Nach Super-G-Gold: Für Kriechmayr geht es nun um die Draufgabe

Besser schlafen werde er auch als Weltmeister nicht, meinte Ski-Ass Vincent Kriechmayr nach seiner WM-Goldenen im Super-G in Cortina. Schon im Zielraum stand nahezu die gesamte Mannschaft mit den Trainern für ihn Spalier, am Abend wurde im ÖSV-Quartier kurz angestoßen.

Denn der Terminkalender ist eng getaktet, Freitagvormittag (10.30 Uhr) ging es bereits mit dem ersten Training für die Abfahrt weiter. „Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Draufgabe“, stellte er klar.

Im zweiten Speed-Bewerb der Herren wird Kriechmayr nicht der klare Favorit sein. In der Abfahrt stand er in diesem Winter als Zweiter in Bormio am Stockerl, in Kitzbühel kam er nach der Bestzeit im Abschlusstraining auf Rang neun. Weitere Top-Ten-Resultate sucht man in den Listen vergeblich. Nach dem Motivationsschub durch den Super-G-Erfolg wird mit ihm aber auch am Sonntag (11.00 Uhr) zu rechnen sein.

„Fahre mit einem großen Lachen raus“

„Mir ist egal, was jetzt noch passiert. Natürlich will ich jetzt auch noch um die Medaillen kämpfen und möchte den Flow mitnehmen. Aber wurscht, was noch passiert, ich fahre auf alle Fälle mit einem großen Lachen aus Cortina raus“, sagte der 29-Jährige, der am Montag auch noch die Kombination bestreiten will. Im Hotel freute er sich auf ein Glas mit seinem Servicemann („Er ist doch eine große Bezugsperson“), dann standen endlich die langersehnten Telefonate mit seiner Familie und seiner Freundin an.

Durch die Absage der Weltcup-Rennen in Kvitfjell wegen der Corona-Richtlinien in Norwegen erhielt Kriechmayr zu später Stunde auch die Nachricht, dass der Gewinn der kleinen Kristallkugel für die Super-G-Wertung jetzt noch ein bisschen wahrscheinlicher ist. Derzeit liegt er 101 Punkte vor seinem Teamkollegen Matthias Mayer. Wenn das Rennen nicht nachgetragen wird, würde nur noch ein Super-G beim Finale in der Lenzerheide gefahren werden und wäre die erste Kugel für den Landwirtsohn und die erste im Speed-Bereich für die ÖSV-Herren seit Klaus Kröll in der Abfahrt 2011/12 fix. Seit damals hatte als einziger Österreicher nur noch Marcel Hirscher Disziplinwertungen gewonnen.

„Irrsinnig stolz“ machten Kriechmayr vorerst aber Gold und die Art und Weise, wie er die Herausforderung der vorher unbekannten Piste meisterte. Schlüsselkriterium war die Stelle nach dem Vertigine-Sprung, die gleich die ersten drei Startnummern aus dem Rennen warf. „Ich habe noch niemals einen 200-Meter-Drift gemacht in meiner Karriere“, sorgte Kriechmayr für Lacher. Die Anfahrt zum tückischen blauen Tor erforderte das genau richtige Maß an Temporeduktion. „Ich habe versucht, die Passage, wo ich gesehen habe, da haben die Athleten Probleme, halbwegs vernünftig durchzukommen. Dann ist der Rest des Laufs nur so passiert, weil ja der Großteil der Gedanken auf diese Passage gerichtet war.“

Kriechmayr ist nun der erste Alpin-Weltmeister aus Oberösterreich seit Hannes Trinkl, der vor 20 Jahren, am 7. Februar 2001 in St. Anton in der Abfahrt, triumphiert hatte. Landeshauptmann Thomas Stelzer und Sport-Landesrat Markus Achleitner stellten sich rasch mit Gratulationen ein. „Wir haben immer zum Hannes aufgeschaut“, sagte Kriechmayr. „Natürlich, er ist in der Abfahrt Weltmeister geworden, in der Königsdisziplin. Aber mir gleich, ich nehme den auch gern.“

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Der Erfolg bedeutet auch, dass der ganz große Druck für die ÖSV-Delegation in Cortina gleich nach dem ersten Rennen weg ist. 2019 hatte bei der WM in Aare erst Superstar Hirscher am letzten Tag Gold im Slalom geholt. „Man muss ganz klar sagen, man muss erst einmal eine Medaille machen als Athlet bei der Weltmeisterschaft. Das hat der Vinc geschafft, da kann man ihm nur gratulieren“, verlautete Herren-Rennsportleiter Andreas Puelacher. Nach Super-G-Silber und Abfahrts-Bronze in Schweden hat Kriechmayr nun sogar einen kompletten Medaillensatz.

Mayer, der Sechster wurde, und der ausgeschiedene Max Franz hätten allerdings ihre Möglichkeiten im Super-G nicht ausgeschöpft, damit haderte der Tiroler etwas. „Max hätte diese Schlüsselstelle ganz gut gemeistert gehabt, ist dann leider weiter unten raus“, musste Puelacher zur Kenntnis nehmen. „Wir sind glücklich mit dem Ergebnis. Aber es wäre auch schön gewesen, wenn der Max runterkommt und wenn der Mothe (Mayer; Anm.) gut runterkommt.“

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(APA)

Bild: GEPA