Taktikanalyse: Diese Probleme muss Austria-Trainer Letsch lösen

Die 1:2-Niederlage der Austria verschärfte nicht nur die Krise der Violetten, sie bedeutete auch das Ende der Ära Thorsten Fink in Wien-Favoriten. Gegen Ernst Baumeisters Admira zeigten sich viele altbekannte Problemstellen, welche Fink nicht in den Griff bekommen konnte. Diese Probleme muss Neo-Austria-Coach Thomas Letsch nun lösen.

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Admira konzentriert sich auf das Pressing

Die Südstädter fokussierten sich erneut das Spiel bei gegnerischem Ballbesitz sowie das Umschalten auf die Offensive. Der Austria wurde liebend gerne der Ball überlassen. Kein schlechtes Konzept, schließlich ist Thorsten Finks Austria bekannt dafür, bevorzugt das Spiel in die eigene Hand zu nehmen, obwohl sie damit immer wieder Probleme hat. Nur beim Unentschieden im Derby hatte die Wiener Austria weniger Ballbesitzanteil als der Gegner. Es ist kein Zufall, dass dies auch die beste Leistung war und den bisher einzigen Punktgewinn im Frühjahr brachte.

Die Admira presste im 4-4-2, die Austria setzte bei Ballbesitz auf die übliche Mischformation aus 4-2-3-1 und 4-1-4-1. Wie immer dabei: Das Abkippen von Raphael Holzhauser. Doch damit beginnt auch das erste Problem. Holzhauser besetzte in der Regel die Position links von Ruan, bildete somit mit dem Brasilianer und mit Madl eine Dreieraufbaureihe. Doch das Abkippen von Holzhauser wurde nicht ordentlich eingebunden, die beiden Innenverteidiger passten ihre Positionierungen nicht an. Dadurch waren die Abstände zu eng und der Aufbau für Merkel und Kaladjzic leicht zu pressen. Eigentlich hätte die Austria im Spielaufbau eine 3vs2-Überzahl gegen die Admiraner gehabt, konnte diese aber nicht ausnutzen. Im Pressing lief einer der beiden Stürmer immer den ballnahen Aufbauspieler an, der andere schob etwas nach hinten, um den Sechserraum um Tarkan Serbest zu schließen. Merkel und Kaladzjic führten ihre Aufgabe sehr gut aus, doch trotz der aufwendigen Wege, die dies bedeutete, konnte die Austria nicht an ihnen vorbeikommen und das Pressing ordentlich überspielen.

Holzhauser dribbelt links an. Dies dauert aber sehr lange, Merkel kann ihn gut unter Druck setzen. Die Admira hat die Seite bereits mit drei Mittelfeldspielern gut zugestellt. Nur Grozurek bleibt weiter auf der anderen Seite, um auf Verlagerungen reagieren zu können. Serbest ist in dieser Situation frei im Sechserraum, kann jedoch nicht angespielt werden.
Holzhauser ist erneut links herausgekippt. Ruan und Madl stehen aber selbst für eine Viererkette zu eng. So ist der Spielaufbau leicht zu pressen.

Problematische Spielerrollen

Konnte die Austria das Pressing gut überspielen, stellte sich die nächste Frage: Wo soll der Ball eigentlich hin? Bei Thorsten Fink sollen die Bälle bevorzugt hinter die gegnerische Abwehr auf die schnellen Offensivspieler gespielt werden. Auch wenn Holzhauser solche Bälle mit einer Präzision spielt, die in Österreich seines gleichen sucht, so ist dies gegen tiefstehende Gegner wie die Admira dennoch sehr schwierig. Es bietet sich schlicht sehr wenig Raum hinter der Abwehr.

Venuto und Pires wären die Zielspieler für solche Bälle. In der Vergangenheit besetzten sie Großteils die Außen und blieben recht konstant breit, dafür rückten die Außenverteidiger mehr ins Zentrum. Dies ist notwendig, da durch das Abkippen von Holzhauser eine Lücke im Zentrum entsteht. Das Zentrum ist jedoch die wichtigste Zone des Spielfeldes und sollte gut kontrolliert werden. Bleiben sowohl die Außenverteidiger als auch die Flügelstürmer auf den Flügeln, so ist das Offensivspiel zu linear und Kombinationen nur sehr schwer möglich. Zudem sind Ballverluste gefährlich, da nicht ausreichend Absicherung für Konter gegeben ist. Doch der Austria fehlt es an Spielern, welche die Halbräume gut besetzen können. Der zu Udinese abgewanderte Larsen füllte seine Rolle als einrückender Außenverteidiger hervorragend aus. Sein Ersatz Florian Klein hingegen ist nicht so vielseitig einsetzbar wie der Däne und ein eher klassischer, linearer Außenverteidiger. Gegen die Admira rückten daher Venuto und Pires meistens in die Halbräume, nur in der zweiten Hälfte wurde sich wieder vermehrt mit den Außenverteidigern abgewechselt. Doch die beiden Brasilianer fühlen sich in den Halbräumen kaum wohl. Speziell Pires ist ein Tempodribbler, der im Halbraum mit dem geringen Platz und der erschwerten Orientierung Probleme hat. Für Venuto gilt dies prinzipiell auch, jedoch mit Abstrichen.

Die bevorzugten Bälle hinter die Abwehr auf Venuto und Pires sind durch deren eingerückte Positionierung schwieriger möglich. Klein und Stangl hingegen kam selten in das Hinterlaufen, um sich für solche Bälle anzubieten. Die erste Alternative zu den langen Bällen wäre es, verstärkt den Zwischenlinienraum zu bespielen. Venuto und Pires sind hierfür nicht ganz geeignet. Prädestiniert dafür wäre eigentlich der junge Prokop, der ein hervorragenden Dribbler für kleine Räume ist. Er musste jedoch auf der Bank Platz nehmen.

Verbindungsprobleme

Ein weiteres Problem, dass es bei der Austria unter Thorsten Fink fast immer gegeben hat, waren die schlechten Verbindungen. Vermutlich nahm Fink dies auch bewusst in Kauf, sein System hatte nämlich auch interessante Vorteile. Hinten soll es mit dem Dreieraufbau um Holzhauser eine stabile Ballzirkulation geben. Davor gibt es ein großes Loch, in welchem sich nur Serbest befindet. Die restlichen Spieler sind sehr hoch, womit die Verteidigungslinie des Gegners überladen wird.  Kein Team möchte in der Verteidigung in Unterzahl sein, wodurch dies meistens Gegenspieler aus dem Mittelfeld mit nach hinten zieht. Der Zwischenlinienraum wird dabei vernachlässigt. Die Austria kontrolliert so das Spiel, hat aber vor allem gegen tiefstehende Gegner Schwierigkeiten bei der Kreation von Torchancen. Das Kombinationsspiel ist durch diese schlechten Verbindungen stark eingeschränkt.

Der Dreieraufbau der Austria mit Serbest alleine davor im Zentrum. Klein steht rechts tiefer als Stangl und ist dadurch besser anspielbar. Doch dem rechten Verteidiger fehlt es an Passoptionen. Kein Sechser ist anspielbar, auch Alhassan und Venuto schaffen es nicht, sich für Klein passend anzubieten.

Im Duell mit der Admira war dies wieder stark merkbar. Serbest blieb alleine vor der Dreieraufbaureihe und war im Zentrum stark auf sich alleine gestellt. Klein blieb rechts meistens tiefer als Stangl auf der anderen Seite und konnte dadurch mehr Bälle anziehen. Doch die Angriffe waren oft zu früh am Flügel  festgefahren, es fehlte an Anbindung in die Halbräume und ins Zentrum. Kippte Holzhauser nicht ab, so wirkten seine Positionierungen eher schlampig und waren selten für das Kombinationsspiel hilfreich. Pires und Venuto hatten wie bereits erwähnt etwas unpassende Spielerrollen, forderten die Bälle dadurch auch nicht so dominant.

Bei frühen Bällen auf die Außenverteidiger ist es wichtig, den Ball wieder Richtung Halbraum oder Zentrum zu bringen, damit der Angriff nicht zu schnell auf einer Seite festgefahren ist. Doch die Optionen für Stangl sind erneut sehr schlecht. Serbest ist viel zu weit weg, Pires will den Ball nicht haben und Holzhauser klebt an der Outlinie. Alhassan schaffte es nicht, für Anbindung im Spiel zu sorgen. Über Holzhauser und Hadzikic kann die Situation noch aufgelöst werden, doch die Admira steht immer sortiert.

Auffällig war auch, dass die Ballzirkulation der Austria nicht ganz so sicher war, wie sie es sein sollte. Zum einen lag dies an der Aufstellung von Hadzikic, der spielerisch ganz stark gegenüber Pentz abfällt und zu viele Bälle ins Out oder zum Gegner spielte. Zudem mangelte es öfters an passenden Rückpassoptionen für den ballführenden Spieler. Die Sechser oder Innenverteidiger hätten sich hier noch verstärkt nach hinten absetzen können, um Situationen aufzulösen und das Spiel zu verlagern.

„Dreiecke bilden“ wird im Fußball immer wieder gefordert. Bei der Austria gab es diese nur selten zu sehen. Venuto und Pires waren oft auf sich alleine gestellt, wurde von der Admira gut unter Druck gesetzt. „Viel Glück, Felipe“, dachten sich hier wohl einige Spieler von Thorsten Finks Team.

Das Pressing der Austria

Während die Entwicklung des Ballbesitzspiels unter Thorsten Fink seit längerer Zeit stagnierte, so gab es immerhin große Verbesserung was das Spiel gegen den Ball betrifft. Das Pressing wurde mit der Zeit immer besser organisiert und Spieler wie Pires, Venuto und Holzhauser steigerten sich in der Defensive. Im Wiener Derby pressten die Veilchen erst ab dem Mittelkreis, ließen Rapid etwas kommen. Daher, und auch durch das hohe Pressing der Hütteldorfer, ergab sich für die schnellen Offensivspieler viel Raum, den sie mehrmals gut nutzen konnten. Doch gegen die Admira wurde ein anderer Ansatz gewählt und das Pressing viel höher und druckvoller ausgelöst.

Die Gestik von Kevin Friesenbichler spricht für sich. Gemeinsam mit Pires lief er verfrüht an, die Admira kann den Raum dahinter nutzen. Die technisch und spielerisch starke Admira konnte das hohe Pressing zu oft umspielen.

Aus dem 4-2-3-1 rückte Alhassan nach vorne und presste als zweiter Stürmer neben Friesenbichler. Das Pressing war zudem recht mannorientiert und die Aufbauspieler der Admira inklusive Tormann Kuttin wurde aggressiv angelaufen. Ziel war es wohl, den Spielaufbau zuzustellen, lange Bälle zu erzwingen und so möglichst schnell wieder in Ballbesitz zu kommen. Dieses Ziel wurde meistens auch erreicht, obwohl das Pressing oft zu wild und unkoordiniert war und so von der Admira mit Einbindung des Tormann überspielt werden konnte. Doch ohnehin wäre eine andere Zielvorstellung womöglich sinnvoller gewesen. Denn ein tieferes Pressing hätte Vorteile für das Umschaltspiel gehabt. Die Admira wäre mehr rausgelockt worden, wodurch sich mehr Platz im Konter ergibt. Zudem können so bessere Balleroberungen forciert werden. Anstatt von vornherein lange Bälle zu erzwingen, hätten Passoptionen bewusst offen gelassen werden können, um dann den Gegner gezielt situativ unter Druck zu setzen. So kann schneller umgeschaltet werden und der Gegner ist vermeintlich unsortierter.

Mit Fortdauer der Partie wurde das Pressing weniger druckvoll, die Admira zeigte sich dann sehr ballsicher und konnte das Ergebnis so auch vermehrt über den eigenen Ballbesitz verwalten. Thorsten Finks Mannschaft ließ zwar nicht allzu viel zu, konnte aber auch kaum Chancen kreieren. Neben dem Tor aus einer Standardsituation gab es noch zwei gefährliche Situationen, wobei ein erneuter Führungstreffer durch Friesenbichler das Spiel wohl entscheidend beeinflussen hätte können.

Dennoch zeigten sich in diesem Spiel viele Probleme der Wiener Austria, welche bereits seit längerer Zeit auffallend sind. Thorsten Fink konnte zwar die Defensive seiner Mannschaft mit der Zeit immer mehr verbessern, scheiterte letztlich aber an den Schwächen im eigenen Ballbesitzspiel. Für den neuen Trainer der Wiener Austria wird es entscheidend sein, die Verbindungsprobleme zu beheben und passendere Rollen für seine Spieler zu finden.

Eine Taktikanalyse von Alex Belinger