Marathon: Kipchoge will in Wien mit 1:59-Lauf Geschichte schreiben

Die Sportwelt blickt am Wochenende gespannt nach Wien. Weltrekordhalter Eliud Kipchoge will Samstagfrüh auf einem völlig flachen Pendelkurs im Prater Historisches schaffen und die Zweistunden-Schallmauer im Marathon knacken. Unterstützt von einer Armada an hochkarätigen Tempomachern möchte der Kenianer quasi unter Laborbedingungen den 2017 in Monza in 2:00:25 noch knapp verpassten Coup nachholen.

Dafür muss der Olympiasieger die 42,195 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 2:51 Min./km bzw. über 21 km/h bewältigen. Dass er in ähnlichen Sphären laufen kann, hat Kipchoge zuletzt im April beim London-Marathon mit neuem Streckenrekord von 2:02:37 bewiesen. Seinen Weltrekord von 2:01:39 stellte er im September 2018 in Berlin auf. Wie schon beim ersten Sub-2-Projekt vor zweieinhalb Jahren würde eine neue Bestmarke aber nicht als offizieller Weltrekord gelten, weil es sich um kein klassisches Rennen handelt und seine 40 Pacemaker regelwidrig aus- und wieder einsteigen.

Der Weltrekord war bei der 1:59-Challenge aber ohnehin nie ein Thema, es geht Kipchoge gemäß dem Motto „No human is limited“ vielmehr um das Ausloten des Menschenmöglichen unter Idealbedingungen. „Er wird es schaffen, davon bin ich überzeugt. Das wär wirklich Sportgeschichte, das wäre ein Meilenstein“, meinte Peter Herzog, der unlängst in Berlin mit 2:10:57 nahe an den österreichischen Rekord herangekommen war. Kipchoges Zeiten seien für ihn aber „ungreifbar, der Unterschied sind Welten.“

Auch die anderen Teilnehmer an einer Pressekonferenz am Montag im Wiener Rathaus sparten nicht mit Superlativen. „Sporthistorisch, Weltereignis und Schallmauer“, fielen VCM-Chef Wolfgang Konrad und Sportstadtrat Peter Hacker ein. Das Vienna-City-Marathon-Team um Organisationschef Gerhard Wehr hat in dreieinhalbmonatiger Vorbereitung versucht, ideale Verhältnisse für Kipchoge herzustellen. „Wir haben viele Dinge umgesetzt, die es normalerweise bei Marathons in dieser Dimension nicht gibt. Es ging um das Schaffen von Laborbedingungen, dass wir die Rahmenbedingungen so perfekt wie möglich gestalten“, erklärte Wehr.

Dafür wurde beispielsweise in Teilen der Prater Hauptallee bereits vor Wochen neuer Asphalt aufgelegt. Beim Wendepunkt der Strecke am Lusthaus wurde zudem eine Art Steilkurve aufgebaut, mit der man wertvolle Sekunden gewinnen will. Am anderen Ende des Pendelkurses am Verkehrsknotenpunkt Praterstern gab es ohnehin einen weitläufige Umkehr. Gestartet wird auf der Reichsbrücke, von dort aus geht es rund einen Kilometer bis zum Prater, wo die schnurgerade 9,6-km-Hauptstrecke wartet.

Die Rahmenbedingungen stimmen also, jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen und Kipchoge auch „liefern“. Der 34-Jährige traf am Montagabend in Wien ein, sein Rekordversuch ist für Samstagfrüh geplant. Mögliche Ausweichtermine aufgrund ungünstiger Witterung wie zu viel Wind oder gar Regen sind Sonntag und Montag. Nötigenfalls könnte man sogar bis 20. Oktober warten, das ist aber unwahrscheinlich. Derzeit geht man von Plan A am Samstag aus. Die endgültige Festlegung erfolgt am Mittwoch, die genaue Startzeit im Zeitfenster zwischen 5 und 9 Uhr wird erst am Freitag fixiert.

Der Rekordversuch ist nicht nur wegen des flexiblen Zeitrahmens keine normaler Marathon. Das vom britischen Chemiekonzern Ineos unterstützte Projekt mit einer Vielzahl an Experten und Mitarbeitern hat in monatelanger Planung jedes noch so kleine Detail optimiert und nichts dem Zufall überlassen. So wurde viel Geld und Hirnschmalz in Streckenwahl- und Beschaffenheit, Wetterkunde mit fünf Messstationen an der Strecke, minutiöse Ablaufplanung und die Trainingsgestaltung investiert.

Auf Wien als Austragungsort fiel die Wahl nach der Absage von London wegen der idealen Strecke im Prater und der üblicherweise idealen Witterungsbedingungen Mitte Oktober. Und schließlich fand man in den Wien-Marathon-Veranstaltern einen kompetenten Partner. Das weltweite Aufsehen um den Rekordversuch, 30 Fernsehstationen wie der ORF berichten live, soll der Stadt auch nachhaltig etwas bringen. „Unter zwei Stunden, das ist eine Schallmauer, die gebrochen wird. Das wird auch für Wien als Laufstadt ein riesiger Impuls sein“, betonte Konrad, der Vergleiche mit dem Mount-Everest-Erstbesteigung und dem Wiener Neujahrskonzert zog. „Wenn das für die Stadt keinen Vorteil bringt, dann weiß ich nicht. Wir sind stolz, was uns da gelungen ist. Das ist ein Ritterschlag, eine tolle Geschichte“. Stadtrat Hacker sprach von einem „Weltereignis“ und hofft auf positive Tourismus-Effekte.

Autofahrer, die Samstagfrüh in der Nähe des Pratersterns unterwegs sind, müssen indes mit Behinderungen rechnen. Kurzfristig ist die Maßnahme nur im Startbereich. Dabei wird die Strecke von der Reichsbrücke bis zum Prater stadteinwärts nicht passierbar sein. Am Praterstern gibt es hingegen während der gesamten Veranstaltung Einschränkungen. Für die Autofahrer reduziert sich dort die Anzahl der Fahrstreifen damit von drei auf einen. Im Rathaus empfiehlt man dringend, großräumig auszuweichen.

(APA)

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