Kriechmayr nach Abfahrts-Gold: „Kann es noch nicht realisieren“

Das lange Warten Österreichs auf Herren-Abfahrtsgold hat ein Ende. Vincent Kriechmayr gewann drei Tage nach dem Super-G am Sonntag in Cortina d’Ampezzo auch die Abfahrt, eine Hundertstel vor dem Deutschen Andreas Sander. Beat Feuz (SUI/0,18) wurde Dritter. Kriechmayr machte sich damit auch zum erst dritten Speed-Double Gewinner der WM-Geschichte. Der Oberösterreicher ist nach Michael Walchhofer 2003 in St. Moritz zudem der erste ÖSV-Abfahrtsweltmeister seit 18 Jahren.

Eine Hundertstel Vorsprung sind gleichbedeutend mit der knappsten Gold-Entscheidung bei den Herren in einer WM-Abfahrt. Vor zwei Jahren in Aare (Schweden) hatte Kjetil Jansrud zwei Hundertstel vor seinem norwegischen Landsmann Aksel Lund Svindal gewonnen. Zuvor beide Speedrennen bei einer Alpinski-Weltmeisterschaft gewonnen hatten bei den Herren lediglich Hermann Maier 1999 in Vail sowie Bode Miller (USA) 2005 in Bormio.

Startnummer eins kein Nachteil

Die vierte WM-Medaillenentscheidung, die zweite bei den Herren, ging wieder bei Prachtwetter in Szene. Kriechmayr hatte sich für Startnummer eins entschieden und wuchtete sich als damit als Erster aus dem nur über Hunderte in den Schnee geschlagenen Stufen erreichbaren Abfahrtsstart. Trotz leichter Probleme in der Traverse lieferte der Oberösterreicher auf der kurvigen „Vertigine“ eine insgesamt starke Fahrt ab.

Gleich nach ihm kam aber Außenseiter Sander bis auf eine Hundertstel an den Österreicher heran, was doch Zweifel an einem möglichen Goldgewinn aufkommen ließ. Danach blieb aber der Trainingsschnellste Dominik Paris klar zurück und als auch Doppel-Olympiasieger Matthias Mayer nach anfänglich starker Fahrt in der Traverse an einem Tor vorbeischlitterte, sowie auch Kitz-Doppelsieger Feuz zurückblieb, war für den Oberösterreicher das erste Bangen im Ziel überstanden.

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Kriechmayr führt schon vor Sander und Feuz, als mit Max Franz (Startnummer 10) die Abfahrts-Dramatik wieder Fahrt aufnahm. Allerdings blieb auch der risikofreudige Kärntner („Viele kleine Fehler, es ist nicht wirklich rund gelaufen“) deutlich zurück und wurde letztlich 13. Gleiches passierte mit dem außer Form befindlichen Kjetil Jansrud auch dem norwegischen Titelverteidiger, leider aber auch mit Otmar Striedinger (19.) Österreichs letzter Kugel im Lauf.

Nur Marco Odermatt ließ mit Startnummer 18 und seiner Fahrt auf Platz vier das Podesttrio noch einmal kräftig zittern. Als eine Stunde nach dem Start das Rennen wegen eines Sturzes unterbrochen war, stand das Podest fest und war auch klar, dass Sander das dritte Silber für Deutschland geholt hatte. Rückblickend war im Königsbewerb der Herren der Kampf um Gold mit Kriechmayr (Startnummer 1) vor Sander (Nummer 2) nach gerade einmal drei Minuten entschieden gewesen.

Erstmals seit Pirmin Zurbriggen 1985 holte mit Kriechmayr wieder ein Fahrer mit Startnummer eins WM-Abfahrtsgold und zwar die 17. für Österreich.

Kriechmayr: „Kann es noch nicht realisieren“

„Ich kann’s noch nicht realisieren, es ist alles noch etwas unwirklich. Es war ein verrücktes Rennen und als der Sander im Ziel war, habe ich nicht gedacht, dass wir beide am Podium sind“, gestand der frisch gebackene Doppel-Weltmeister im Ziel.

„Aber ich bin von oben weg wirklich gut gefahren, allerdings auch einige Male aus der Hocke gekommen. Obwohl es sehr kurvig war, habe ich eine richtige Abfahrt gewonnen. Engere Radien gehören im Abfahrtssport auch dazu“, meinte der 29-jährige Österreicher, der auch gestand: „Oben war es ein bissl windig. „Vielleicht war der Herrgott heute auf meiner Seite.“

Sander: Abstand zu Kriechmayr „tut nicht weh“

ÖSV-Herrenchef Andreas Puelacher meinte: „Wenn du eine Goldmedaille hast, ist der zweite Bewerb ein bissl leichter. Mit so einem Selbstvertrauen kannst du auch die Startnummer eins nehmen.“ Puelacher gestand aber, wegen der nicht optimal gewähnten Fahrt Kriechmayrs und Sanders minimalem Rückstand zunächst geglaubt zu haben, „dass sich das eher nicht ausgeht“.

Sander war wie vor ihm Romed Baumann im Super-G und Kira Weidle in der Damenabfahrt eine erneute Silber-Sensation aus Deutschland, war doch sein erster Podestplatz gleichbedeutend mit einer Medaille. „Die Hundertstel tut wirklich nicht weh“, freute sich der „Flachländer“ aus Westfalen. Feuz freute sich auch über Bronze. „Bei 18 Hundertstel Rückstand wäre aber sicher auch Gold möglich gewesen. Ich hab’s im kurvigen Teil verloren. Wir haben aber einen verdienten Goldmedaillisten, der Vincent hat’s verdient gewonnen.“

Mayer enttäuscht – Muzaton nicht schwerer verletzt

Mayer machte aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis und war sicher, dass auf der eisigen und unruhigen Strecke mehr drin gewesen wäre. „Das Tor bei der Steilhangausfahrt wäre ein wichtiges gewesen für den Zielschuss. Ich habe den Schlag voll erwischt, dann hat’s mich runtergesetzt“, berichtete er. „Schade. Ich hatte in beiden Disziplinen Chancen und habe mir eigentlich mehr vorgenommen gehabt.“ Striedinger, der wie Mayer nun die Kombi bestreitet, erklärte: „Ich habe gut ins Rennen rein gefunden. Dort, wo man den Schwung ins Ziel hinein mitnehmen muss, hätte ich’s aber taktisch anders anlegen sollen. Jetzt weiß ich, dass ich anders fahren hätte müssen. Es war ein Fehler an der blödesten Stelle“

Für die Szenen des Tages sorgten Maxence Muzaton und Baumann. Der Franzose erhielt Mitte seiner Fahrt einen Schlag und legte mit seinen 2,23 m langen Abfahrts-Ski bei 120 km/h eine noch nie gesehene, sturzfreie Abfahrts-Pirouette in den Steilhang. Baumann krachte nach der Zieldurchfahrt in die Absicherungen und wurde kurzzeitig darunter begraben. Der Vizeweltmeister im Super-G konnte die Unfallstelle mit Schrammen an Nase und Lippe aber auf eigenen Beinen verlassen.

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(APA)

Beitragsbild: GEPA