Rote Karte für die bunte Arena: UEFA-Entscheidung löst Protestwelle aus

Die UEFA hat Regenbogenfarben für die Münchner Arena abgelehnt. Die Entscheidung stößt auf heftige Kritik und massive Gegenreaktionen.

Die Botschaft von Gary Lineker an die Elektrotechniker der Münchner EM-Arena war eindeutig: „Macht es trotzdem – die können uns mal“, twitterte die englische Ikone als Reaktion auf die Entscheidung der Europäischen Fußball-Union (UEFA) in der Regenbogen-Frage. Und nicht nur Lineker machte seinem Unmut Luft. Der UEFA schwappte eine Protestwelle entgegen. Zahlreiche Gegenreaktionen könnten dafür sorgen, dass der Verband ein Eigentor geschossen hat.

Am Dienstagvormittag hatte die UEFA erklärt, dass das Stadion während des letzten Vorrundenspiels der deutschen Nationalmannschaft am Mittwoch gegen Ungarn (21.00 Uhr nicht in Regenbogenfarben erstrahlen darf. Genau das hatte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter zuvor im Namen des Stadtrats gefordert, um „ein Signal“ zu senden.

Entsprechend geladen war Reiter, als er nach dem UEFA-Beschluss zu einem Rundumschlag ausholte. „Ich finde es beschämend, dass die UEFA uns verbietet, ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz, Respekt und Solidarität zu setzen“, sagte der SPD-Politiker und ergänzte: „Ich bin auch enttäuscht vom DFB, der trotz der überragenden Zustimmung aus der ganzen Republik sich nicht der in Lage sehen wollte, das Ergebnis zu beeinflussen.“

Bundestrainer Joachim Löw bedauerte die Entscheidung des Kontinentalverbandes. „Wir hätten uns so ein Zeichen gewünscht, aber die UEFA hat anders entschieden“, sagte Löw dem ZDF: „Unsere Mannschaft steht für Vielfalt. Mir persönlich und uns ist noch viel wichtiger, dass man diese Werte auch lebt. Das macht unsere Mannschaft.“

Löw zu Regenbogen-Stadion: „Wichtig, die Werte zu leben“

Die Münchner wurden in ihrer Forderung unter anderem von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), deutschen Nationalspielern und dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) unterstützt – ohne Erfolg. Mit knapp 300 Wörtern beschrieb die UEFA ausführlich ihren Kampf gegen „Rassismus, Homophobie, Sexismus und alle Formen der Diskriminierung“ – um das Anliegen dann dennoch abzulehnen.

Die UEFA sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale“ Organisation, hieß es vom Verband: „Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die UEFA diese Anfrage ablehnen“.

Hummels mit Statement-Shirt: „Gut, dass das Thema in der Gesellschaft ist“

Rainer Koch verteidigte in seinen Rollen als Co-Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Exekutivkomitee-Mitglied der UEFA die Entscheidung unter Verweis auf die Regularien. Seine „Haltung“ sei allerdings klar: „Und es ist nicht nur meine persönliche Haltung, sondern auch die Haltung des DFB und auch der Nationalmannschaft.“ Dass die UEFA andere Termine für die Regenbogen-Beleuchtung vorschlug, begrüßte Koch – Reiter nannte es einen „lächerlichen Gegenvorschlag“.

Nötig erscheint das sowieso nicht mehr. Denn der Mittwoch wird nun in ganz Deutschland bunt. Als Reaktion auf das UEFA-Verbot sollen etwa andere Bundesliga-Stadien in Regenbogenfarben leuchten. In Berlin, Köln, Frankfurt, Augsburg und Wolfsburg ist das bereits beschlossen. Die  Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat das ganze Land zur bunten Beflaggung aufgerufen.

Auch in der Münchner Arena soll es trotz der UEFA-Entscheidung bunt zugehen. Der Dachverband der deutschen Christopher Street Day’s (CSD) wird mit Partnern wie Amnesty International den Fans 11.000 Fahnen zur Verfügung stellen. Der Münchner Olympiaturm und ein Windrand in unmittelbarer Stadionnähe sollen in Regenbogenfarben leuchten, die Stadt twittert bereits bunt. Politiker nahezu aller Parteien wie Söder äußerten ihr Missfallen über die UEFA.

Damit erreicht der Stadtrat offensichtlich noch viel mehr als ursprünglich gedacht. Der Protest, der sich gegen die Politik der rechtsnationalen Regierung Ungarns unter Ministerpräsident Viktor Orban und deren Gesetz gegen „Werbung“ für Homosexualität richtet, erreicht ungeahnte Ausmaße. „Von solchen Entscheidungen lassen wir uns nicht abhalten“, sagte Reiter: „Was die UEFA gemacht hat, kann deutlich nach hinten losgehen.“

Wie sehr dies der ungarischen Regierung missfallen dürfte, wurde schon am Dienstag deutlich. „Gott sei Dank herrscht in den Kreisen der europäischen Fußballführung noch der gesunde Menschenverstand und man hat die politische Provokation nicht mitgespielt“, sagte Außenminister Peter Szijjarto.

Nun sieht es allerdings so aus, als hätten sich die UEFA und Ungarn isoliert. Das zeigt auch die Reaktion aus Frankreich. So bedauerte der französische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Clement Beaune, das UEFA-Verbot. „Ich denke, es wäre ein sehr starkes Symbol gewesen“, sagte er: „Wir sind jenseits einer politischen Botschaft, es ist eine Botschaft tiefer Werte.“

Ähnlich sieht es auch der LSVD. „Wir als Verband finden es sehr befremdlich, wie die UEFA mit Werten umgeht, die in der Gesellschaft allgemein akzeptiert werden sollten“, sagte LSVD-Sprecher Markus Ulrich dem SID: „Die UEFA hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt – und es ist klar zu erkennen, auf welche Seite sie sich mit ihrer Entscheidung stellt.“

Für Lineker wäre Münchner Ungehorsam die richtige Antwort: „Macht es, München. Macht es. Macht ein Licht, das die ganze Welt sehen kann.“ Auch Reiter würde das als „altem Revoluzzer“ gefallen: „Aber die Arena hat einen Mietvertrag mit der UEFA. Und man will sich nicht rechtswidrig verhalten.“

(SID)

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