Schweizer Stolz trotz Viertelfinal-Out bei EURO 2020

Die Spieler empfanden nach den Momenten tiefster Enttäuschung vor allem Riesenstolz, in der Heimat verneigten sich alle vor ihrer „Nati“: Die Schweizer Fußball-Nationalmannschaft kann sich nach dem EM-Aus als Europameister der Herzen trösten. „Bravo für die schöne Reise. Ihr habt uns zum Träumen gebracht“, lobte Bundespräsident Guy Parmelin. Tennisstar Roger Federer twitterte unter anderem auf Schwyzerdütsch: „Kopf hoch Jungs. Traum gsi mit euch die EM.“

Die Schweizer Zeitungen schrieben Lobeshymnen auf die Mannschaft, die Weltmeister Frankreich in einem Elfmeter-Drama aus dem Turnier beförderte und sich vier Tage später in Unterzahl erneut bis in die Entscheidung vom Punkt gegen den Titelmitfavoriten Spanien rettete, dann aber das schlechtere Ende für sich hatte.

Davor hatte die Schweiz mit großem Kampfgeist überzeugt. 1:3 zurückgelegen gegen Frankreich, 0:1 gegen Spanien. In Unterzahl am Freitag in St. Petersburg ab der 77. Minute. Ohne Kapitän Granit Xhaka von Beginn an (gelbgesperrt), ohne Breel Embolo nach gut 20 Minuten (verletzt), als die Mannschaft durch ein unglückliches Eigentor von Denis Zakaria bereits hinten lag. „Meine Spieler waren die Helden des Abends. Wir hätten es verdient gehabt, ins Halbfinale einzuziehen“, betonte Teamchef Vladimir Petkovic.

Diskussionen um Friseure und gefärbte Haare – vorbei. Nebenschauplätze – vergessen. „Diese Mannschaft hat ein ganzes Land mit purem Stolz und Freude erfüllt. Von jung bis alt, von links bis rechts. Für ein paar Stunden gab es in dieser Woche nur noch Nati-Euphorie“, hieß es bei „20 Minuten“. „Nichts hat die Eidgenossenschaft in jüngster Zeit derart aufgewühlt wie dieser größte Erfolg einer Schweizer Nati seit 67 Jahren“, betonte der „Blick“ nach dem ersten Viertelfinale einer Schweizer Mannschaft bei einer EM oder WM seit 1954, als man gegen Österreich mit 5:7 den Kürzeren zog.

„Die Leistungen in den vergangenen zwei Wochen sind das Beste, was der Schweizer Fußball seit Jahrzehnten erlebt hat. Sie haben die Mannschaft und die Bevölkerung zusammengebracht, wie das lange nicht mehr der Fall gewesen ist“, schrieb der „Tages-Anzeiger“. Eine Mannschaft schweißt eine Nation zusammen. „Keiner hat sich mehr gekümmert, wer welchen Hintergrund hat, wer Secondo ist oder ‚Schweizer-Schweizer‘, wie das Granit Xhaka einmal formuliert hat“, ergänzte der „Tages-Anzeiger“.


Wie es mit Trainer Petkovic weitergeht ist offen. Zenit St. Petersburg soll Interesse haben. Auf eine entsprechende Nachfrage bekundete er nach dem EM-Aus nur, dass es sich um eine schöne Stadt handle. Klar ist aber auch, dass diese Mannschaft – nicht nur bei Federer („Ich kann die Fußball-WM kaum erwarten.“) – Hoffnungen geschürt hat, sich dauerhaft in den oberen Regionen des europäischen Fußballs zu etablieren.

Am Samstag wollten die Schweizer bereits in die Heimat zurückkehren und nach der Landung in Zürich Autogramme geben. Sie dürften gefragt sein, allen voran von Yann Sommer, der im Frankreich-Spiel gegen Kylian Mbappe den entscheidenden Elfmeter gehalten hatte und gegen die Spanier seine Mannschaft mit großartigen Paraden vor allem in der Verlängerung vor weiteren Gegentoren bewahrt hatte. Und viel hätte nicht gefehlt, dass der Keeper von Borussia Mönchengladbach und nicht Spaniens Unai Simon der Held der Partie geworden wäre.

„Er hätte die Auszeichnung als wertvollster Spieler verdient gehabt“, betonte Simon, der indes zum „Star of the Match“ gekürt worden war. Sommer selbst sagte: „Ich bin so stolz auf die Mannschaft, was wir hier erreicht haben, mit dem ganzen Land hinter uns.“

(APA)

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