ÖFB-Team: EM-Analyse ohne Selbstkritik

Wien (APA) – Die hohe Erwartungshaltung, die Verfassung der Spieler vor der EM und eigene Fehlentscheidungen. Das waren für ÖFB-Präsident Leo Windtner und Sportdirektor Willi Ruttensteiner die wichtigsten Gründe für das Vorrunden-Aus des österreichischen Fußball-Nationalteams. Die beiden Funktionäre legten ihre Aufarbeitung am Freitag in einer Pressekonferenz in Wien gemeinsam mit Teamchef Marcel Koller dar.

„Das Aus in der Vorrunde ist für Fußball-Österreich eine Riesenenttäuschung gewesen. Da gibt es nichts schönzureden. Das primäre Ziel haben wir nicht geschafft, wiewohl wir letztlich noch sehr knapp dran gewesen sind“, sagte Windtner.

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Ruttensteiner habe nach der EM jeden Mitarbeiter aufgefordert, in seinem Bereich eine Analyse durchzuführen. Die Ergebnisse analysierte der Sportdirektor mit dem Teamchef in einer zweitägigen Klausur in der Schweiz und präsentierte sie am Donnerstag dem ÖFB-Präsidium. „Dort hat es eine Diskussion gegeben“, erklärte Windtner, der Bericht sei zur Kenntnis genommen worden.

Windtner: „Hype zur Last geworden“

Für den ÖFB-Präsidenten war die hohe Erwartungshaltung der Öffentlichkeit eine Bürde. „Tatsache ist, dass der Hype zu einer gewissen Last geworden ist“, meinte Windtner. Bei den Gruppengegnern Island und Ungarn sei das anders gewesen. „Vielleicht sind wird dem nicht mit der entsprechenden Klarheit entgegengetreten und haben darauf hingewiesen, was eine realistische Situation sein könnte, die letztlich auch eingetreten ist“, erklärte Windtner.

Personelle Konsequenzen schloss Windtner abermals aus. „Wir haben keine Ursache, am Personal zu rütteln. Tatsache ist, dass wir unsere Lehren ziehen wollen“, sagte der ÖFB-Präsident. In der Zwischenzeit wurde auch der Vertrag von Ruttensteiner wie erwartet verlängert. Der Sportdirektor unterschrieb einen unbefristeten Kontrakt.

Ruttensteiner: „Spieler mit schwerem Rucksack gekommen“

Für Sportdirektor Ruttensteiner war die Verfassung einiger Spieler im Vorfeld des Turnieres ein mitentscheidender Grund für das Vorrunden-Aus. „Marcel Koller hat das in Frankreich nie zum Thema gemacht. Aber in Summe haben acht Spieler Probleme ins Teamcamp mitgebracht. Jeder Teamchef in Europa ist davon abhängig, wie die Spieler zur Nationalmannschaft kommen. Sie kommen mit einem gewissen Rucksack zum Team. Dieser Rucksack war schwer“, sagte Ruttensteiner.

Wichtige Spieler seien mit physischen und mentalen Problemen ins Trainingslager in der Schweiz gekommen, so Ruttensteiner. Als Beispiele nannte Ruttensteiner Aleksandar Dragovic und Marc Janko. Zu Dragovic sagte Ruttensteiner: „Er ist mit Knöchelproblemen gekommen. Wir haben ihn fit, aber bis zu den Spielen nicht in Bestform gebracht.“

Janko habe vor dem Teamcamp fünf Wochen lang kein Meisterschaftsspiel bestritten. Dazu seien Spieler gekommen, die abgestiegen sind oder wenig Spielpraxis hatten, wie Martin Hinteregger, erklärte der Sportdirektor. Aus diesen Gründen sei der Kader nicht in Bestverfassung gewesen.

Dazu sei die hohe Erwartungshaltung gekommen. „Die Spieler haben es als ihre Verpflichtung angesehen, die hohen Erwartungen zu erfüllen, aber keine Erfahrung mit Großereignissen gehabt. Wir haben es verabsäumt, dieses Großereignis noch näher mit den Spielern aufzuarbeiten“, sagte Ruttensteiner. Das sah er als einen der Fehler, den er sich und seinem Team ankreide.

„Zu wenig getan um Stress entgegenzuwirken“

Die Erwartungshaltung und die damit in Diskrepanz stehenden Leistungen hätten auch direkte Auswirkungen auf dem Feld gehabt, erklärte Ruttensteiner. „Wenn die Erwartungshaltung mit der Leistung in Diskrepanz steht, erzeugt das Stress. Der wirkt sich auf das zentrale Nervensystem aus und beeinflusst die Koordination. Die Mannschaft hat viele leichte Abspiel- und Stellungsfehler gemacht. Wir haben zu wenig getan, um diesem Stress entgegenzuwirken“, sagte Ruttensteiner.

In der Organisation rund um die Spiele habe es noch zwei weitere Fehler gegeben, die sich negativ ausgewirkt hätten. Nach dem zweiten Gruppenspiel gegen Portugal gab es aufgrund der Dopingkontrolle und dem Auftanken des Flugzeugs rund um einen Termin in der österreichischen Botschaft in Paris eine Verspätung, die sich auf zweieinhalb Stunden summierte. „Da wäre eine Übernachtung in Paris besser gewesen“, sagte Ruttensteiner.

Und vor dem letzten Gruppenspiel gegen Island gab es aufgrund der Verkehrslage in Paris vor der Aktivierung am Vormittag einen ungeplant langen Aufenthalt im Bus. „Da hätte man die Aktivierung vielleicht woanders, etwa im Hotel, machen können“, meinte Ruttensteiner. Die Gerüchte um einen angeblichen Tellerwurf im Teamcamp verwies Ruttensteiner ins Reich der Fantasie. „Ich war bei allen Essen dabei, das weise ich zurück“, sagte Ruttensteiner.

Zudem habe es keinen Streit im Teamcamp gegeben. Dass die Stimmung nicht die beste gewesen sei, wenn man nicht gewinnt, sei auch klar.

Dank an die großartigen Fans

Ein Lob gab es sowohl von Ruttensteiner als auch Windtner für die mitgereisten österreichischen Fans. Die hohe Erwartungshaltung habe zu einer noch nie da gewesenen Fankarawane geführt, so Windtner. „Offiziell waren es gegen 50.000 Fans, inoffiziell wissen wir, dass es noch wesentlich mehr waren“, sagte Windtner. „Ich möchte den österreichischen Fans danken, dass sie ein Bild von Begeisterung und Kultiviertheit abgegeben haben, so dass wir auch als Österreich stolz sein können“, meinte der Verbandspräsident.

Finanziell blieb von dem Turnier trotz noch höherer Erwartungen bei einem möglichen Weiterkommen für den ÖFB ein Plus. „Das wird verwendet, um den österreichischen Weg und die Nachwuchsförderung fortzusetzen“, sagte Windtner.

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