Tipico Bundesliga Tor-Analyse

452 Tore sind in den ersten 30 Runden der Tipico Bundesliga bereits gefallen. Wir haben uns jedes einzelne Tor ganz genau angesehen und berichten darüber in diesem Beitrag. Dabei wollen wir aber nicht den üblichen Blick darauf werfen, in welchem zeitlichen Spielabschnitt wie viele Tore fallen, wo der Ort des Abschlusses ist etc., sondern wir analysieren hier die mannschaftstaktische Entstehung der Tore, um so auch Rückschlüsse auf die Spielweise in der Bundesliga und die Stärken einzelner Mannschaften machen zu können. Die nachstehende Abbildung zeigt eine prozentuelle Übersicht zur Entstehungsweise aller bisher erzielten Treffer.

 

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Um die einzelnen Torerfolgskategorien besser zu verstehen – hier die Kurzdefinitionen:

Unter Kombination fallen alle Tore, die nach mehreren sicher gespielten Pässen erzielt werden, bei denen der Gegner in der Defensive genug Zeit hat, sich zu organisieren und somit kein Umschaltmoment vorliegt.

Bei Torerfolgen unter Umschalten wird von der erfolgreichen Mannschaft eben dieses Umschaltmoment genützt. Nach Ballgewinn wird schnell nach vorne gespielt, ohne dem Gegner die Möglichkeit zu geben, sich zu organisieren, gefährliche Räume zu schließen und alle Passwege in die Tiefe zu zu stellen.

Kick and Rush enthält lange Bälle ohne eindeutigen Passempfänger mit anschließendem Spiel auf den zweiten Ball und sofortigem Zug zum Tor. Entscheidend ist, dass das „Momentum“ nach dem langen Ball ausgenützt wird.

Gegenpressing ist eigentlich keine Offensivkategorie, sondern eine Strategie um den Ball nach Ballverlust sofort wieder zurück zu erobern. Da aber nach der Balleroberung auch das Ziel ist, so schnell wie möglich um zu schalten und zum Abschluss zu kommen, wurde diese Kategorie von Umschalten getrennt. Entscheidend ist, dass das Team in Ballbesitz den Ball verliert, durch kollektives Pressing schnell zurückgewinnt, umschaltet und dann zum Abschluss kommt.

Standard umfasst alle direkten Tore durch Freistöße und Elfmeter und alle Tore, die Standardsituationen unmittelbar folgen. Dabei muss dies nicht unbedingt die erste Aktion nach der Standardsituation sein (z.B. Kopfball nach Freistoß-Flanke), sondern es können auch mehrere Pässe dazwischen gespielt werden. Entscheidend ist, dass die Situation noch der (Un-)Ordnung der vorausgegangenen Standardsituation entspricht.

Sonstiges ist eine Restkategorie für alle Torentstehungen, die nicht in eine der oben angeführten Kategorien passen. Hierzu zählen vor allem Einzelspieleraktionen und schwere individuelle Fehler der Verteidigung, wo kein mannschaftstaktisches Verhalten der Angreifer ursächlich ist.

Die Übersichtsstatistik zur Torentstehung in der österreichischen Bundesliga zeigt, dass die wichtigsten Kategorien Standardsituationen und Kombinationsangriffe mit jeweils 31 % sind, dicht gefolgt von Umschalt-Toren (25 %). Immerhin noch 8 % aller Tore fallen direkt durch Kick and RushSpiel. Beachtet man, dass zusätzlich rund 14 % aller Tore (dieser Wert ist in obiger Statistik nicht
enthalten), die durch eine Standardsituation, durch Kombinationsspiel oder Umschaltspiel erzielt werden, eine Kick and Rush-Aktion vorausgeht, so erkennt man die Relevanz dieser Kategorie: An mehr als jedem 5. Tor ist also eine Kick and Rush-Aktion beteiligt.

Das vielzitierte Gegenpressing hingegen führt kaum direkt zu Toren (2 %). Gegenpressing mag eine effektive Strategie im Spiel gegen den Ball sein und um das Spiel vom eigenen Tor fern zu halten, große Relevanz für Torerfolge hat es aber nicht. Dies auch nicht, wenn man einen genaueren Blick darauf wirft und auch jene Standard-, Kombinations- und Umschalt-Tore hinzunimmt, denen ein erfolgreiches Gegenpressing vorausgeht. Auch dann steigert dies nämlich die Gegenpressing Torbeteiligung bloß von 2 auf 4 % (dieser Wert ist in obiger Statistik nicht enthalten). Die 3 % an Toren mit sonstiger Entstehung teilen sich ziemlich gleichmäßig auf individuelle Fehler der
verteidigenden Mannschaft und auf herausragende Einzelspieleraktionen der Angreifer auf.

Fazit: Standardsituationen kommt in der Tipico Bundesliga hohe Wichtigkeit zu, da fast ein Drittel aller Tore direkt oder als Folge daraus fällt. Ebenso hoch ist der Anteil an Toren nach Kombinationsspiel. Die Analyse widerlegt somit die weitverbreitete Meinung, dass die meisten Tore nach Umschaltmomenten fallen. Zwar fällt tatsächlich jedes vierte Tor nach einer Umschaltsituation und somit ist deren hohe Relevanz belegt, um 6 % mehr Tore fallen allerdings nach Kombinationen. Das Kombinationsspiel bleibt somit das wichtigste Mittel im Spiel in Ballbesitz. Das Spiel mit langen Bällen und der Kampf um den zweiten Ball (Kick and Rush) ist direkt zwar nur für 8 % aller Tore verantwortlich, dennoch erweist es sich als bedeutendes Angriffsmittel, da damit oft der Ball nach vorne gebracht wird und viele Tore danach durch Anschlussaktionen fallen (Kombinationsspiel, Umschaltspiel, Standardsituationen). Gegenpressing, individuelle Fehler und reine Einzelspieleraktionen sind als Kategorien für Torentstehungen zu vernachlässigen.

Im zweiten Teil unserer Tipico Bundesliga Tor-Analyse werden wir uns nächste Woche den Torentstehungen der einzelnen Mannschaften widmen, um voraus zu ahnen, was uns von den einzelnen Teams im Meisterschaftsfinish erwarten wird.

Beitrag: Roland Leser und Stefan Helm