Italien nach Elfmeter-Krimi gegen Spanien im EM-Finale

Das unbezwingbare Italien hat in einer magischen Nacht den nächsten Giganten gestürzt und träumt vom finalen Triumph. Der viermalige Weltmeister stoppte die spanische Passmaschine beim 4:2 im Elfmeterschießen von Wembley mit feuriger Leidenschaft und Glück zur rechten Zeit. Die Squadra Azzurra kann am Sonntag ihren zweiten EM-Titel nach 1968 feiern: Finalhürde für die nun 33 Spiele in Serie ungeschlagenen Italiener ist dann an gleicher Stelle England oder Dänemark. 

Italien lieferte dem technisch überlegenen, aber zu inkonsequenten Gegner im ersten Halbfinale einen großen Kampf. Nur mit Mühe hielt die Abwehr vor 58.000 Zuschauern halbwegs stand – im Roulette vom Punkt schickte Jorginho dann das gesamte Land in Ekstase. Dani Olmo und Alvaro Morata hatten für Spanien verschossen.

Federico Chiesa (60.) traf in der regulären Spielzeit für die Azzurri, Morata (80.) für die enttäuschten Spanier, die zum fünften Mal ins EM-Endspiel eingezogen wären.

Das Duell zweier aktiver und offensiver Ballbesitz-Mannschaften hielt, was es versprochen hatte. „Wir wollen den Ball, wir brauchen ihn!“, hatte Luis Enrique beschwörend gesagt. Er bekam ihn, doch seine Spieler trugen ihn lange einfach nicht ins Tor.

Morata zu Beginn nur auf der Bank

Spaniens Trainer überraschte, indem er Morata erstmals aus der Startelf nahm, es stürmte der glücklose Mikel Oyarzabal. Roberto Mancini hingegen ersetzte Linksverteidiger Leonardo Spinazzola, dem im Viertelfinale gegen Belgien (2:1) die Achillessehne gerissen war, durch Emerson. Der traf kurz vor der Pause das Lattenkreuz (45.).

Der gebürtige Brasilianer vom FC Chelsea war es auch, der die erste Großchance einleitete: Bei seinem Steilpass stand Nicolo Barella, der am Pfosten scheiterte, jedoch im Abseits. Spanien spannte sein weißes Pass-Netz über den Platz, spielte sich den Ball zu – Italien stürmte nach Ballgewinn schnörkellos nach vorne, fanatisch angetrieben von der Mehrzahl der Zuschauer.

Spanien spielte aber nicht das lähmende Tiki-Taka von einst, sondern suchte den Moment für den genialen Pass in die Spitze schnell. Oyarzabal versäumte es, in perfekter Mittelstürmerposition den Ball mit in den Lauf zu nehmen (13.), er hätte sonst allein vor Torhüter Gianluigi Donnarumma gestanden.

Emerson trifft die Latte

Die Spanier drückten in einem Spiel auf hohem technischen Niveau und erzwangen durch Koke, den agilen Pedri oder Sergio Busquets italienische Fehlpässe schon in der ersten Verteidigungslinie. Donnarumma musste gegen Dani Olmo (RB Leipzig) seine eigene Schwäche ausbügeln (25.).

Entlastung der Azzurri war dadurch seltener, blieb aber brandgefährlich: Als Unai Simon übermotiviert aus seinem Tor rannte, fand sich allerdings niemand für den Abschluss (20.), und Lorenzo Insigne lief mit dem Ball ins Aus (34.). Es folgte Emersons Lattentreffer.

Italien bekam jedoch erstmals im Turnier richtige Probleme, die extrem erfahrene Innenverteidigung Giorgio Chiellini/Leonardo Bonucci leistete Schwerstarbeit. Auch nach der Pause: Olmo, Busquets, Koke brachten die Azzurri innerhalb von Minuten in höchste Not. Chiesa zwang auf der Gegenseite Simon zu einer Parade (53.). Sieben Minuten später schlenzte der Stürmer von Juventus Turin den Ball unhaltbar von halblinks ins lange Eck.

Verlängerung vom Abwarten geprägt

Spaniens „Furia Roja“ reagierte wütend. Enrique warf nun doch Morata für Ferran Torres ins Spiel, später auch noch Gerard Moreno und Rodrigo. Oyarzabal verpasste eine perfekte Chipflanke Kokes um Haaresbreite (65.) – eigentlich ein sicheres Tor. Italien sah sich in den eigenen Strafraum gedrängt, wo sich die „Alten Herren“ in jeden Schuss warfen. Auch Olmo bekam das zu spüren (67.).

Die Italiener suchten Stabilität, Spanien verzweifelt den Weg über die gegnerische Torlinie. Chancen boten sich im Überfluss, aber die hochtalentierte Mannschaft spielte gegen nun sehr tief stehende Gegner nur einen Angriff zu Ende. Die Verlängerung war vom Abwarten geprägt.

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