Skispringen: Krisenstimmung im Olympia-Winter: ÖSV-Team in Nöten

Garmisch-Partenkirchen (APA) – Nach dem vorzeitigen Aus von Stefan Kraft in Garmisch war keiner mehr da, um die aktuelle Krise im ÖSV-Springerteam zu übertünchen. Cheftrainer Heinz Kuttin sprach von einer schwierigen Situation, der Sportliche Leiter Ernst Vettori entschuldigte sich sogar. Die Ursache des großen Rückstands vermochte die Teamführung nach dem schlechtesten Tournee-Abschneiden seit 1979 nicht exakt zu definieren.

Kuttin zeigte sich trotz des Fiaskos im Neujahrsspringen – nur Gregor Schlierenzauer und Michael Hayböck hatten aus dem ÖSV-Sextett das Finale erreicht und die Plätze 19 und 20 belegt – für die nächste Station in Innsbruck am Donnerstag (14.00 Uhr) optimistisch. Er glaubt an eine Steigerung, zuvorderst bei Stefan Kraft. „Er ist verkrampft gesprungen und hat keine Dynamik reinbekommen. Jetzt ist der Druck weg. Er wird aus dieser Situation lernen“, sagte der Kärntner.

Vettori meinte, Kraft dürfe auch einmal zwei schlechte Tage haben. Der Salzburger sei nach wie vor ein Siegspringer. Dessen Kollegen hätten vielleicht zu viel gewollt, bei ein paar von ihnen sei auch die Qualität nicht da, meinte Vettori. Die Lösung liege im Kopf der Beteiligten. „Man muss die Burschen aufrichten“, sagte der Tiroler und erinnerte an einen Spruch: „An der Niederlage erkennt man die Größe eines Menschen.“

Kraft selbst wollte den Neujahrstag rasch abhaken. „Ich will die Tournee gut abschließen und freue mich richtig auf Innsbruck und Bischofshofen.“ Dort wolle er den Fans wieder weite Flüge zeigen.

Die Arbeit der Trainer wird am gesamten Team gemessen, und da besteht enormer Aufholbedarf. Die übrigen Athleten neben Kraft besaßen in dieser Saison bisher nicht die Form, um öfter unter die Top Ten zu springen. Das ist Daniel Huber (6.) und Manuel Fettner (8.) in neun Bewerben nur je einmal gelungen, nicht aber in den jüngsten sechs Konkurrenzen. Gregor Schlierenzauer und Michael Hayböck gelangen nach Verletzungen vorerst nur kleine Schritte nach vorne.

Garmisch bedeutete einen Tiefpunkt. „Die Situation ist schwierig“, gab Kuttin zu, der den Olympia-Bakken zuvor sogar als „Heimschanze“ tituliert hatte. „Das liegt uns im Magen.“

Der nach Ansicht Kuttins nun weggefallene Druck, die Vorfreude auf den Bergisel, die Unterstützung der Fans – diese Punkte sollen nach Meinung des Cheftrainers eine Steigerung ermöglichen. Ruhig weiterarbeiten lautet die Devise des fast 47-Jährigen, der bei den Erfolgen der vergangenen Saison ebenso gefasst blieb wie nun an einem Tiefpunkt. „Wir haben noch viel vor in dieser Saison“, betonte Kuttin. Bis zu den Olympischen Spielen bleiben freilich nur noch weniger als sechs Wochen.

Der Weltmeister von 1991 glaubt nicht, dass man in der Vorbereitung etwas verpasst habe. „Die Arbeit stimmt und ich bin auch überzeugt, dass das Material stimmt“, betonte Kuttin.

Vettori stellt sich vor die Betreuer. „Das Team, das arbeitet, habe ich mir gewünscht. Ich bin überzeugt, dass wir fleißig sind und alles geben. Aber dass da jetzt nichts rausschaut, ist eine andere Geschichte. Das liegt nicht am Einsatz der Beteiligten“, sagte Vettori am Montag in Garmisch. Eine kurzfristige Wende zum Besseren werde „verdammt schwer“.

Der Olympiasieger von 1992 gab zu, dass es Krisensitzungen gebe. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel habe sich vorerst telefonisch informieren lassen. Man müsse nun individuell mit den Athleten arbeiten, sagte Vettori. Sei es beim Material, durch Training oder durch Gespräche. „Es ist das gleiche Team wie (bei der WM, Anm.) in Lahti, wo wir erfolgreich waren.“

Kuttins Landsleute auf dem Trainerturm erfreuen sich indes starker Leistungen ihrer Athleten. Stefan Horngachers Polen (1.,3.), Werner Schusters Deutsche (2., 7., 8., 10.) und Alexander Stöckls Norweger (5., 6.) finden sich in der Tourneewertung mehrfach in den Top Ten. Schuster wollte auf die Situation der Österreicher nicht näher eingehen. „So ist das Trainergeschäft, mal ist man oben, mal unten. Ich bin froh, dass es für mein Team gut läuft“, sagte der Kleinwalsertaler.

Kraft stärkte seinem Betreuerteam jedenfalls den Rücken. „Unser Team ist gut aufgestellt, wir haben alles beisammen. Es fehlt etwas die Lockerheit, dass uns der Knopf aufgeht“, stellte der „Überflieger“ des vergangenen Winters fest. „Ein paar gute Sprünge und dann geht es wieder in die andere Richtung. Darauf hoffen wir jetzt.“

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