Rosberg will in Brasilien mit Sieg zum WM-Titel

Sao Paulo/Wien (APA/dpa/Reuters) – Der perfekte Schauplatz für große Formel-1-Dramen soll Sonntag zur glorreichen Bühne für Nico Rosbergs so lang ersehnten WM-Triumph werden. Vieles spricht vor dem vorletzten Rennen der WM 2016 in Brasilien für den Deutschen im Dauerduell mit dem britischen Champion Lewis Hamilton. „Ich muss weiter das machen, was mir hilft, meine Bestleistung zu bringen“, betonte Rosberg vor dem großen Show down.

„Und das“, so Rosberg weiter, „bedeutet, jedes Mal auf Sieg zu fahren“, hat sich der WM-Leader auch für das Rennen in Südamerika vorgenommen, am besten mit einem Sieg zum ersten Titel zu rasen. Denn das ist das einzige der insgesamt sechs Szenarien, mit dem Rosberg selbst und unbeeinflusst von Hamiltons Abschneiden den vorzeitigen Titelgewinn sicherstellen kann.

Die Vorzeichen sind gut, denn die Strecke liegt ihm. Rosberg siegte vor einem Jahr auf dem legendären Kurs in Interlagos von der Pole aus und er gewann auch 2014 in Brasilien von Startplatz eins aus. Hamilton gewann dort noch nie, 2007 verzockte er in seinem berauschenden ersten Formel-1-Jahr stattdessen in Brasilien den Titel.

Ein Jahr später gewann er die WM – in Brasilien. Dank eines Überholmanövers auf den letzten Metern gegen den Deutschen Timo Glock. Und mit der Attitüde will der Brite nun das vermeintlich Unmögliche doch noch schaffen: „Seit dem Beginn meiner Formel-1-Karriere habe ich gesehen, dass sich das Blatt selbst im allerletzten Moment noch wenden kann. Deshalb musst du bis zum bitteren Ende kämpfen.“

 

Die vergangenen beiden Rennen gewann Hamilton. 19 Punkte beträgt der Vorsprung des Deutschen. Hamilton muss gar nicht vor Rosberg ins Ziel kommen, um seine WM-Chancen aufrecht zu erhalten, solange Rosberg nicht Erster wird. Dennoch gab Hamilton zu: „In der Weltmeisterschaft befinde ich mich in einer ungewöhnlichen Position.“ Er kämpfe, wisse aber nicht genau, ob es ausreichen werde. „Der eine Ausgang wäre schmerzhaft, der andere eine großartige Leistung.“

Rosberg kennt seinen einstigen Kart-Kumpel nur zu gut. Er weiß, dass von dem Briten, der mit 51 Rennsiegen die drittmeisten in der Geschichte der Motorsport-Königsklasse geholt hat, so lange Gefahr droht, bis er selbst diese WM zu seinen Gunsten entschieden hat. Bis sich Rosberg wie sein Vater Keke 1982 – mit nur einem Sieg allerdings – endlich Formel-1-Weltmeister nennen darf. Im elften Jahr seiner Karriere, die mit dem Wechsel zur Saison 2010 von Williams zu Mercedes die entscheidende Beschleunigungsphase nahm.

Jetzt, nach 23 Siegen in 204 Rennen will Rosberg weiterhin keinen Millimeter von seinem bewährten und von bisher neun Saisonerfolgen gekrönten Kurs abweichen. „Noch stehen zwei Rennen aus und in der Formel 1 kann alles passieren. Deshalb muss ich mich auf die Dinge konzentrieren, die ich beeinflussen kann“, sagte er.

Rosberg ist gewarnt, in Sao Paulo werden die Gesetzmäßigkeiten der Formel 1 manchmal neu definiert – 2010 fuhr Nico Hülkenberg in einer Regen-Qualifikation sensationell auf die Pole. Erst recht, wenn ein Rennen von derart vielen Vorzeichen geprägt wird, wie der Große Preis von Brasilien am Sonntag (17.00 Uhr MEZ/live Sky).

Da wäre das Wetter. Gewitter sind vorhergesagt für Freitag und Samstag, auch am Sonntag soll es nicht trocken bleiben. Und Regen in Sao Paulo nimmt gerne auch unwetterartige Ausmaße an.

Da wäre das Wiedersehen von Sebastian Vettel, Sieger zu glorreicheren Zeiten als gefeierter Red-Bull-Champion, mit dem jetzigen Red-Bull-Shootingstar Max Verstappen: höchste Crash-Gefahr! Zumal alle – beide Ferraris und beide Red Bulls – direkt hinter den beiden oder gar zwischen den Silberpfeilen vermutlich wieder mitmischen werden.

Da wäre ein Felipe Massa, der 2008 bei Hamiltons Triumph der tragische Leidtragende und gefühlte Sekunden-Weltmeister war, und nun sein letztes Rennen in seiner Heimatstadt fahren wird. Es wird ein tränenreiches Adieu – womöglich noch einmal mit einer großen Leistung?

Wilde Attacken, Safety-Car-Phasen, taktische Manöver der Konkurrenz – alles ist wieder möglich. In den vergangenen beiden Jahren ließ sich Rosberg durch nichts beirren, vor zwölf Monaten allerdings stand er auch schon als erneut geschlagener WM-Zweiter hinter Hamilton fest.

Käme es in diesem Jahr wieder dazu, dürfte das nach diesem Saisonverlauf schwerste Narben hinterlassen. Nie war Rosberg so nah am WM-Titel wie jetzt. Nie wirkte er aber auch gefestigter. Ein perfektes Szenario für ein weiteres Formel-1-Rennen auf dem Autodromo Jose Carlos Pace zwischen Triumph und Tragödie.

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