Djokovic und der besondere French-Open-Druck

Mit jedem Jahr, in dem es nicht klappt, wird der Druck von außen und auch von ihm selbst größer. Novak Djokovic ist der „Überflieger“ auch der bisherigen Saison, doch viel wird bei seiner Jahresbilanz 2016 wohl von den kommenden zwei Wochen abhängen. Der seit Sonntag 29-jährige Serbe ist auch bei seinen zwölften French Open auf der Jagd nach seinem ersten Titel in Roland Garros.

Der Coupe des Mousquetaires fehlt ihm noch in seiner Trophäensammlung und für seinen Karriere-Grand-Slam, dem Triumph bei allen vier Major-Turnieren. Mit 37:3-Siegen in diesem Jahr ist Djokovic nach Paris gekommen und er hat auch von den vergangenen sieben Grand-Slam-Turnieren gleich fünf gewonnen. Beim größten Sandplatz-Turnier der Welt hat Djokovic 2012, 2014 und 2015 jeweils nur ein Sieg im Finale gefehlt. Gerade im Vorjahr, als sein Finalgegner überraschend Stan Wawrinka hieß, hatten viele auf Djokovic getippt.

„Natürlich sind die Erwartungen nicht nur von meiner Seite groß, weil die Leute wissen, dass es der einzige Slam ist, den ich noch nicht gewonnen habe“, weiß Djokovic um die besondere Situation. Doch auch wenn er das Turnier im 30. Lebensjahr beginnt, glaubt der „Djoker“ nicht, dass ihm bereits die Zeit davonläuft. „Das Alter ist nur eine Nummer für mich. Ich denke, ich habe immer noch genügend Jahre vor mir, die mir die Möglichkeit geben, diesen Titel hier zu holen.“

Doch auch Djokovic ist bewusst, dass ihm derzeit noch das Schicksal blüht, einmal in einer Reihe mit Pete Sampras, Jimmy Connors, Stefan Edberg oder Boris Becker genannt zu werden. Sie alle hatten die French Open als einziges Major nicht gewonnen. Und als ob der Druck nicht schon groß genug wäre: Als regierender Australian-Open-Sieger könnte er seine letzte Chance haben, 2016 sogar den „Golden Slam“ zu holen. Also nicht nur alle vier Majors im gleichen Kalenderjahr zu gewinnen, sondern diesen Slam mit dem Olympiasieg in Rio de Janeiro auch noch zu vergolden.

Auch für einen klaren Weltranglisten-Leader ein sehr hoher Anspruch. Den er aber gar nicht in den Mund nimmt, denn die zwei Wochen in Paris sind schon schwierig genug. Wie zum Selbstschutz versucht er deshalb auch mit Demut auf seine bisherige Karriere zurückzublicken. „Auch wenn es nie passiert. Ich muss sehr bescheiden und schon jetzt zufrieden sein, mit dem, was ich alles erreicht habe. Selbst wenn meine Karriere morgen vorbei wäre, habe ich Dinge erreicht, auf die ich stolz sein muss.“

Der Favoritenkreis ist aber zumindest durch den 2016 wieder stärker gewordenen neunfachen Paris-Rekordchampion Rafael Nadal und Andy Murray (zuletzt Finalsieger über Djokovic in Rom) erweitert worden.

Schon mit dem Halbfinale kann Djokovic als erster Spieler eine ungeheure Preisgeld-Marke knacken: Er wäre der erste 100-Millionen-Dollar-Mann des Welttennis überhaupt.

Der große Abwesende bei der diesjährigen Auflage ist freilich Roger Federer, der in Roland Garros erstmals seit 1998 nicht spielt. Im Spaß hat der frühere US-Profi Mardy Fish deshalb die Absage des Turniers gefordert. Djokovic sah es etwas nüchterner: „Das ist definitiv ein Verlust für das Turnier. Daran sind wir nicht gewöhnt, dass Roger Grand Slams auslässt. Aber auch ohne ihn bin ich sicher, dass es ein aufregendes Turnier wird.“ So richtig aufregend wird es für ihn wohl, sollte es zum möglichen Halbfinal-Kracher gegen Nadal kommen.

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