in mein Spiel haben.“

Große Pläne für Cincinnati

Bis zu den US Open, wo er als Titelverteidiger der Gejagte sein wird, hat Alcaraz noch zwei Wochen Zeit. In Cincinnati will er versuchen, „das beste Tennis zu spielen, das in mir steckt“, weil „ich eigentlich alles besser kann, als ich es in Toronto gezeigt habe“. Er müsse sich vor allem „viel öfter viel besser konzentrieren“.

Ein Tennismatch, das hat mal jemand namens Boris Becker gesagt, „wird zwischen den Ohren entschieden“. Gut möglich, dass diese Erkenntnis allmählich bei Carlos Alcaraz ankommt.

(SID) / Bild: Imago