Nur 24 Stunden nach Anschlag: Dortmund kämpft, verliert und hofft

Völlig erschöpft und mit Tränen in den Augen standen die Spieler von Borussia Dortmund vor der Südtribüne, Zehntausende Fans sangen „Der BVB wird niemals untergehen“: Beim schwersten Auftritt ihres Lebens haben die Borussen kaum 24 Stunden nach dem Anschlag auf ihren Mannschaftsbus im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League 2:3 (0:2) gegen AS Monaco verloren. Nach einem aufopferungsvollen Kampf ist der Glaube ans Weiterkommen aber noch da.

Sahin: „Man sollte nicht vergessen, dass wir Menschen sind“

„Es war kein schöner Tag heute. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind. Aber die zweite Halbzeit war überragend, und das zweite Tor ist Gold wert“, sagte Nuri Sahin bei Sky nach dem späten Anschlusstreffer durch Shinji Kagawa (84.) zum Endstand im Hinblick auf das Rückspiel am 18. April im Fürstentum.

„Es hat viel Mut und Courage gebraucht, hier heute Fußball zu spielen“, sagte Trainer Thomas Tuchel, der mit der UEFA angesichts der kurzfristigen Neuansetzung nach der Absage vom Dienstag hart ins Gericht ging: „Die Mannschaft hätte gern mehr Tage gehabt. Wir fühlten uns komplett übergangen, als es hieß: Morgen seid ihr dran.“

Trotz der bedingungslosen Unterstützung der Fans hatte der BVB eine Halbzeit lang völlig verunsichert gespielt – verständlich nach den schockierenden Vorkommnissen und der schweren Verletzung von Marc Bartra, dessen Konterfei die Dortmunder auf ihren Aufwärm-Hemden trugen. „Wir wussten, dass es nicht einfach wird. Bis zum Anpfiff war alles im Kopf, nur kein Fußball“, sagte Sahin.

Auch nach dem Anpfiff schien sich alles gegen Borussia verschworen zu haben. Dem Führungstreffer des offensivstarken französischen Tabellenführers durch das 18 Jahre alte Wunderkind Kylian Mbappé (19.) ging eine klare Abseitsstellung voraus, beim 0:2 beförderte Sven Bender den Ball per Kopf ins eigene Netz (35.). Glück hatte der Fußball-Bundesligist allerdings, als Fabinho einen Foulelfmeter neben das Tor setzte (17.).

Ousmane Dembélé (57.) brachte den aufopferungsvoll kämpfenden Champions-League-Finalisten von 2013 zurück ins Spiel. Nach Mbappés zweitem Treffer (79.) sorgte Kagawa für neue Hoffnung.

Tuchel hatte es jedem seiner Profis freigestellt, ob sie nach der Attacke auf den Teambus mit drei Explosionen auflaufen. Als Schiedsrichter Daniele Orsato die Begegnung um 18.46 Uhr unter den Augen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Reinhard Grindel anpfiff, waren alle dabei.

In den Stunden vor Spielbeginn hatte die Borussia große Solidarität erfahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm Kontakt zu BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf und sicherte den Westfalen ihre Unterstützung zu. Nach gut verlaufener Operation fieberte der bei dem Anschlag verletzte Bartra (Bruch des Handgelenks) im Krankenhaus vor dem Fernseher mit.

Die BVB-Fans unter den 65.849 Zuschauern im ausverkauften ehemaligen Westfalenstadion trieben ihr Team von der ersten Minute frenetisch an. Doch die Gastgeber hatten große Mühe ins Spiel zu kommen, auch wenn sich Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang die erste Chance bot (11.).

Tuchel stand schon nach wenigen Minuten an der Seitenlinie, dirigierte lautstark und versuchte sein Team anzutreiben. Es half zunächst nichts. Thomas Lemar köpfte noch freistehend drüber (12.), dann konnte Sokratis den schnellen Mbappé nur durch in Foul stoppen. Fabinho vergab die Chance zur Führung aber kläglich.

Der verschossene Elfmeter gab den Dortmundern aber nicht den erhofften Auftrieb. Nur zwei Minuten später lagen die Gäste, die in 31 Ligaspielen bereits 88 Treffer erzielt haben, doch in Führung. Bei Lemars Flanke stand der Torschütze aber deutlich im Abseits. Monaco blieb danach durch seine Konter das gefährlichere Team und hatte erneut Glück. Eine Flanke von Andrea Raggi beförderte Bender aus sechs Metern ins eigene Netz.

Tuchel setzte nach der Halbzeit alles auf eine Karte. Für Bender und Kapitän Marcel Schmelzer kamen Nuri Sahin und Christian Pulisic. Der BVB erhöhte den Druck und kam durch Dembélé zum Anschlusstreffer. Monaco kam kaum noch über die Mittellinie, hatte aber die Riesenchance zum 3:1, als Radamel Falcao (75.) über das leere Tor schoss. Kurz darauf schlug dann Mbappé nach einem schlimmen Fehlpass von Lukasz Piszczek zu – doch Kagawa gelang Schadensbegrenzung.

SID om cl