Simon Ammann: Der Rolling Stone von Engelberg

Vor zehn Jahren kündigte Simon Ammann seinen Rücktritt an, seine ewige Abschiedstournee führt das Schweizer Skisprung-Denkmal nun mal wieder zum Heim-Weltcup nach Engelberg.

Vielleicht ist das ja das letzte, abschließende Karriereziel von Simon Ammann, sein Masterplan: Alle auf alle Zeiten an der Nase herumzuführen und einfach auf ewig weiterzufliegen. Ein finaler Zaubertrick, der zum Schweizer, der es einst als Harry Potter des Skispringens zu sportlichem Weltruhm brachte, perfekt passen würde.

Zum zehnten Mal jährt sich in den kommenden Wochen „Simis“ erste Rücktritts-Ankündigung. Und doch ist der mittlerweile 42-Jährige immer noch dabei, ab Freitag wieder beim Heim-Weltcup in Engelberg, wie stets seit einem Vierteljahrhundert.

„Was, wenn er einfach endlos weitermacht?“, fragt der Schweizer Rundfunk schon 2018 halb im Scherz. Und Ammann macht einfach weiter, halb im Ernst. „Böse gesagt“, meint der doppelte Doppel-Olympiasieger von 2002 und 2010, „bin ich der einzige Breitensportler im Weltcup.“ Und der doppelte Hobby-Pilot – Schanze wie Flugzeug – segelt auch in seiner 26. Saison regelmäßig in die Punkte.

Und selbst wenn nicht, wäre dem ikonischsten Schweizer Sportler neben dem sechs Wochen jüngeren und auch reichlich spät zurückgetretenen Roger Federer niemand böse. Ammann scheint längst sakrosankt. Der im Nebenleben leidenschaftliche Rockfan – „ein Skispringer in seinem Kostüm sieht einfach zu wenig nach Rocker aus – wir sind es aber natürlich im Herzen“ – reüssiert als Sport-Variante der Rolling Stones. Auch deren Abschiedstournee zieht sich. Und genannt haben sie es nie so.

Ammann allerdings tat dies, Anfang 2014 erstmals, als er nach der Olympia-Pleite von Sotschi verkündete, „zu 99 Prozent nicht mehr in Pyeongchang dabei“ zu sein. Und er tat es, als er vor den Spielen 2018 eben dort seiner Frau versprach, dass nun wirklich Schluss sei. Seitdem erscheinen jährlich Nachrufe auf das vollendete sportliche Wirken Ammanns, wird das Karriereende herbeigeschrieben.

Ammann macht sich seitdem einen Spaß daraus, dementiert nur halbherzig, „probably“, so seine Lieblingsvokabel, sei es seine letzte Vierschanzentournee, letzte WM, seien es seine letzten Winterspiele. Und dann war er doch wieder dabei, bei der WM 2019, 2021, 2023, bei Olympia 2022. Und es würde kaum verwundern, wenn er wieder dabei wäre, bei der WM 2025, bei Olympia 2026.

„Ich bin an einem Punkt, wo ich mich schön ums Tagesgeschäft kümmern kann“, sagte Ammann dem SID 2021 mitten in seiner traditionell wieder einmal letzten Saison: „Über das Makro, das ganz Große, mache ich mir gerade gar keine Gedanken.“ Viel schöner ist es doch, wenn sich alle anderen über ihn Gedanken machen.

(SID)

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