ÖHB-Team zum WM-Auftakt nun gegen „komplett anderes Kaliber“

Dass Corona das Turnier in Ägypten überschatten würde, war klar. Doch für Österreichs Handball-Männer hat die WM-Mission am Dienstagabend innerhalb weniger Stunden eine völlig neue Dimension erhalten. Schien der Hauptrunden-Aufstieg nur Formsache, steht die ÖHB-Auswahl nach dem coronabedingten Rückzug des krassen Außenseiters USA nun vor einer kniffligen Aufgabe: Mit Nachrücker Schweiz wartet am Donnerstag zum Auftakt eine wesentlich härtere Nuss.

Ein schweres Spiel erwartet uns„, betonte Teamchef Ales Pajovic am Mittwoch. Seine Truppe findet sich urplötzlich in einer Gruppe wieder, die selbst bei einer – traditionell qualitativ dichteren – EM als Hammergruppe firmieren würde. Doch die Betreuer haben nun wenig Zeit, um die ersatzgeschwächte Truppe auf den neuen Gegner einzustellen. Fehler darf man sich keine erlauben, die Partie entscheidet über das Weiterkommen in die Hauptrunde. Schließlich sind Vizeweltmeister Norwegen und der mehrfache Welt- und Europameister Frankreich in Gruppe E derzeit wohl außer Reichweite. „Wir können es nicht ändern„, erklärte Pajovic.

Anstatt mit Akteuren, die zu weiten Teilen in europäischen Unterhäusern aktiv sind, bekommt man es nun mit einer eingespielten Truppe zu tun, die sich zuletzt nach Jahren in der Versenkung mit EM-Platz 16 wieder auf der internationalen Bühne zurückmeldete – und mit dem 37-jährigen Rückraummann und Regisseur Andy Schmid vom deutschen Tabellenzweiten Rhein-Neckar-Löwen über einen ausgewiesenen Star verfügt. „Sie haben sich gut weiterentwickelt. Und man darf nicht glauben, dass nur Schmid Handballspielen kann„, meinte Flügel Sebastian Frimmel. Der 25-Jährige muss es wissen, spielt er doch seit 2018 für Schaffhausen in der Schweiz.

Ich kenne viele Spieler aus der Liga und von Schaffhausen und bin extrem motiviert„, sagte der Wiener. Die größten Stärken ortete er neben der Person Schmids im 7:6-Spiel der Schweizer – also ohne Tormann – bzw. in der Defensive im „robusten“ Mittelblock der Eidgenossen. „Ein Nachteil ist aber, dass sie zwischen Verteidigung und Angriff wechseln müssen, das können wir gut ausnützen, wenn wir schnell nach vorne laufen.“ Die Schweizer, die mehrere Deutschland-Legionäre aufweisen, kommen zudem nicht aus dem Urlaub. Zwar bestritten sie im Gegensatz zu Österreich Anfang Jänner keine Bewerbsspiele, bereiteten sich seit 5. Jänner aber eine Woche lang auf die Springerrolle vor.

„Ein komplett anderer Gegner und ein völlig anderes Kaliber“

Der Groll über die äußerst ungünstige Wendung hielt sich beim ÖHB offiziell in Grenzen. Mit Nordmazedonien war ja schon vor der Schweiz ein Team nachgerückt, weil Tschechien ebenfalls von Corona lahmgelegt worden war. Zudem „wackelten“ am Mittwoch noch die Kapverden. Von Wettbewerbsverzerrung – der Nachrücker kommt aus Europa und nicht wie die USA aus der Panamerika-Zone – wollte etwa Sportdirektor Patrick Fölser nicht reden. „Es ist ein verrücktes Jahr, es ist einfach so.“ Schließlich ersparte sich Österreich aufgrund von Corona auch das WM-Play-off-Spiel gegen die Niederlande. „Man darf nicht lügen„, gab aber auch Fölser zu. „Ein ‚Exote‘ wie die USA ist etwas Anderes als eine gefestigte Mannschaft wie die Schweiz. Ein komplett anderer Gegner und ein völlig anderes Kaliber.

Eines, das Österreich am falschen Fuß erwischen könnte. Denn dass man aktuell nicht mit dem Erfolgsteam der Heim-EM 2020 zu vergleichen ist, das den historischen Platz acht belegte, liegt angesichts der personellen Ausfälle – u.a. fehlen Star und Kapitän Nikola Bilyk sowie „Bomber“ Janko Bozovic – auf der Hand. Und es war in den beiden WM-Generalproben gegen Deutschland in der vergangenen Woche auch zu sehen. In den EM-Quali-Partien war man chancenlos, vor allem das Spiel in Köln geriet in der ersten Hälfte mit nur fünf Treffern zur „Katastrophe“ (Pajovic).

Umso wichtiger ist es für Rot-Weiß-Rot, sich mit einem Sieg gegen die Schweiz weitere fünf Spiele auf höchstem Niveau zu sichern und damit eine ideale Chance zur Weiterentwicklung zu erhalten. Geht das Spiel gegen die Schweiz hingegen verloren, geht es im ungeliebten President’s Cup gegen Teams wie die Angola, DR Kongo, Chile oder Südkorea um die Plätze 25 bis 32 weiter. Und die Hammer- wäre zur „Todesgruppe“ geworden.

(APA) / Bild: GEPA