Stefan Reiter: „Ich bin nicht zerstört oder am Boden“

  • Stefan Reiter: „Wenn man im Dezember einen Nachfolger sucht, dann denkt man sich seinen Teil“
  • Frenk Schinkels über Transferflops: „Warum gibt es so viele Scheidungen auf der Welt?“
  • Martin Scherb: „Trainer des Tabellenführers zu sein ist wie mit einem tollen Sportauto zu fahren“
  • Sky-Experte Alfred Tatar: „Ich sehe in St. Pölten keine Vereinsstrategie“


Wien, 13.02.2017.
Zu Gast bei „Talk & Tore – Die Tipico Fußballdebatte“ waren am Sonntag, 12.02.2017 der ehemalige Ried-Manager Stefan Reiter, Altach-Trainer Martin Scherb, St. Pölten-Sportdirektor Frenk Schinkels und Sky-Experte Alfred Tatar. Hier einige Aussagen des von Martin Konrad moderierten Live-Talks.

Stefan Reiter:

hat den ersten Schock der Beurlaubung gut verdaut: Es ist ja nicht von heute auf morgen passiert sonder nur von heute auf morgen medial bekannt geworden. Deshalb ist es für mich nicht so emotional. Ich bin auch nicht zerstört oder am Boden. Im Gegenteil, ich fühle mich gut und kann damit gut umgehen.

wird weiterhin der SV Ried treu bleiben: Mein Herz wird auch in den nächsten Jahrzehnten der SV Guntamatic Ried gehören. Da zittert man natürlich mit und ich habe auch natürlich gestern das Spiel auf Sky gesehen.

hält seinen Stil als Manager nicht für überholt:

Es gibt bei sowas immer zwei Meinungen und beide haben wahrscheinlich ihre Berechtigung. Unser neuer Vorstand ist der Meinung, dass der Verein mit einer anderen Person und frischem Wind wieder eine neue Startegie ausarbeiten und an alte Erfolge anschließen kann. Ich habe eben meine Strategie und die war ja nicht so unerfolgreich. Ich habe sie auch nicht stur 20 Jahre gleich gelassen sondern habe sie auch in den letzten Jahren den Gegebenheiten angepasst. Aber es ist nun so und das muss man hinnehmen und akzeptieren.

über den Vorwurf, dass fehlende Anpassungsfähigkeit ausschlaggebend war: Stur bin ich vielleicht schon, aber verändern oder anpassen sind zwei Paar Schuhe. Ich passe mich vielleicht nicht so an, aber beim verändern kommt es auch darauf an, was man verändern soll. Wenn es einen klar definierten Auftrag gibt, dann kann ich was verändern, wenn ich davon überzeugt bin. Ich bin ja auch sportlich der Hauptverantwortliche.

über einen möglichen Machtkampf in Ried, den er verloren hat:

Ich kann das nicht beurteilen, das sollen andere beurteilen. Der Vorstand sieht es so, ich sehe es vielleicht ein bisschen anders. Das ist beides legitim und auch okay. Ich bin über 25 Jahre im Fußball und kenne ihn von der Pike auf. Es gibt wenige, die in Österreich über so ein Netzwerk verfügen. Wenn man im Dezember erfährt, dass ein möglicher Nachfolger für mich gesucht werden soll, dann denkt man sich seinen Teil. Deswegen bin ich auch nicht so überrascht und kann auch relativ gut damit umgehen.

über Gespräche mit dem Vorstand vor der Beurlaubung:

Am Montag vor dem Trainingslager war Präsidiumssitzung und da haben wir darüber gesprochen und da haben sie gesagt, ja das stimmt, wir machen das. Es heißt zwar nicht, dass wir jemanden holen, aber wir sprechen mit Personen. Da habe ich gesagt, puh, da bin ich ein bisschen überrascht und habe sie darauf hingewiesen, dass das sicher nicht angenehm ist, wenn das öffentich bekannt wird. Wir sind so knapp vor der Meisterschaft und ich weiß, dass Ruhe so ziemlich das wichtigste ist, gerade in einer Situation, in der Ried gerade ist.

Martin Scherb:

über sein erstes Spiel mit Altach und die verlorene Tabellenführung: Wir haben die ganze Nacht geweint. Spaß beseite, die Leistung der Mannschaft war gegen eine sehr bissige und motivierte Admira in Ordnung. Wir sind mit dem Unentschieden zufrieden, hätten aber natürlich gerne gewonnen. Der Frühjahrsstart ist geglückt.

hatte niemals Bedenken, den Cheftrainerposten in Altach zu übernehmen:

Ich muss jetzt einmal mit der Mär, was man dabei verlieren kann, aufräumen. Ich kann es in Wahrheit nicht mehr hören. Wenn man die Chance bekommt einen Tabellenführer zu trainieren, dann gibt es nichts nachzudenken. So eine Möglichkeit bekommt man ganz selten. Das ist, wie wenn ein tolles Sportauto da steht und man sagt, steig ein und fahr eine Runde. Ich kann natürlich auf die Unfallstatistik schauen, aber jeder Mensch steigt ein. Altach ist ein tolles Auto, ist eine tolle Mannschaft, ist ein toll geführter Verein. Deswegen war es keine Frage ob es für mich persönlich etwas zu verlieren gibt.

Frenk Schinkels:

ist vom beinharten Kampf gegen den Abstieg nicht überrascht:

Das ist es von Anfang an gewesen, das ist kein Problem. Wenn du realistische Ziele setzt, dann bist du auch nicht überrascht, wenn es so eintritt. Es ist ein realistisches Ziel, mit drei, vier Vereinen um den Klassenerhalt zu kämpfen, hoffentlich auch ein bisschen zu spielen. Derzeit ist es ein Überlebenskampf. Bei den Reformen, die kommen, sind wir als Vereinsführung gefordert, dass wir alles tun, damit St. Pölten einen Bundesligaverein behält.

über die fehlende Qualität im Kader von St. Pölten:

Kontinuität hast du, wenn du die Qualität hast. Aber die haben wir nicht für die Bundesliga gehabt. Mit der Mannschaft, mit der wir aufgestiegen sind, waren Daxbacher, Fallmann und ich der Meinung, dass wir von Anfang an gleich unten dabei sein werden. Wir haben versucht, mit ein paar Neuerwerbungen die Situation zu erleichtern. Ich weiß noch immer nicht, wo man den Aufsteigerbonus bekommt. Das ist beinharte Arbeit und die kann man nur mit Bundesligaqualität angehen. Das haben wir nicht gehabt.

über mögliche falsche Transferentscheidungen:

Das weißt du doch nie. Warum gibt es so viele Scheidungen in der Welt? Oder du kaufst ein Auto und kommst nach zwei Jahren drauf, dass es doch nicht das richtige Auto ist. Dann musst du dich trennen.

klärt über sein Verhältnis zu Landeshauptmann Erwin Pröll auf:

Es geht darum: Erwin Pröll mag uns. Er hat uns geholfen, dass St. Pölten als Landeshauptstadt ein Bundesligastadion bekommt. Ich bin ein großer Sympathisant, weil er einfach der beste Politiker in Niederösterreich und auch in Österreich ist. Darum bin ich aber nicht Sportdirektor. Das bin ich geworden, als der Verein als Drittletzter mit einem Fuß in der Regionalliga war. Ich bin nicht als sogenannter Freund angestellt worden. Das hat mich schon ein bisschen gekränkt, weil das nichts mit Fußball zu tun hat.

Sky-Experte Alfred Tatar:

glaubt nicht daran, dass Martin Scherb nicht auf die Tabelle schielt:

Ich denke, das ist eine ordentliche Portion Understatement, die du an den Tag legst. Wenn ich meinen Blick in die nächste Runde projiziere, dann sehe ich, dass Altach ein Heimspiel gegen St. Pölten hat. Zu Hause sind sie eine unglaubliche Macht. Sollte es so sein, dass man St. Pölten bezwingen kann und gleichzeitig die Austria bei Sturm Graz verliert, dann sind das schon acht Punkte. Hier zu sagen, die Tabelle hat keine große Aussagekraft, möchte ich nicht so stehen lassen. Man könnte sich sehr schnell in den Top 3 festsetzen, sodass ein Saisonziel, nämlich die Qualifikation für den Europacup, denkbar nahe ist.

über fehlende Visionen in St. Pölten:

SKN St. Pölten ist seit geraumer Zeit der schlechteste Aufsteiger und ich sehe jetzt keine Vereinsstrategie. Ich sehe nicht, mit welchen Mitteln etwas passieren soll. Ich analysiere die Probleme im österreichischen Fußball, nämlich mit wenig Geld Spieler unterm Radar zu finden, die irgendwo herfliegen und so gut sein sollen, dass sie uns in den Europacup bringen. Ein absurder Spagat. Es ist kein Wunder, dass St. Pölten Neunter ist, weil es mit wenig Budget nicht möglich ist, dass man Spieler holt, die einem entscheidend weiterhelfen. Geld ist wirklich der Motor.

über den Rauswurf von Stefan Reiter: Warum geschieht das jetzt? Warum hat Ried nicht mit Stefan Reiter gesprochen und gesagt, wir planen diesen Vorgang und fragen ihn ob er in der Lage ist, für diese Übergangszeit seinem Nachfolger zu helfen. Und dieser Nachfolger ist ein Greenhorn.

Wiederholungstermine der aktuellen Sendung auf Sky Sport Austria HD:
Montag, 13. Februar, 15.00 Uhr und 23.45 Uhr
Dienstag, 14. Februar, 8.00 Uhr und 20.45 Uhr
Mittwoch, 15. Februar, 15.45 Uhr