La Ruina! Der Zerfall der spanischen Dominanz in Europa

Jahrelang galten spanische Klubs wie der FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid als DAS Nonplusultra im europäischen Fußball. Doch die einstige Dominanz bröckelte zuletzt gewaltig und erlebt nun – auch durch die Corona-Krise angeheizt – ihren Zerfall.

In der jüngsten Vergangenheit verging kaum ein Jahr, in dem sich kein spanischer Verein eine internationale Trophäe in die Vitrine stellen durfte. Alleine die Bilanz in den vergangenen sieben Jahren in der Champions League zeigt, wie mächtig der spanische Fußball im Vergleich zu den anderen Nationen war.

In den sieben Endspielen standen insgesamt sieben spanische Teams auf dem Platz – zweimal war das Finale gar eine inner-spanische Angelegenheit.

Die Champions-League-Finals seit 2013/14

 
Saison Finale Ergebnis
13/14 Real Madrid – Atletico 4:1 n.V.
14/15 Barcelona – Juve 3:1
15/16 Real Madrid – Atletico 1:1 n.V., 5:3 i.E.
16/17 Real Madrid – Juve 4:1
17/18 Real Madrid – Liverpool 3:1
18/19 Liverpool – Spurs 2:0
19/20 FC Bayern – PSG 1:0

Spanien dominiert auch in der Europa League

Und auch eine Etage darunter – in der Europa League dürfen sich spanische Mannschaften zum Final-Inventar zählen. Seit der Wettbewerb vor elf Jahren umstrukturiert wurde – und nicht mehr unter dem Namen UEFA Cup firmiert – stand sieben Mal ein spanisches Team im Finale – inklusive eines rein spanischen Duells in der Saison 2011/12.

Noch bemerkenswerter ist jedoch, dass jedes dieser Endspiele auch einen spanischen Sieger hatte, der entweder FC Sevilla (5x) oder Atletico Madrid (2x) hieß – ein schier unfassbare Quote, die die Dominanz der Iberer massiv unterstreicht.

Alle Europa-League-Finals

 
Saison Finale Ergebnis
09/10 Atletico – Fulham 2:1 n.V.
10/11 Porto – Braga 1:0
11/12 Atletico – Bilbao 3:0
12/13 Chelsea – Benfica 2:1
13/14 Sevilla – Benfica 0:0 n.V., 4:2 i.E.
14/15 Sevilla – Dnipropetrowsk 3:2
15/16 Sevilla – Liverpool 3:1
16/17 ManUnited – Ajax 2:0
17/18 Atletico – Marseille 3:0
18/19 Chelsea – Arsenal 4:1
19/20 Sevilla – Inter 3:2

Kein Wunder also, dass Spanien in der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA, nach der sich die Anzahl der teilnehmenden Teams einer Nation an den internationalen Wettbewerben richtet, seit gefühlt einer Ewigkeit an der Spitze thront.

Spanien mit nur einem CL-Halbfinalist seit 2018

Doch diese herausragende Stellung kam bereits in den vergangenen zwei Jahren – zumindest in der Champions League – ins Wanken. In den letzten beiden Endspielen war keine spanische Mannschaft vertreten. In der Saison 2018/19 war der FC Barcelona die einzige Mannschaft aus Spanien, die es überhaupt ins Viertelfinale geschafft hat. Nachdem dort Manchester United relativ klar geschlagen wurde (kumuliert mit 4:0), sollte im Halbfinale gegen den FC Liverpool (kumuliert mit 3:4) Schluss sein.

In der Saison 19/20 war das spanische Abschneiden sogar noch negativer. Mit Barcelona und Atletico Madrid standen zwar zwei Teams im Final8-Turnier in Lissabon. Doch für beide war das Viertelfinale gleichzeitig Endstation.

In Summe bedeutet dies also nur einen Halbfinalisten in den vergangenen zwei Jahren. Nur Italien war von den Top-Nationen in diesem Zeitraum noch schlechter (kein Teilnehmer im Halbfinale).

Spanische Team vor dem CL-Aus

Diese Negativ-Entwicklung scheint in der aktuellen Saison ihren Tiefpunkt zu erreichen. Nach den Hinspielen im Achtelfinale stehen mit Barcelona, Atletico und Sevilla gleich drei von vier spanischen Teams mit dem Rücken zur Wand und kurz vor dem Ausscheiden.

CL-Achtelfinale: Ergebnisse Hinspiele

  • Atalanta Bergamo – Real Madrid 0:1
  • FC Barcelona – PSG 1:4
  • FC Sevilla – BVB 1:3
  • Atletico Madrid – FC Chelsea 0:1

Lediglich Real Madrid geht durch den 1:0-Auswärtssieg bei Atalanta Bergamo mit einem Vorsprung ins Rückspiel. Ein Weiterkommen des einstigen Champions-League-Seriensiegers ist jedoch alles andere als gesichert. In Bergamo agierte Real 73 Minuten in Überzahl, doch erst kurz vor Schluss gelang durch einen Schlenzer von Ferland Mendy der erlösende Siegtreffer.

Da Bergamo jedoch über eine der stärksten und torgefährlichsten Offensiven in Europa verfügt, ist es den Italienern durchaus zuzutrauen, in Madrid diesen Rückstand wieder wett zumachen – besonders im Hinblick auf die personelle Lage bei den Madrilenen, die auf zahlreiche Leistungsträger wie Kapitän Sergio Ramos oder Torjäger Karim Bezema verletzungsbedingt verzichten müssen. Auch Eden Hazard, Dani Carvajal und Marcelo stehen Real derzeit nicht zur Verfügung.

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Es droht also der spanische Super-GAU – mit keinem einzigen Vertreter im Viertelfinale. Und auch das bislang fast sicher gebuchte Finale in der Europa League ist in diesem Jahr nicht garantiert. Die beiden Zugpferde der vergangenen Jahre – FC Sevilla und Atletico Madrid – befinden sich nicht im Wettbewerb, sondern stehen eine Etage weiter oben in der Champions League vor dem Aus.

Spanische Teams auf Dauer nicht mehr Spitze?

Neben den sportlichen Problemen scheinen speziell die spanischen Teams von der Corona-Krise besonders hart getroffen zu werden. Die sowieso schon finanziell mehr als angeschlagenen Spitzenklubs – allen voran der FC Barcelona – häufen einen immer größer werdenden Schuldenberg an, den es in den kommenden Jahren abzubauen gilt.

Dies bedeutet jedoch gleichzeitig, dass womöglich der eine oder andere Star – Stichwort: Lionel Messi – nicht gehalten werden kann und auch bei der Qualität der Neuzugänge im Vergleich zu vergangenen Jahren etwas zurückgesteckt werden muss. Die sportlichen internationalen Erfolge werden dadurch immer schwerer zu wiederholen, was parallel zu einem Absturz in der Fünf-Jahres-Wertung führen wird.

England setzt zum Überholmanöver an

Dort macht sich England bereit, den Spitzenreiter noch in dieser Saison zu überholen. Mit dem FC Liverpool, Manchester City und dem FC Chelsea, die allesamt ihr Hinspiel auswärts bestritten und gewonnen haben, stehen bereits drei Premier-League-Klubs im Viertelfinale der Königsklasse – zumindest wenn man der Statistik glaubt.

War diese Konstellation (Hinspiel = Auswärtssieg) in der Geschichte des Europapokals gegeben, ist eine englische Mannschaft noch nie ausgeschieden!

Es bahnt sich also eine Veränderung des Machtgefüges im europäischen Fußball an, die nicht nur von kurzer Dauer sein könnte. Die Dominanz des spanischen Fußballs in Europa hat in den letzten Jahren tiefe Risse erhalten, die nun zu einem Zerfall führen. Der einstige Dominator mutiert zur Ruine!

(Udo Hutflötz via skysport.de)

Bild: Imago