Handball-WM: Ausfälle waren für limitierten ÖHB-Kader zu viel

Der Kontrast ist ein großer: Vor einem Jahr jubelten Österreichs Handball-Männer am Ende der Heim-EM über den historischen achten Platz, bei der laufenden WM in Ägypten geht es ab Mittwoch nach missglückter Vorrunde in den ungeliebten President’s Cup um die Plätze 25 bis 32. Mit dem „Corona-Tausch“ USA gegen Schweiz stand die WM von Beginn an unter keinem guten Stern, die Absenz eines Stammtrios um Nikola Bilyk konnte eine vergleichsweise unerfahrene Truppe nicht auffangen.

Nach den klaren Niederlagen gegen Deutschland in der EM-Quali kurz vor WM-Beginn war klar, dass die großen Glücksgefühle diesmal ausbleiben würden. Zum „Sargnagel“ wurde schließlich der Ausfall des krassen Außenseiters USA. Das Auftaktduell gegen Einspringer Schweiz ging in die Hose, das eigentliche Minimalziel Hauptrunde war mit den weiteren Gegnern Frankreich und Norwegen de facto nicht mehr zu erreichen. Das Schicksal hätte Österreich „bitter erwischt“, resümierte ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser, der aber nicht nach Ausreden suchen wollte. „Bei der EM haben wir dafür eine gute Vorrundengruppe erwischt, und auch gegen die Schweiz hätten wir unsere Chancen gehabt.“

Ein Blick auf die Einsatzstatistik zeigte schon vor Turnierbeginn, dass das Unterfangen schwierig werden würde. Mit durchschnittlich 42 Länderspielen verfügte der Kader im Vergleich mit den jüngsten fünf Endrunden seit 2014 über die mit Abstand wenigste Erfahrung. Im Vorjahr waren es etwa noch 61 gewesen, 2019 (WM) 60, bei der EM 2014 sogar 85, ein Jahr später immer noch 75.

Auch der Umstand, dass das fehlende Trio Bilyk, Rückraum-„Bomber“ Janko Bozovic und Kreis Fabian Posch bei der 2020er-EM 101 von insgesamt 205 österreichischen Toren erzielten, war ein Fingerzeig. Bei der WM standen dann – auch in wichtigen Spielphasen – immer wieder bis zu fünf, sechs HLA-Akteure mit wenig Länderspielen auf dem Feld, ein klarer Unterschied zur jüngeren Vergangenheit. „Da sieht man schon, dass das Niveau international natürlich noch einmal höher ist als in der heimischen Liga“, meinte dazu Fölser. „Ausfälle von drei bis vier Stammspielern können wir nicht kompensieren. Das ist aber auch völlig normal.“

Während Österreich auf den Flügelpositionen gut bestückt ist und im rechten Rückraum mit dem 20-Jährigen Lukas Hutecek, der auch in die Spielmacher-Rolle wachsen könnte, einen vielversprechenden Mann hat, sah Fölser aktuell vor allem auf den Positionen Mitte, Halbrechts, Kreis und Tor Aufholbedarf. Die Problematik eines zu wenig eingespielten Mittelblocks in der Defensive gesellt sich hinzu.

Für Fölser ist daher die Breite „das große Thema“. Der vorhandene Spieler-Pool sei kleiner als bei Topnationen und müsse besser genutzt werden. Die Akteure seien auch auf individueller Ebene gefordert. „Der internationale Handball verlangt nach physisch starken Spielern, die sowohl vorne als auch in der Abwehr eingesetzt werden können“, betonte der langjährige Deutschland-Legionär.

Kurzfristig setzt man auf die Rückkehr der aktuell verletzten Topakteure, mittelfristig auf gestiegene Erfahrung: durch Spiele wie im President’s Cup, aber auch wieder mehr Top-Legionäre. „Das Allerwichtigste ist das Bekenntnis zum Spitzensport und der Wille und Charakter, dafür auch vieles unterzuordnen“, betonte Fölser. „Diese Spieler müssen wir frühzeitig scouten und sie dann schon im jungen Alter Stück für Stück an die internationalen Anforderungen heranführen bzw. begleiten.“

Damit das funktioniert, sei freilich ein „Schulterschluss mit den (heimischen, Anm.) Vereinen, wo die Spieler auch tagtäglich trainieren“ nötig, merkte Fölser an. Wegen divergierender Interessen erfordere das „einen intensiven, kontinuierlichen Prozess“, betonte wiederum ÖHB-Generalsekretär Bernd Rabenseifner. „Nicht das ergebnisorientierte Training sollte das oberste Ziel im Nachwuchshandball sein, sondern das Endresultat eines kompletten Spielers. Ich sehe uns gefordert, dass wir mit den Vereinen und Leistungsmodellen noch enger zusammenarbeiten.“ Teil der Idee sei, dass Männer-Teamchef Ales Pajovic „die Akademien landauf, landab regelmäßig besucht, um so den Kontakt auch auf sportlicher Ebene zu intensivieren“, sagte Rabenseifner. „Wegen Corona musste das bisher warten.“

(APA)

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