Gall und Pinkelnig sind Österreichs Sportler des Jahres 2023

Felix Gall und Eva Pinkelnig wurden am Donnerstag bei der Sorthilfe-Gala als Österreichs Sportler des Jahres 2023 ausgezeichnet.

Seine herausragenden Leistungen beim Weltsport-Ereignis Tour de France haben Felix Gall nach großem Aufsehen und vielen Lobeshymnen auch den Titel als Sportler des Jahres eingebracht. Anders als der vor 18 Jahren für seinen mit Mitte 30 errungenen Etappenerfolg ausgezeichnete Georg Totschnig steht Gall erst am Anfang seiner Landesrundfahrten-Karriere. Nach dem famosen Tour-Debüt sind die Erwartungen an den 25-jährigen Osttiroler für 2024 und darüber hinaus besonders hoch.

Denn Gall gewann im Juli sensationellerweise nicht nur die Königsetappe der Tour, sondern schlug sich als Achter des Gesamtklassements und Zweiter der Bergwertung über die gesamten drei Wochen formidabel. Dabei trotzte der Bergspezialist nicht nur den enormen körperlichen Anforderungen der „Großen Schleife“, er hielt auch dem mentalen Druck samt Stotterstart, zwischenzeitlichen Rückschlägen und teaminternen Debatten stand. Das alles erfolgreich unter einen Hut zu bringen, hätte dem passionierten Golfer aus Nußdorf-Debant trotz starker Vorleistungen niemand zugetraut. Auch Gall selbst nicht, dementsprechend kommentierte er das Geleistete mit einer gewissen Ungläubigkeit.

Die Gefahr, dass ihm der Erfolg zu Kopf steigen könnte, ist gering. Der besonnene und heimatverbundene Aufsteiger reflektiert das Erreichte stets bescheiden. „Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Zukunft. Die Schlüsse daraus müssen wir in Ruhe besprechen, das wird ein längerer Prozess werden“, erläutert er, noch ohne konkrete Ziele für die kommende Saison zu nennen. Der in Jugendjahren als Triathlet aktive HAK-Absolvent schreibt seinen heurigen Leistungssprung hauptsächlich der ohne Krankheiten ideal verlaufenen Saisonvorbereitung zu. Ideal auf die Form ausgewirkt habe sich auch ein Höhentrainingslager in Spanien.

Um es aber tatsächlich irgendwann über drei Wochen mit den Topstars aufnehmen zu können, muss er sich nicht nur seinen Trainingseifer bewahren, er wird auch hart an vorhandenen Schwachstellen arbeiten müssen. Eine davon ist das Zeitfahren, auch an der Schnellkraft für Sprints gilt es noch zu feilen. Die Pläne dafür gestaltet sein irischer Coach Stephen Barrett. Als Trainingspartner in Osttirol fungiert unter anderem Mountainbiker Alban Lakata. Einer seiner Ratgeber seit Jugendtagen ist Ex-Radprofi Bernhard Eisel.

Dass Gall auch abseits des Rades noch dazulernen kann, wurde ihm in der sommerlichen Rennpause vor Augen geführt. Neben der Tour hätten ihn die plötzlich zu leistende Öffentlichkeitsarbeit sehr erschöpft, wie er kürzlich zugab. Künftig werde er sich nach mehrwöchigen Belastungen eine echte Auszeit gönnen, sagte Gall.

Als eine Hypothek im Streben nach noch höheren Tour-Weihen könnte sich zumindest mittelfristig sein Team AG2R-Citroën erweisen, für das er noch mindestens bis 2025 fahren wird. Die Mannschaft ist im Vergleich zu den deutlich finanzkräftigeren Toprennställen nicht hochkarätig genug aufgestellt, um über weite Strecken der Tour das Tempo und die Taktik zu bestimmen. Gall hat seinen Vertrag bei den Franzosen im Frühsommer vorzeitig verlängert, bevor als Empfehlung für einen möglichen Transfer mit dem ersten Profi-Erfolg bei der Tour de Suisse und den Heldentaten in Frankreich der große Durchbruch gelang.

Zur erweiterten Weltspitze gehörte der 2015 mit dem Junioren-WM-Titel erstmals besonders aufgefallene Osttiroler auch schon davor, wie Topergebnisse bei einwöchigen Rundfahrten 2022 und im heurigen Frühjahr belegen. Letztere veranlassten sein Team, Gall kurzfristig aus dem Aufgebot für den Giro d’Italia zu nehmen und ihn stattdessen zur Tour zu schicken. Was darauf folgte, ist mittlerweile rot-weiß-rote Sportgeschichte.

Spätstarterin Pinkelnig nun auch Sportlerin des Jahres

Die mittlerweile 35-jährige Vorarlbergerin, die als erste Skispringerin überhaupt zu Österreichs „Sportlerin des Jahres“ ausgezeichnet wurde, hat einen besonderen Leidensweg hinter sich. Nach mehreren schweren Verletzungen wurde sie abgeschrieben, selbst Betreuer rieten ihr ab, weiterzumachen. In der vergangenen Saison holte sie den Gesamt-Weltcupsieg – nun hält sie den „NIKI“ in Händen.

„2012, im Alter von 24 Jahren, habe ich die Chance erhalten, meinen Kindheitstraum zu verwirklichen, und 100 m weit zu springen. Was eigentlich mein Hobby sein sollte, wurde sehr bald mein Job“, erinnert sich Pinkelnig auf ihrer Website. Die Spätstarterin überstand seit ihrem späten Skisprung-Einstieg mehrere heftige Stürze samt schwerwiegenden Folgen, meisterte diese Krisen aber mit sprichwörtlichem Kampfgeist und Stehauf-Qualitäten.

Die gelernte Freizeitpädagogin fällt nicht nur mit ihren Leistungen, sondern auch als wahres Energiebündel und Frohnatur mit markigen Sprüchen auf. „Am Balken sitzen, grinsen, weit springen, laut jubeln“ ist ihr Motto. Grund zur Freude hatte die gebürtige Dornbirnerin im vergangenen Winter nach einem erfolgreichen Neustart im Sommer mit sechs Siegen und 17 Podestplätzen reichlich.

Geprägt und stärker gemacht haben Pinkelnig aber besonders harte Zeiten. Viel Kraft schöpft sie aus ihrem Glauben, der ihr stets viel Halt gegeben habe, wie die mit ihrem Freund Philipp in Hard lebende Heeressportlerin stets betont. Mutige Entscheidungen und stets auf das eigene Herz zu hören, bezeichnet sie als beständige Leitlinien ihres Lebens.

In ihrer Kindheit und Jugend hat sie viele Sportarten ausprobiert, zum Springen fand sie jedoch erst mit 24 Jahren. „Ich hatte schon als Kind den Traum, 100 Meter auf Ski zu springen. Es hat dann lange gedauert, bis ich die Chance gekriegt habe. Und was sich danach entwickelt hat, das ist schon crazy“, so Pinkelnig rückblickend.

Auf dem Weg in den Weltcup belehrte die Spätberufene nicht wenige Skeptiker eines Besseren. Schließlich hatte sie auch nicht den üblichen Ausbildungsweg im ÖSV absolviert. Erst 2014 gab Pinkelnig, vom damaligen ÖSV-Frauentrainer Andreas Felder gefördert, im Alter von 26 ihr Weltcupdebüt. Zwei Jahre später fand ihre Laufbahn beinahe ein frühes Ende. Zwei schwere Stürze hinterließen ein Schädel-Hirn-Trauma und bleibende neurologische Probleme sowie Erinnerungslücken. Den zum Teil bis heute nachwirkenden Folgen muss sie täglich mit speziellen Übungen entgegenwirken.

Damaligen ärztlichen Ratschlägen zum Trotz kämpfte sie sich zurück und durfte nach zwei Team-WM-Medaillen 2019 in Seefeld in der Saison darauf über ihre ersten drei Weltcupsiege jubeln. Einige Monate später folgte aber schon der nächste schwere Sturz mit dramatischen Folgen. Sie erlitt im Dezember 2020 in Seefeld einen Milzriss, verlor sehr viel Blut und musste notoperiert werden. Aber auch davon ließ sich die Kämpfernatur nicht stoppen und fand wieder den Anschluss an die Weltspitze.

Die WM 2021 in Oberstdorf kam für sie noch zu früh, auch bei Olympia lief es für die Athletin des WSV Tschagguns überhaupt nicht nach Wunsch. Den darauf folgenden mentalen Knacks nutzte sie für einen Neustart. Dabei setzte sie eigenen Angaben nach viele ihrer Vorstellungen durch und hörte mehr denn je auf ihr Bauchgefühl. Sie habe auch daran gearbeitet, wieder mehr Freude an ihrem Tun zu haben und einfache Dinge zu genießen, so Pinkelnig.

Dieser neue Zugang und das Drehen an verschiedensten Stellschrauben wie verändertem Athletiktraining, Betreuung und Material zeigten nachhaltigen Erfolg. „Dass ich gesund da oben sitze, das ist sehr vielen Menschen zu verdanken. Es ist auch ein kleines Wunder dabei, denn mit dem Milzriss, das hätte auch ganz anders ausgehen können. Ich bin einfach unglaublich dankbar, dass ich die Glücksmomente erleben darf“, sagte Pinkelnig vor der WM 2023, die sie mit Normalschanzen- und Team-Silber beendete.

Inzwischen hat sie neue Träume und Ziele: „Jetzt hat sich mein Kindheitstraum auf über 200 m zu fliegen gewandelt – und mit derzeit 191 m bin ich schon recht knapp dran.“ Und mit den Olympischen Spielen 2026 in Mailand und Cortina will sie ihre Karriere beenden. „Eine Karriere, die so viel größer geworden ist, als alles, was ich mir je erträumt habe“, meinte Pinkelnig kürzlich im „Kurier“-Interview.

(APA)

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