SK Rapid Wien: Großes Ziel Europa League

Seit dem Vorbereitungsstart am 20. Juni schuftet die Mannschaft des SK Rapid Wien für eine erfolgreiche Spielzeit 2018/19, in der die Ziele klar definiert sind: Die Grünen wollen in die Gruppenphase der Europa League einziehen und zudem bis zum Saisonende um Cup und Meisterschaft mitkämpfen. Der Einzug ins Meister-Playoff sowie ein internationaler Startplatz über die Liga ist ein Muss aus Sicht der Wiener.

Coach Goran Djuricin zeigt sich mit der Vorbereitung zufrieden, wenn auch einige seiner Spieler noch ein paar Wochen benötigen werden, um auf hundert Prozent zu kommen. Grund dafür sind zum einen Verletzungen, manche Teamspieler bzw. Neuzugänge sind auch erst etwas später in die Pre-Season eingestiegen. Viel Zeit ist allerdings nicht, denn dem Auftakt in diese Saison kommt bei den Hütteldorfern ganz besondere Bedeutung zu: Bis zur ersten Länderspiel-bedingten Bundesliga-Pause Anfang September warten im Falle einer Qualifikation für das Europa League-Playoff  gleich zehn Pflichtspiele in 36 Tagen!

In den Testspielen bekamen viele Kaderspieler die Chance, ihre Qualität unter Beweis zu stellen. Die Ergebnisse sind wie immer mit Vorsicht zu genießen. Zunächst wurde Djuricins Ex-Klub Ebreichsdorf mit 2:0 besiegt, danach kam bei der Anreise zum Trainingslager eine Mostviertel-Auswahl mit 0:14 unter die Räder. In der Folge setzte es für Rapid eine 0:2-Niederlage gegen Slavia Prag, den ersten Gegner auf Augenhöhe. Der zweite dieser Art, KS Samara wurde auf der Rückreise vom Trainingslager verdient mit 1:0 geschlagen. Beim ersten Auftritt im heimischen Allianz-Stadion sahen dann über 10.000 Zuschauer eine eher unglückliche 1:2-Niederlage gegen den Bundesliga-Absteiger HSV.

Das erste Pflichtspiel konnten die Rapidler dann souverän zu ihren Gunsten entscheiden: In der ersten Runde des ÖFB-Cup setzte sich Rapid beim Regionalliga-West-Klub Kufstein mit 5:0 durch. Ein emotionales Highlight erlebte Hütteldorf nur zwei Tage später: Das Abschiedsspiel für Steffen Hofmann zeigte den Neuzugängen gleich einmal, auf welche Stimmung sie sich bei erfolgreichen Auftritten im Allianz-Stadion freuen dürfen. 2:4 endete das Duell des aktuellen Rapid-Kaders gegen das namhafte Team „Steffen Hofmann & Friends“, Hofmann himself war im Übrigen der erste Spieler seit Gerhard Rodax, der in einem Spiel vier Mal gegen Rapid traf. Ab sofort will der Rekordspieler in seiner Rolle als Talente-Manager Anwalt der jungen Spieler sein.

Alles in allem zeigt die Formkurve des Teams von Djuricin nach oben, jetzt heißt es gleich einmal auswärts bei einer neu formierten Admira zu liefern, drei Punkte sind das klare Ziel von Stefan Schwab und Co! Im Anschluss soll dann die Herausforderung Europa erfolgreich in Angriff genommen werden.

Der Verlauf der bisherigen Transferperiode

Die Sommertransferperiode bringt Grün-Weiß einen größeren personellen Umbruch als erhofft bzw. erwartet. Mehreren meist frühzeitig feststehenden Abgängen (Hofmann, Schaub, Pavelic, Joelinton, Petsos, Kuen, Mujakic, Jelic, Entrup) folgten die Transfers von Abwehrchef Lucas Galvao zu Ingolstadt und dem derzeit noch verletzten Stürmer Giorgi Kvilitaia zu KAA Gent. Beide deponierten frühzeitig ihren Wunsch, den Verein bei entsprechend lukrativen Angeboten verlassen zu dürfen. Grundsätzlich scheint bei Rapid das realistische Motto zu gelten, dass kaum einer unverkäuflich ist. Bickel mahnt aber ab sofort volle Konzentration auf die kommenden Aufgaben ein.

Demnach sollten bis zum Ende der Europa-League-Qualifikation keine Leistungsträger mehr abhanden kommen. Kolportiert wird aktuell Interesse aus der deutschen Bundesliga an Boli Bolingoli, kommt das große Angebot, dann wird man dem Belgier wohl keine Steine in den Weg legen. Fakt ist aber auch, dass sich der Cousin von Romelo Lukaku in Wien eigentlich sehr wohl fühlt und mit Rapid den Einzug in die Europa-League-Gruppenphase schaffen will.

Die Abgänge und die Folgen

Das Karriereende der Galionsfigur Steffen Hofmann bedeutet für jeden Einzelnen, ab sofort mehr Verantwortung zu übernehmen. Stefan Schwab hat bereits in der Vorsaison gezeigt, dass er bereit dafür ist, als Leader voranzugehen. Mit dem Interesse mehrerer Klubs am Rapid-Kapitän wollte sich Schwab gar nicht groß auseinandersetzen, da ihm schon frühzeitig signalisiert wurde, dass er unbedingt bleiben soll. Dies gilt auch für weitere Schlüsselspieler wie Murg oder Ljubicic.

Mit „Euro-Louis“ Schaub hat ein wichtiger kreativer Offensivspieler Rapid verlassen, der Teamspieler aktivierte eine Ausstiegsklausel und wurde vom 1. FC Köln verpflichtet. Bei Joelinton blieb das Bemühen um eine fixe Verpflichtung erfolglos, die Kaufoption in luftiger Höhe war einfach nicht zu ziehen. Ergo stieg der Brasilianer bei der TSG Hoffenheim in die Vorbereitung ein. Mit Schaub, Joelinton und Kvilitaia fehlen dem Offensivspiel Rapids somit drei wichtige Säulen der Vorsaison.

Die weiteren Abgänge Petsos, Pavelic, Kuen, Mujakic sowie die zuletzt verliehenen Jelic und Entrup fallen bis auf Galvao, der im Aufbauspiel Rapids der wichtigste Defensivspieler war, eher unter die Kategorie Ergänzungsspieler und sind daher etwas leichter wegzustecken. Djuricin scheint in jedem Fall den bestmöglichen Zugang zu der Thematik gefunden zu haben: „Wir schauen nach vorne, es gibt kein Jammern, jeder ist zu ersetzen.“

Die Neuen bringen Qualität in den Kader

Im Westen Wiens ist man davon überzeugt, mit den Neuzugängen die Qualität des Kaders insgesamt erhöht zu haben. Zudem ist es Bickel bis zum aktuellen Zeitpunkt gelungen, ein Transferplus zu erwirtschaften. Das gibt dem Vorstand Sport auch noch die Möglichkeit, einen weiteren Angreifer zu verpflichten. Idealerweise soll dies ein junger, sprintstarker, echter Stürmer sein, eine Leihe mit Kaufoption wäre das Wunschszenario. Der aktuell verletzte Szanto soll wie Kostic, einer der Gewinner der Vorbereitung, zeitnah eingebürgert werden, daher darf es auch ein Legionär werden. Zuschlagen wird man allerdings nur dann, wenn man zu einhundert Prozent davon überzeugt ist, dass der Neue sofort eine Verstärkung sein kann.

Die Offensiven im Überblick

Der erste Neuzugang wurde bereits Ende April offiziell: Mit dem 24-jährigen Andrija Pavlovic holte Bickel einen Mittelstürmer, an dem Rapid schon vor zwei Jahren interessiert war. Damals entschied sich der fünffache serbische Internationale aber für einen Wechsel zum FC Kopenhagen, jetzt unterzeichnete er bis 2021 bei Rapid. Im vergangenen Frühjahr fiel er bei den Dänen wie auch Austria-Neuzugang Uros Matic in Ungnade, auch deshalb waren die beiden Serben für die Wiener Klubs zu relativ guten Konditionen zu verpflichten. Pavlovic soll bei den Grünen Zielspieler an vorderster Front sein, Bälle sichern und im Strafraum zum Abschluss kommen.

„Normalerweise ist so ein Stürmer für Rapid nicht zu bekommen“ sagt Bickel. Bis sich die Fans von seinen Fähigkeiten überzeugen können, dürfte es noch bis nach der ersten Länderspiel-bedingten Ligapause im September dauern. Pavlovic muss nach einer nach Trainingsstart erlittenen Muskelverletzung erst wieder voll fit werden.

Auch deshalb reagierte Rapids sportliche Führung umgehend und holte mit Deni Alar einen alten Bekannten zurück nach Hütteldorf. Eine Ausstiegsklausel erlaubte es, den mit 36 Treffern besten Torschützen der letzten beiden Bundesliga-Saisonen vergleichsweise günstig zu verpflichten. Wie sehr man von Alar überzeugt ist, zeigt das Faktum, dass der Nationalspieler als erster Einkauf unter Bickel mit einem Vierjahresvertrag ausgestattet wurde. Auch das war wohl mit ein Knackpunkt, warum sich der 28-jährige Kapitän von Sturm nach zwei erfolgreichen Jahren in Graz zu einer Rapid-Rückkehr entschied.

Eine weitere namhafte Verstärkung im Offensivbereich ist mit Sicherheit Christoph Knasmüllner. „Einer der besten Zehner in Österreich“ konnte nach einem misslungenen Frühjahr vom FC Barnsley losgeeist werden und will bei Rapid an die starken Leistungen im Herbst 2017 anschließen, als er für die Admira gleich zwölf Ligatreffer erzielen konnte.

Hohe Erwartungen formulieren die Verantwortlichen auch, wenn es um Andrei Ivan geht. Der 21-jährige konnte trotz Störfeuern aus Wien-Favoriten aus Krasnodar geholt werden. Dort konnte sich der sechsfache rumänische Internationale nicht durchsetzen, sein hohes Potenzial hat der antrittsschnelle und trickreiche Offensivmann in den ersten Wochen in Wien sofort angedeutet. Im Cup traf er in Kufstein doppelt, Ivan fühlt sich an den Flügeln zu Hause, Nebenposition ist das Sturmzentrum. Rapid leiht den Rumänen vorerst für eine Saison aus, die Kaufoption soll im Gegensatz zu jener von Joelinton tatsächlich auch leistbar sein…

Auch in der Defensive gibt es Veränderungen

Mit Marvin Potzmann wechselt auch noch ein zweiter Spieler von Sturm Graz nach Hütteldorf, er kommt ablösefrei und unterzeichnet einen Vertrag bis 2021. Potzmann wird intern als Maschine bezeichnet, hat sich schnell etabliert und kann in der Viererkette sowohl rechts als auch links spielen. Er war  zu Ende der vergangenen Saison erstmals im ÖFB-Teamkader dabei.
Im defensiven Mittelfeld war Rapid auf der Suche nach einem Backup für Dejan Ljubicic und entschied sich für Manuel Martic. Der physisch starke Oberösterreicher verkörpert das gesuchte Profil „Balljäger“, war ablösefrei zu haben und hat bis 2020

unterschrieben.

Der bislang letzte Neuzugang ist Mateo Barac. Der Kroate soll die  Lücke schließen, die durch den Abgang von Führungsspieler Galvao in der Innenverteidigung entstanden ist. Der 1´90-Meter-Mann kommt vom NK Osijek zu den Grünen. Der 24-jährige wäre vor einem Jahr beinahe zu Ajax Amsterdam gewechselt, dort wurde beim Medizincheck allerdings eine leicht erweiterte Aorta festgestellt und Ajax nahm von einer Verpflichtung Abstand. Auch deshalb kam es nur wenig später zum lukrativen Wechsel von Max Wöber zu den Niederländern.

Mehrere Spezialisten bescheinigten Barac in der Folge, dass er absolut gesund sei, nach intensiven Untersuchungen, zuletzt auch in Wien, wurde der Transfer zu Rapid fixiert. Barac macht die grün-weiße Defensive größer, jünger und zweikampfstärker. Er ist einfacher kroatischer Nationalspieler, kam beim frischgebackenen Vizeweltmeister Anfang 2017 im Rahmen einer China-Tournee gegen Chile zum Einsatz.

Verletzungen als stete Begleiter

In Hütteldorf reißt auch in dieser Saison die Serie längerer verletzungsbedingter Ausfälle nicht ab. Schon zu Beginn der Vorbereitung sorgte Philipp Schobesberger für Entsetzen. Wie bei Christopher Dibon im Vorjahr wurde eine Hüftverletzung diagnostiziert, wie Dibon entschied sich auch der „Pfitschi-Pfeil“ für eine Operation in Schwaz. Diese soll gut verlaufen sein, die Hoffnung auf ein „Schobi“-Comeback noch im Spätherbst lebt.

Wie unberechenbar der Heilungsverlauf bei solch einer Verletzung sein kann, zeigt die Entwicklung bei Christopher Dibon. Der verlor auch aufgrund von Rückschlägen in der Reha eine gesamte Saison und kämpft jetzt noch verbissen um den Anschluss.
Zwei weitere Langzeitverletzte wurden bekanntlich durch Knorpelschäden zurückgeworfen. Ob es für Ivan Mocinic wieder für die Belastungen eines Fußballprofis reicht, ist nach wie vor offen. Immer wieder hat der Kroate Rückschläge zu verdauen, auch diese Vorbereitungsphase konnte er nicht mit der Mannschaft absolvieren.

Hartnäckiger als ursprünglich angenommen ist auch die Knorpelverletzung bei Tamas Szanto, wegen der der junge Eigenbauspieler die komplette Vorbereitung verpasste. Und last but not least fällt auch Rückkehrer Paul Gartler wegen eines Kahnbeinbruches noch einige Zeit aus.

Aber es gibt auch positive News für die Rapid-Fans: Eine gegen den HSV erlittene Knieverletzung von Thomas Murg entpuppte sich als nicht so schwerwiegend, der Dribbler mit dem direkten Zug zum Tor soll schon diese Woche wieder ins Training einsteigen. Boli Bolingoli bewegt sich nach Syndesmosebandriss in der Vorsaison und einem Infekt zu Beginn der Vorbereitung wieder auf die einhundert Prozent zu. Und auch bei Andrija Pavlovic lebt die Hoffnung auf ein früheres Debüt als ursprünglich befürchtet.

Prognose und weitere grün-weiße Themen

Sportlich wie auch finanziell wird für Rapid schon der Auftakt in die neue Spielzeit eminent wichtig sein, natürlich auch für die Stimmung im und um den Verein. Djuricin will, dass sein Team auf dem Feld variabel agiert: Ballbesitzphasen, hohes Pressing, schnelles Umschalten – Rapid soll für die Gegner schwerer auszurechnen sein.

Das Erreichen der Europa League Gruppenphase ist für den gesamten Klub von großer Bedeutung. Sportlich hängen die Trauben allerdings hoch, kommt der SK Rapid ins Playoff, dann wird man dort aller Voraussicht nach nicht gesetzt sein, was ein Weiterkommen im Normalfall erheblich erschwert.

In der Meisterschaft visieren die Grünen einen Top-Start an, wollen von Anfang an vorne dabei sein. Die Voraussetzungen dafür stehen auf den ersten Blick nicht schlecht, in Runde eins wartet das Auswärtsspiel bei der neuformierten Admira, die noch in der Findungsphase ist. Danach folgen zwei Heimspiele gegen Altach und Wolfsberg. Am Ende der Saison wäre Platz zwei in der neuen Zwölferliga mit Sicherheit als Erfolg zu werten, alles andere als ein Meister aus Salzburg wäre eine Sensation.
Der ÖFB-Uniqa-Cup bietet in diesem Jahr bekanntlich die Chance, mit insgesamt sechs Siegen fix das Ticket für die Europa-League-Gruppenphase zu buchen. Nach dem Finale 2017 und dem Halbfinale 2018 stellt sich die Frage, ob Rapid 2019 der ganz große Wurf gelingen kann…

Klar ist schon vor Beginn der neuen Zwölferliga: Rapid bleibt im österreichischen Fußball das Maß aller Dinge, was die Zuschauerzahlen betrifft: Mehr als 12.500 Abos sind verkauft! Im Allianz-Stadion wurden weitere Optimierungen vorgenommen, die Heimstätte erlaubt eine Umsetzung des neuen Marketing-Mottos „Hütteldorfer Festspiele“, das auch als Kampfansage gegenüber Ligakrösus Salzburg interpretiert werden kann. Sportlich sind die Roten Bullen in vielerlei Hinsicht über Rapid zu stellen, Platz zwei könnte in dieser Saison aber durchaus als erreichbares Ziel ausgegeben werden. Und dass die Salzburger nicht unschlagbar sind, hat der Triumph von Sturm Graz im ÖFB-Cup-Finale gezeigt. Klar ist dennoch: Für den ersten grün-weißen Titel seit 2008 muss alles zusammenpassen.

Die Professionalisierung im Umfeld der Kampfmannschaft wurde indes weiter vorangetrieben, der Staff vergrößert.
Nach dem Saisonstart könnte die Vertragsverlängerung mit Fredy Bickel vor der Tür stehen. Der Schweizer will die Ziele des Vereins langfristig nach oben schrauben, wird diesbezüglich intern an einem Strang gezogen, wäre alles andere als eine Vertragsverlängerung eine Überraschung.

Doch etwas überraschend kam es aus Rapid-Sicht, dass Präsident Krammer nicht in den Bundesliga-Aufsichtsrat gewählt wurde. Die Beliebtheit bei anderen Vereinen sinkt offenbar, wenn man ihnen ausrichtet, wie man „M a r k e t i n g“ buchstabiert.
Davon unbeeindruckt werden Krammer und Geschäftsführer Peschek das nächste große Entwicklungsthema angehen. Demnächst steht die Entscheidung rund um die neue Akademie an, der dezidierte Wunsch der Rapid-Spitze ist, das Projekt wie geplant im zweiten Bezirk umzusetzen. Nach der Realisierung des neuen Stadions wäre dies ein weiterer wichtiger Baustein für die Zukunft des SK Rapid.

Text: Phillip Lautischer