Freiburg-Trainer Streich kritisiert „Brutalo-Kapitalismus“

Christian Streich sieht die Entwicklung des Fußballs sehr kritisch. Dem Trainer des SC Freiburg stoßen vor allem die immer horrenderen Ablösesummen sauer auf.

Für den SC Freiburg ist es die wahrscheinlich schwerste Transferperiode aller Zeiten. Nach den Abgängen von Maximilian Philipp und Vincenzo Grifo ist es besonders in diesem Sommer eine fast unmögliche Aufgabe, den Kader perfekt und gezielt zu verstärken.

Mehrfach war man kurz vor einem Transferabschluss, bis die Deals dann kurzfristig geplatzt sind. So zum Beispiel bei dem türkischen Supertalent Cengiz Ünder. Der Spieler wollte unbedingt zum SC, man war bereits kurz vor der Unterschrift, aber sein bisheriger Verein Basaksehir witterte bei einem Transfer zum AS Rom das große Geld.

Deshalb ließen die Türken den Deal mit den Breisgauern platzen und transferierten den 20-jährigen Hochveranlagten für 13 Millionen plus Bonuszahlungen in die ewige Stadt. Freiburg war mal wieder der Gelackmeierte. Im Exklusiv-Interview mit Sky Sport im Trainingslager in Schruns spricht Trainer Christian Streich Klartext.

Sorgen um Wettbewerbsfähigkeit

„Es hat ein Tempo angenommen, das ist atemberaubend. Die Spirale dreht immer schneller, deshalb haben wir auch Angst, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Das macht einem Sorgen. Irgendwann denkst du, wie sollen wir es hinkriegen. Selbst wenn wir die Kräfte bündeln“, so der SC-Coach.

Auch zum Fall Cengiz Ünder findet der Trainer deutliche Worte: „Das ist ein Beispiel dafür, dass die Spieler das zu machen haben, was vorgegeben wird. Mit mehr oder weniger Druck. Das ist über der Grenze. Wenn solche Summen kursieren, ist es klar, wozu es führt. Es ist ein Brutalo-Kapitalismus, der scheinbar gewollt wird“, sagt Streich.

Schon oft wurde in solchen Zusammenhängen der Vorwurf des Menschenhandels im Fußball erhoben. Der 52-Jährige sagt: „In der neuen deutschen Sprache heißt es Investitionsmodelle. Das ist immer so, dass schöne und harmlose Worte für etwas gesucht werden. Das wird schon seit Cicero so gemacht. Das ist schön, wie es umschrieben wird. Ich will das Wort nicht in den Mund nehmen, das sie sagen – ich nenne es Investitionsmodelle.“

Kein unkalkulierbares Risiko eingehen

Freiburg hat es seit fast schon Jahrzehnten geschafft, im Konzert der Großen mitzuhalten, weil man gerade im Junioren-Fußball und in der Kreativität der Transfers smarter war als andere Klubs. „Allerdings haben wir Rahmenbedingungen, die wir nicht verlassen dürfen, sonst gehen wir ein unkalkulierbares Risiko ein. Das geht nicht. Alleine aus der Tradition heraus bei uns“, sagt Streich.

Die Stimmung im Trainingslager ist deshalb auch mehr als angeknackst. „Jahr für Jahr denken wir, wie können wir es irgendwie hinkriegen. Aber du musst aufpassen, nicht rausgehauen zu werden.“ Und weiter: „Es ist nicht gut, wenn ein paar große Vereine alles haben und die Kleinen am Tropf hängen.“

Transfermarkt nagt an Streich

Christian Streich merkt man in diesen Tagen an, wie sehr er mit dem derzeitigen Transfer-Wahnsinn hadert. Seine Laune ist im Keller, als emotionaler Mensch trägt er in seiner bekannt authentischen Art das Herz im Interview mit Sky Sport News HD auf der Zunge. Die Schwierigkeiten auf dem Transfermarkt würden an ihm knabbern.

„Manche Spieler hättest du einfach gerne. Jungs, die man gemeinsam weiterentwickeln kann. Mehr wollen wir gar nicht.“

Der Sportvorstand des SC, Jochen Saier, unterstreicht dies im Exklusiv-Interview mit Sky Sport News HD, fügt aber auch hinzu: „Der SC ist dafür bekannt, immer einen Weg gefunden zu haben. Auch dieses Mal werden wir das schaffen. Wir haben kreative und gute Ideen.“

von Marc Behrenbeck / Sky Sport News HD