Saudi-Trainer Renard: Vom Gebäudereiniger zum Nationalhelden

Früher putzte Herve Renard Gebäude, ehe er in Afrika zum Helden wurde. Und nun führt der französische Weltenbummler womöglich Saudi-Arabien ins WM-Achtelfinale.

Herve Renard erinnert sich noch gut. Um 2.30 Uhr bimmelte der Wecker. Saudi-Arabiens heutiger Erfolgstrainer, damals nur ein mäßig talentierter Drittliga-Kicker, schälte sich aus den Laken. Irgendwie musste er ja Geld verdienen. „Ich habe Wohnungen geputzt, Ferienwohnungen, Teppiche gereinigt, Fenster geputzt, den Müll rausgebracht“, erzählt der Franzose.

Zu dieser Zeit war Renard noch weit weg von dem Weltenbummler, der den saudischen Außenseiter am Mittwoch (20.00 Uhr im Liveticker) beim Finale der Gruppe C mit einem Sieg gegen Mexiko ins WM-Achtelfinale führen könnte.

Reiningungs-Job und nebenbei Trainerausbildung

Acht Jahre lang ackerte er einst Vollzeit bei seiner Reinigungsfirma in Cannes, schlief danach bis zum Training am Abend, bevor er um 23.00 Uhr ins Bett fiel und am nächsten Tag alles wieder von vorne begann.

Nebenbei absolvierte Renard seine Trainerausbildung und wurde schließlich vor circa 20 Jahren Assistent von Claude Le Roy, erst in China dann beim englischen Viertligisten Cambridge United. Als Le Roy den Klub verließ, wurde Renard 2004 zum Chef. Zwar flog er nach ein paar Monaten raus, aber das Abenteuer hatte begonnen.

In Frankreich unbekannt, in Afrika ein Held

In den folgenden Jahren pendelte Renard zwischen seiner französischen Heimat, wo er sich im Vereinsfußball nie hat durchsetzen können, und dem afrikanischen Kontinent, wo er zum Helden wurde: „Ich habe nicht an Afrika oder den Nahen Osten gedacht. Ich habe nicht an die Nationalmannschaften gedacht. Aber als Trainer muss man es versuchen. Manchmal stürzt man ab. Man muss aufstehen, man muss vorwärts gehen.“

Renard: “Spieler müssen Geschichte schreiben, sonst werden sie vergessen“

Sensations-Triumph mit Sambia gegen Drogba und Co.

In Gabuns Hauptstadt Libreville gewann er 2012 mit Sambia sensationell den Afrika-Cup gegen das Star-Ensemble der Elfenbeinküste um Didier Drogba. 19 Jahre, nachdem die komplette Nationalmannschaft auf dem Weg zum einem WM-Qualifikationsspiel bei einem Flugzeugunglück umgekommen war.

Drei Jahre später holte der Globetrotter, der aus Aberglaube stets ein weißes Hemd trägt, den Cup noch einmal mit den Ivorern, ehe er Marokko zur WM 2018 in Russland coachte und sich damit für die Saudis empfahl.

Lautstarke Kabinenrede geht viral

Sollte Renard die Grünen Falken ausgerechnet beim Heimturnier des Rivalen Katar zum zweiten Mal nach 1994 unter die letzten 16 hieven, dürfte er im Land Legendenstatus genießen.

Wenn er dies nicht bereits tut. Mit seiner flammenden Kabinenrede, in der ein Übersetzer seine emotionsgeladenen Aufrufe übersetzte, stachelte Renard seine Spieler in der Halbzeit des ersten Gruppenspiels gegen Lionel Messis Argentinier derartig an, dass sie einen 0:1-Rückstand in einen 2:1-Sieg drehten. Es war einer der größten fußballerischen Momente des Königreichs.

In Saudi-Arabien „viele Unterschiede festgestellt“

Das Königreich. Der berüchtigte Kronprinz Mohammed Bin Salman. Der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi. Die Menschenrechtslage. Wie hält es Renard, der einen Vertrag bis 2027 besitzt, eigentlich damit?

Das Land habe sich „sehr verbessert“, so der Coach: „Es gibt noch einiges zu verbessern, aber der Wille ist da. In der Zeit, in der ich hier bin, habe ich viele Unterschiede festgestellt.“ Für Herve Renard geht es eben hauptsächlich um Fußball.

(SID)

Beitragsbild: Imago