Die neue Austria: Das System von Thomas Letsch in der Taktikanalyse

Zwei Spiele absolvierte der FK Austria Wien unter Neo-Trainer Thomas Letsch. Beide Partien wurden gewonnen. Mit dem Wolfsberger AC (2:0) und dem SKN St. Pölten (4:0) waren die Aufgaben zwar nicht besonders schwierig, doch der Fink-Nachfolger stellte bereits einiges um und gab der Austria eine neue Spielanlage.

Intensitätssteigerung gegen den WAC

Schon gegen den Wolfsberger AC gab es viele Veränderungen zu sehen. Das ist durchaus beachtlich, denn Thomas Letsch leitete seine erste Trainingseinheit erst am Dienstag vor dem Samstagsspiel gegen die Kärntner. Dass die Strategie von Letsch stark von jener von Fink abweichen wird und sich eher an der Spielphilosophie von Red Bull orientiert, ahnten viele bereits. Vor allem eine höhere Intensität wollte der neue Trainer sehen. Dies konnten die Spieler auch wie gewünscht umsetzen. Die wenigen Aufbauszenen der Kärntner wurden druckvoll angepresst. Überraschend stark war auch das Gegenpressing nach Ballverlust.

Die auffälligste Umstellung war die veränderte Rolle von Raphael Holzhauser. Er kippte nicht mehr ab und ließ sich zwischen oder neben die Innenverteidiger fallen. Stattdessen spielte er als Achter und konnte dort in den engen Räumen zwischen Abwehr und Mittelfeld seine technische Klasse ausspielen. Letsch möchte auf dieser Position die finalen Pässe von ihm sehen. Aufgebaut wird nun mit zwei Innenverteidigern, der Ball geht schneller in die Spitze und es gibt weniger Querpässe. Die Struktur in Ballbesitz ist enger, damit besser gegenpresst werden kann.

Formationswechsel gegen St. Pölten

Aufgrund der roten Karte von Tarkan Serbest musste Letsch vergangenes Wochenende das Mittelfeld umbauen und brachte David De Paula in die Startelf. Vom 4-1-4-1 wurde auf eine 4-4-2-Formation umgestellt. Damit sollte laut Letsch der Spielaufbau des SKN aggressiv von vier Spielern gepresst werden.

Doch Oliver Lederer analysierte die Partie gegen den WAC und war bereits gewarnt. Statt dem üblichen flachen Spielaufbau lautete das Motto für das Spiel im Ernst-Happel-Stadion eher „hoch und weit bringt Sicherheit“. Die St. Pöltner wollten sich auf das Offensivpressing gar nicht einlassen und fokussierten lange Bälle in den Zehnerraum.

In der ersten Halbzeit konnte St. Pölten nur wenige dieser Bälle sichern. Die Austria war spielbestimmend und zog ihr neues, direktes Ballbesitzspiel auf. Die Struktur in Ballbesitz war dabei über weite Strecken ein 4-2-2-2, wie man es beispielsweise aus den Salzburger Zeiten von Roger Schmidt kennt. Der Zwischenlinienraum wird nun mehr gesucht als in den Zeiten mit Fink. Prokop agierte wie ein Zehner, Pires wechselte zwischen Positionierungen im Zentrum und auf dem Flügel. Beide wurden sehr häufig mit Vertikalpässen aus der Innenverteidigung gesucht. Die Außenverteidiger rückten sehr weit auf, das Ballbesitzspiel war dadurch riskant und offensiv ausgelegt.

Die vielen Querpässe aus der Ära Fink sind vorbei, stattdessen wird direkter mit Vertikalpässen aufgebaut. Pires wird hier im Halbraum von Ruan angespielt.
Die 4-2-2-2-Struktur der Austria. Pires und Prokop positionieren sich sehr zentral, dafür rücken am Flügel die Außenverteidiger weit auf.

Mit einer 2:0-Führung ging es in die zweite Spielhälfte. Dort zeigten sich auch Nachteile des neuen Systems. Trotz Führung konnte das Spiel nicht ausreichend kontrolliert werden. Durch das vertikale Aufbauspiel gab es viele Ballverluste, die Intensität war aber nicht mehr so hoch wie gegen den WAC und es gab weniger direkte Rückeroberungen des Balles.

Friesenbichler verliert in Strafraumnähe den Ball. Sofort setzt er nach und sprintet nach hinten. Zwei St. Pöltner werden von vier Austrianern umzingelt, das Gegenpressing funktioniert. Unter Thorsten Fink waren Szenen wie diese selten.

Anpassungen von Letsch

Allerdings reagierte Thomas Letsch auch passend auf die starke Phase des SKN. Das Zentrum musste gestärkt werden, da das Team von Oliver Leder hier Überzahl hatte und die Defensivleistung von Holzhauser stark nachließ. Daher stellte Letsch auf ein 4-2-3-1 um. Mit dieser Umstellung konnte die Austria wieder an Kontrolle gewinnen. Doch es blieb nicht nur bei diesem einen Formationswechsel. Denn Thomas Letsch wollte das Zentrum noch weiter stärker. Dafür brachte er den jungen Bundesliga-Debütanten Vesel Demaku und stellte auf ein 4-3-1-2 um.

Das 4-2-3-1 ab der 60. Minute mit der Doppelsechs Holzhauser-De Paula und der Dreierreihe mit Venuto, Prokop und Friesenbichler davor.
Die Raute der Austria mit dem Doppelsturm Venuto-Monschein davor. Holzhauser ist in dieser Situation aufgrund eines von ihm ausgeführten Freistoßes kurz wieder zurückgefallen. Er spielte jedoch auch generell wieder etwas weiter hinten als noch gegen den WAC.

Fazit

Die ersten beiden Siege der Austria unter Letsch sollten nicht überbewertet werden. Dennoch zeigten diese Spiele bereits schön die Ideen des neuen Trainers auf: Vertikales Spiel, Zentrumsfokus, Offensiv- und Gegenpressing. Interessant auch, wie flexibel die Austria ist – in nur zwei Spielen wurde bereits vier Formationen gespielt. Die neue Marschroute ist vorgegeben, jetzt muss Thomas Letsch seine Prinzipien noch weiter verfeinern und im Training an den genauen Details arbeiten.

Eine Analyse von Alex Belinger

https://www.skysportaustria.at/bundesliga-at/naechster-austria-sieg-unter-letsch-40-gegen-st-poelten/