5:2! Frankreich beendet das Isländer Fußballmärchen

St. Denis/Paris (APA) – Das französische Nationalteam scheint rechtzeitig für die entscheidende Phase der EM im eigenen Land in Schwung gekommen zu sein. Die Franzosen beendeten am Sonntag im Viertelfinale mit einer Machtdemonstration das isländische Fußball-Märchen. Das 5:2 (4:0) war der höchste Sieg im bisherigen Turnierverlauf. Im Halbfinale wartet am Donnerstag Weltmeister Deutschland auf den Gastgeber.

Frankreich machte im Stade de France in St. Denis bei Paris bereits vor der Pause alles klar. Die Tore für die „Bleus“ erzielten Olivier Giroud (12., 59.), Paul Pogba (20.), Dimitri Payet (43.) und Antoine Griezmann (45.). Den Isländern gelangen vor 76.833 Zuschauern durch Kolbeinn Sigthorsson (56.) und Birkir Bjarnason (84.) noch zwei Ehrentreffer. Bei Großereignissen im eigenen Land sind die Franzosen mittlerweile 17 Spiele ungeschlagen.

 

Frankreichs Teamchef Didier Deschamps musste sein Team wegen der Sperren von Mittelfeld-Abräumer N’Golo Kante und Innenverteidiger Adil Rami an zwei Positionen umbauen. Anstelle von Rami kam der 22-jährige Samuel Umtiti, der nach der EM von Olympique Lyon zum FC Barcelona wechselt, zu seinem Länderspiel-Debüt. Statt Kante spielte Moussa Sissoko. Er beackerte den rechten Flügel, Pogba rückte mit Blaise Matuidi ins Defensivzentrum.

 

Deschamps verabschiedete sich von seinem 4-3-3-System und griff wie schon in der zweiten Hälfte des Achtelfinales gegen Irland (2:1) erfolgreich auf ein 4-2-3-1 mit Giroud als Solospitze zurück. Die Isländer boten zwar als erstes Team der Geschichte auch im fünften Spiel einer EM die gleiche Startformation auf, wurden nach einem ambitionierten Start und ersten Halbchancen von Gylfi Sigurdsson (2.) und Birkir Bjarnason (10.) aber kalt erwischt.

 

Einen Idealpass von Matuidi verwertete Giroud zwischen die Beine von Islands Torhüter Hannes Halldorsson. Pogba sorgte bereits nach 18 Minuten per Kopf für die Vorentscheidung. Der Juventus-Turin-Star setzte sich nach einem Griezmann-Corner gegen Jon Dadi Bödvarsson durch. Die Isländer wurden vor der Pause nur noch durch einen ihrer gefürchteten Einwürfe gefährlich, den Bödvarsson nicht im Tor unterbrachte (25.).

Die Franzosen hatten das Spiel im Griff – und belohnten sich vor der Pause noch zweimal. Erst erzielte Payet nach Zuspiel von Griezmann mit links seinen dritten Turniertreffer, zwei Minuten später Griezmann selbst seinen vierten. Giroud hatte einen langen Ball von Pogba geschickt weitergeleitet, Griezmann war enteilt und schupfte den Ball gekonnt über Halldorsson ins Tor. Teamkollege Payet küsste dem Offensivstar von Atletico Madrid daraufhin sogar den Fuß. Mit vier Toren und zwei Assists führt Griezmann die EM-Schützenliste an.

 

Die Isländer, die nach Österreich in der Gruppenphase im Achtelfinale sensationell England aus dem Turnier geworfen hatten, zeigten Moral. Sigthorsson verwertete eine Flanke von Kapitän Sigurdsson ins kurze Eck. Drei Minuten später stellte Giroud nach einem langen Freistoß von Payet aber per Kopf den alten Abstand wieder her. Unmittelbar nach seinem dritten Turniertor nahm Deschamps den Arsenal-Stürmer vom Platz.

 

 

Island wurde noch mehrmals gefährlich. Einen Kopfball des eingewechselten Sverrir Ingason parierte Keeper Hugo Lloris bravourös (63.). Zwei Minuten später wurde ein Handspiel von Frankreich-Verteidiger Patrice Evra im eigenen Strafraum nicht geahndet. Als Lohn für die Bemühungen gab es für den EM-Debütanten einen weiteren Treffer. Birkir Bjarnason war nach Flanke von Ari Skulason per Kopf erfolgreich.

 

Frankreich musste dennoch erstmals bei diesem Turnier nicht bis in die Schlussphase um einen Erfolg zittern. Das Deschamps-Team ist nach acht Partien in diesem Jahr weiter ungeschlagen. Gegen Island haben die Franzosen in zwölf Aufeinandertreffen noch nie verloren.

Die bisher letzte Niederlage bei einem Turnier im eigenen Land hatte es im Spiel um Platz drei der EM 1960 gegen die Tschechoslowakei (0:2) gesetzt. Seither wurden die Franzosen zu Hause 1984 Europameister und 1998 Weltmeister. Ihre Erfolgsserie wollen sie am Donnerstag in Marseille gegen Deutschland fortsetzen.

Stimmen zum Spiel

Didier Deschamps (Frankreich-Teamchef):„Es gibt sehr viel Positives. Die Spieler haben es absolut verdient. Wir haben heute einen sehr emotionalen Abend. Ich bin sehr glücklich. Das Team hat sich gut präsentiert. Wir haben nicht immer dominiert, aber wir haben gemacht, was notwendig war. Wir können mit viel Selbstvertrauen in das nächste Spiel gehen. Deutschland ist ein starker Gegner. Aber wir sind jetzt unter den letzten vier. Sie werden alles geben, und wir werden alles geben.“

Olivier Giroud (Frankreich-Doppeltorschütze, „Spieler des Spiels“):„Wir sind unglaublich zufrieden, da war viel Qualität. Aber wir wollen uns noch weiter steigern und diese kleinen Defensivfehler ausmerzen. Gegen Deutschland würden wir dafür schwer bezahlen. Wir haben von Beginn an gezeigt, was wir können. Wir waren von Anfang an sehr konzentriert und haben gut gekämpft, damit haben wir zu Beginn des Turniers ein bisschen gekämpft. Wir gehen jetzt mit viel Selbstbewusstsein ins Spiel gegen Deutschland, aber sie sind die Weltmeister.“

Samuel Umtiti (Frankreich-Teamdebütant):„Wir sind sehr gut gestartet, das hat uns bei der EM bisher gefehlt. In der zweiten Hälfte haben wir das Spiel verwaltet. Wir hätten es besser machen können, um die beiden Gegentore zu vermeiden. Es war ein guter Abend. Ich habe versucht, das Beste zu geben. Der Trainer verlangte von mir, einfach zu spielen. Das habe ich gemacht. Es gibt Dinge zu verbessern. Jeder will gegen Deutschland spielen. Wir müssen ins Finale kommen. Und wir werden alles dafür tun, um dorthin zu kommen.“

Kolbeinn Sigthorsson (Island-Torschütze):„Es ist wirklich schade. Wir sind stolz auf das, was wir geleistet haben. Wir sind stolz auf unsere Fans, die uns so wahnsinnig angefeuert haben. Wir haben das gezeigt, was wir konnten. Aber die Franzosen waren wirklich besser. Wir haben, denke ich, gegen den zukünftigen Europameister gespielt. Vielleicht hätten wir in der Verteidigung noch etwas mehr leisten können. Wir waren noch etwas müde aus den letzten Spielen, aber wir haben in der zweiten Hälfte Charakter bewiesen und sind zurückgekommen.“

Aron Gunnarsson (Island-Kapitän):„Wir sind froh, dass wir unseren Fans noch diese Vorstellung bieten konnten. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Es war schwierig. Wir haben so hart gearbeitet, um hierherzukommen. Die Fans singen immer noch, es ist unglaublich. Ich finde gar keine Worte dafür. Ich möchte mich bei allen bedanken. Es zeigt, was wir hineingesteckt haben. Wir haben in der ersten Hälfte nicht das geleistet, was wir wollten. In der zweiten Hälfte ist es etwas besser gegangen.“

 

Lars Lagerbäck (Island-Teamchef):„Ich möchte Frankreich gratulieren. Das ist ein fantastisches Team, auch wenn wir ihnen in der ersten Hälfte etwas geholfen haben. Es war ein fantastisches Turnier für uns. Ich habe eine großartige Zeit in Island gehabt. Ich spüre es tief in meinem Herzen. Dieses Turnier war etwas sehr, sehr Spezielles. Es ist ein Privileg, ein Teil dieser Reise gewesen zu sein. Außer vielleicht in den ersten 45 Minuten dieses Spiels habe ich jede Minute genossen.“

Gylfi Sigurdsson (Island-Spielmacher):„Wir sind natürlich enttäuscht, aber auch stolz. Es war ein großartiges Turnier für uns. Wir haben mehr erreicht, als jeder von uns erwartet hat. Ich hoffe, dass in der Zukunft noch mehr möglich ist. Wir haben 10 bis 15 Spieler, die wirklich in einem guten Alter sind. Wir freuen uns, wenn die WM-Qualifikation beginnt. Hoffentlich hat Island eine rosige Zukunft vor sich.“

Antoine Griezmann (Frankreich-Torschütze):„Wir wollten einen starken Start in das Spiel hinlegen. In der Position, in der ich gespielt habe, kann ich ein bisschen machen, was ich will. Das ist einfacher. Ein Semifinale zu Hause, vor all diesen Fans, da muss man alles geben, egal wie wir spielen.“

 

BILDER ZUM SPIEL

SPIELSCHEMA

Fußball-EM 2016, Viertelfinale: Frankreich – Island 5:2 (4:0). St. Denis, Stade de France, 76.833 Zuschauer, SR Kuipers (NED)

Tore: 1:0 (12.) Giroud
      2:0 (20.) Pogba
      3:0 (43.) Payet
      4:0 (45.) Griezmann
      4:1 (56.) Sigthorsson
      5:1 (59.) Giroud
      5:2 (84.) B. Bjarnason

Frankreich: Lloris – Sagna, Umtiti, Koscielny (72. Mangala), Evra – Pogba, Matuidi – Sissoko, Griezman, Payet (80. Coman) – Giroud (60. Gignac)

Island: Halldorsson – Saevarsson, Arnason (46. Ingason), R. Sigurdsson, Skulason – Gudmundsson, Gunnarsson, G. Sigurdsson, B. Bjarnason – Bödvarsson (46. Finnbogason), Sigthorsson (83. Gudjohnsen)

Gelbe Karten: Umtiti bzw. B. Bjarnason

Die Besten: Griezmann, Giroud, Matuidi, Umtiti bzw. G. Sigurdsson, B. Bjarnason

Bilder: GEPA/Getty Images