NFL-Draft: Vielseitigkeit als Plus von Raimann

Darüber, bei welchem NFL-Club der Österreicher Bernhard Raimann landen wird, lässt sich kurz vor dem ersten Draft-Tag nur vage spekulieren. Zu unberechenbar sind die Vorgänge bei der Wahlveranstaltung für Football-Nachwuchskräfte. Teams, die Hilfe auf Raimanns Position Left Tackle benötigen könnten, wären etwa die Indianapolis Colts, die Seattle Seahawks oder die New Orleans Saints. Was für den 24-Jährigen spricht, ist, dass er mehre Offensive-Line-Rollen spielen könnte.

Schenkt man den in US-Medien und von diversen Internetseiten aufgestellten Prognosen Glauben, ist das wahrscheinlichste Draft-Szenario, dass Raimann in der zweiten Runde von einem NFL-Team gezogen wird. Der Burgenländer könnte aber auch in die dritte Runde zurückfallen, wobei er noch vor ein paar Wochen als starker Kandidat für die erste Runde gehandelt worden war. Fix ist jedoch nur, dass solche Vorhersagen oft nachher nicht viel wert sind. Wie die Entscheidungsträger der Teams ticken, welche Prioritäten sie setzen, welchen für Außenstehende unbekannten Informationen sie vertrauen, kann man unmöglich durchblicken.

Als Left Tackle in seinen letzten zwei Jahren auf der Central Michigan University hat Raimann eine der wichtigsten Positionen in der Offensive einer Football-Mannschaft bekleidet. Bei einem rechtshändigen Quarterback hält er diesem im Idealfall die Gegenspieler vom Leib, die sich ihm in seinem toten Winkel annähern wollen. Zahlreiche NFL-Teams möchten bei dieser Schlüsselposition aufrüsten, manche benötigen nach diversen Abgängen sogar dringend einen Left Tackle.

Weil die Anforderungen im Grunde ähnlich sind, könnte der athletische Raimann in der NFL aber wohl auch als Right Tackle oder sogar als Guard innerhalb der Offensive Line zum Einsatz kommen. „Ich habe in den letzten zwei Jahren immer nur Left Tackle gespielt. Ich denke auch, dass ich das Zeug dazu habe, in der NFL Left Tackle zu spielen. Sollte mich das Team allerdings fragen, eine andere Position zu spielen, würde ich das natürlich auch gerne machen“, sagte Raimann selbst. „Ich würde jede Position spielen, und wenn sie einen Tight End brauchen, dann spiele ich auch Tight End.“

In zahlreichen Analysen – so beispielsweise auf der offiziellen Seite nfl.com – wird Raimann großes Potenzial und eine ausgeprägte Lernfähigkeit beschienen. Was gegenüber den am besten bewerteten Left Tackles seines Jahrgangs gegen ihn spricht, ist einerseits, dass er mit 24 Jahren rund zwei Jahre älter als die Konkurrenz ist. Da schlägt sich der bewegte Lebenslauf als Austauschschüler in den USA sowie österreichischer Präsenzdiener nieder. „Und dass er die Position noch nicht so lange spielt im Vergleich zu anderen“, wie auch AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck festhielt.

In den Stunden vor dem Draft machten zudem Gerüchte über ein angebliches medizinisches Problem die Runde, weshalb einige Teams Raimann schon von ihrer Liste gestrichen haben sollen. Der Wahrheitsgehalt ist zumindest anzuzweifeln, da kurz vor dem Draft von verschiedensten Seiten teilweise auch bewusst falsche Informationen in die Welt gesetzt werden. Handfester – im wahrsten Sinne – ist dagegen, dass Raimann für einen Elite-Tackle in der NFL relativ kurze Arme und noch wenig trainierte Hände hat.

Das könnte seinen eventuellen Umstieg auf eine andere Position begünstigen, wodurch er ungleich mehr Optionen hätte. Denn es gibt kaum ein Team, das sich nicht im Draft nach Hilfe für die Offensive Line umschaut. In erster Linie würde der Österreicher aber für jene Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgewählt werden, die er auf dem College-Level demonstriert hat – als Left Tackle. Die New England Patriots sollen eines der Teams gewesen sein, die Raimann speziell unter die Lupe genommen haben. Der sechsfache Super-Bowl-Sieger ist bekannt dafür, Talenten viel Zeit für die Entwicklung zu geben, bevor sie zu Stammspielern werden.

(APA) / Bild: Imago