Friedrich Stickler: „Man muss Taboga schützen“

„Es ist eine Strategie, dass Spieler mit dem Anbieten von Geld angesprochen werden – und wenn das nicht funktioniert, kommt oft die Androhung von Gewalt. Das wird dazu benützt, um Spieler gefügig zu machen, damit sie manipulieren und man mit ihnen Geld verdienen kann“, sagt Ex-ÖFB-Präsident und Lotterien-Vorstandsdirektor im Exklusiv-Interview bei Sky Sport News HD über den am Dienstag bekannt gewordenen Manipulationsskandal.

SSNHD: Ist der globale Fußball in Gefahr?
Friedrich Stickler: „Absolut. Ich glaube, dass man hier sehr rasch Maßnahmen setzen muss, dass man gesetzliche Grundlagen schaffen muss. Es müssen die Vorbereitung bzw. die Manpulation eines Ereignisses unter Strafe gestellt werden und zwar unter Strafen, vor denen sich Kriminelle auch fürchten. Man muss gegen die illegalen Anbieter vorgehen, weil hier sehr viel Geld nach Asien geht, das heißt, man muss versuchen, diese Kapitalströme zu unterbinden. Es muss also wirklich ein Bündel an Maßnahmen sein, denn es gibt Beispiele, die zeigen, dass Sportarten ruiniert werden können. Der Fußball in China hat so viele Anhänger und Unterstützer verloren, dass er zu einer Marginalie verkommen ist. In China interessiert sich nach zwei Riesenskandalen niemand mehr für die Liga. Die Chinesen interessieren sich deshalb für den europäischen Fußball.“

Wie sehen Sie den ‚Fall Dominique Taboga‘?
„Es ist dieses Phänomen des Whistleblowers ja eines der wesentlichen Elemente, um gegen Korruption, Bedrohung und Manipulation vorzugehen. Sie brauchen Sportler und Funktionäre, die, wenn sie angesprochen oder bedroht werden, das auch sagen. Nur so kann man diesen Kriminellen auch auf die Spur kommen. Man muss jemandem, der das tut – und da gehört sehr viel Mut dazu – entsprechend schützen, darf ihn nicht diskriminieren. Man muss diesen Sportlern jede Unterstützung geben, die nur möglich ist, damit andere nicht abgeschreckt werden und sagen ‚um Gottes Willen, was ich da gesehen habe, ich tu das sicher nicht mehr‘. Das ist für mich ein ganz wichtiger Fall jetzt, dass man diesem Spieler wirklich das Gefühl gibt: Wenn alles so ist, wie er es gesagt hat – diese Einschränkung möchte ich machen – dass er entsprechend geschützt und auch unterstützt wird.“

War das nur die Spitze des Eisbergs?
„Ich würde das so nicht sehen. Was aber erkennbar ist – und ich spreche hier von einer globalen Entwicklung – ist, dass die Ligen immer höher werden. Es wurde in der zweiten oder dritten Liga mit Manipulation begonnen, dort fiel es niemandem so auf. Inzwischen werden die Kriminellen schon ein bisschen frecher, gehen in die Qualifkationsspiele für die Europa League oder Champions League, diese Spiele sind natürlich viel interessanter, dort wird viel gewettet, da fallen hohe Einsätze nicht so auf. Es gibt Spiele von Nationalmannschaften, die schon manipuliert wurden. Man muss wirklich aufpassen, dass das nicht in den obersten Ligen landet, aber wenn man nach Italien oder in die Türkei sieht, es gibt schon viele Spiele von sehr prominenten Ligen, wo die organisierte Kriminalität zugeschlagen und manipuliert hat.“

Sind Manipulationen in Österreich leichter als anderswo?
„Ich glaube nicht. Es geht hier letztlich darum, wie leicht ich ein Opfer finde. Das hängt von der finanziellen Situation der Liga, des Vereins und des Spielers ab. Die organisierte Kriminalität macht hier eine Art Rasterfahndung. Man sucht sich Regionen dieser Welt aus, man sucht Ligen oder Klubs und letztlich auch Menschen. Sie landen dann dort, wo mit dem geringsten Risiko und dem geringsten Einsatz ein großer Effekt möglich ist. Wenn man jetzt zum Beispiel am Balkan eine Liga oder einen Verein hat, wo die Spieler lange kein Geld bekommen, sind diese natürlich sehr leicht ansprechbar. Das macht das Problem dort sehr groß. Wer Familie hat und Geld zum Leben braucht und es kommt jemand und sagt ‚pass auf, ich habe eine Idee‘ – dann wird ein Spieler vielleicht sagen ‚bevor ich verhungere, lasse ich mal einen Ball durch oder spiele nicht mit dem letzten Einsatz‘. In Österreich haben wir ein Problem darin, dass die Spieler vielleicht nicht so toll bezahlt werden, wie auch zum Beispiel in Finnlands zweiter Liga. Dort werden Spieler sehr leicht angesprochen. Es geht wirklich um einen strategischen Plan der organisierten Kriminalität, die sich einfach fragt: Wo greift man an, wo ist der Hebel am stärksten und wo geht´s am einfachsten?“