Taktikanalyse: Rose findet die richtigen Lösungen gegen Letsch

Das Spiel zwischen dem FC Red Bull Salzburg und dem FK Austria Wien war 45 Minuten lang relativ ausgeglichen. Nachdem beide Teams in der Halbzeitpause umstellten, kippte die Partie jedoch zu Gunsten der „Bullen“, welche einen überlegenen 5:0-Sieg einfuhren (Video-Highlights).

Im dritten Spiel der Wiener Austria unter Neo-Coach Thomas Letsch gab es auch zum dritten Mal eine neue Startformation – mit den beiden Umstellungen im Spiel gegen St. Pölten sogar die fünfte Formation insgesamt. Mit einem 3-4-3 wollte Letsch die Trainerkollegen bei seinem Ex-Klub überraschen. Doch auch Marco Rose entschied sich für einen Formationswechsel, kippte wie schon gegen Rapid das Angriffsdreieck und spielte mit einem 4-3-2-1.

Salzburg kontrolliert Austrias Ballbesitzspiel

Das 3-4-3 der Austria war zwar unerwartet, dennoch schien Red Bull Salzburg perfekt darauf vorbereitet gewesen zu sein. Das 4-3-2-1 diente als gute Pressingformation, die Spieler wussten über die Abläufe genau Bescheid. Gulbrandsen war der erste Pressingspieler, daneben rückte entweder Minamino oder Wolf auf den ballführenden Aufbauspieler heraus. Schon alleine durch dieses Anlaufen konnten die Salzburger immer wieder unkontrollierte lange Bälle der Austria erzwingen. Das Spiel wurde auf die Außenspieler Stangl und Klein gelenkt, welche dann von Yabo bzw. Haidara attackiert wurden, während der Rest der Mannschaft nachschob.

Das 4-3-2-1 Pressing der Salzburg leitete das Spiel der Austria früh auf den Flügel.

Besonders gut funktionierte das Pressing auf die beiden defensiven Mittelfeldspieler der Austria, Serbest und Holzhauser. Über die beiden Sechser war fast gar keine Spielfortsetzung möglich, Rückpässe auf die Verteidiger blieben zumeist ihre einzige Option. Denn wurden Serbest oder Holzhauser angespielt, dann zog sich das Pressingnetz aus den Mittelfeldspielern und Angreifern der Salzburger blitzschnell zusammen. Einer der drei zentralen Mittelfeldspielern rückte heraus, Wolf, Gulbrandsen und Minamino pressten nach hinten. So wurden die beiden defensiven Mittelfeldspieler von bis zu sechs Spielern umzingelt, waren äußerst hohem Druck ausgesetzt. Die Austria probierte auf den Flügel Rauten zu bilden, konnte diese aufgrund des Salzburger Pressings jedoch nicht nutzen. Nur wenige Male konnten Venuto und Pires direkt aus der Verteidigung angespielt werden und sich aufdrehen.

Serbest erhält den Ball und wird sofort von fünf Salzburgern unter Druck gebracht. Gulbrandsen, Wolf und Minamino arbeiteten sehr viel nach hinten, wodurch Serbest und Holzhauser immer von zwei Seiten gepresst wurden.

Austria presst hoch und gut

Allerdings funktionierte in der ersten Spielhälfte auch das Pressing der Wiener Austria. Thomas Letsch ließ seine Mannschaft mutig verteidigen und presste die Salzburger hoch an – wie in der Red-Bull-Philosophie eben üblich. Aus dem 3-4-3 bei eigenem Ballbesitz wurde ein 5-2-1-2. Venuto und Pires bildeten die erste Pressinglinie und fokussierten sich dabei primär auf die Innenverteidiger, dahinter blieb Monschein auf Samassekou. Die Außenverteidiger des Gegners wurden zunächst freigelassen, bei Anspiel aber sofort von Klein und Stangl angelaufen.

Das 5-2-1-2-Pressing der Austria. Im Zentrum steht man kompakt, die Außenverteidiger bleiben frei. Erst als Lainer angespielt wird, läuft ihn Stangl an.

Beide Teams verteidigten gut, hatten jedoch ihre Probleme in Ballbesitz. Die erste Hälfte war dadurch chancenarm und sehr ausgeglichen. Etwas gefährlicher waren dennoch die Salzburger, die durch eine Standardsituation auch die Führung erzielten. Gegen Ende der ersten Halbzeit kam das Team von Marco Rose auch etwas besser mit dem Pressing zurecht. Yabo und Haidara passten ihre Position an, bewegten sich mehr auf dem Flügel und blockierten dadurch das Rausrücken von Stangl und Klein auf die Außenverteidiger.

Umstellungen in der Halbzeit

Thomas Letsch sah sich daher erneut zu einer Formationsumstellung gezwungen. Er brachte Prokop für Ruan und stellte damit, wie schon gegen den WAC, auf ein 4-1-4-1 um. Doch nicht nur die Austria, auch Salzburg kam verändert aus der Kabine. Marco Rose stellt auf die altbekannte Mittelfeldraute um – und hatte damit erneut die richtige Antwort für den Formationswechsel von Letsch.

In der zweiten Halbzeit gab es von Salzburg das gewohnte 4-3-1-2.

Denn mit der Mittelfeldraute konnte Salzburg das Spiel sowohl bei eigenem als auch bei gegnerischem Ballbesitz kontrollieren. Gegen das 4-1-4-1 hatte Salzburg über die Raute gut Zugriff und konnte die Austria mit ihren üblichen Pressingmechanismen dominieren. Das Zentrum wurde kontrolliert, dann aggressiv nach Außen gepresst. Außerdem funktionierten die Abläufe in Ballbesitz besser, es wurde sehenswert kombiniert und die überlegende individuelle Qualität stark ausgespielt. Besonders schön anzusehen war das 4:0, als der Ball großteils mit nur einem oder zwei Kontakten über 23 Stationen gespielt und dann schließlich von Klein entscheidend ins eigene Tor abgefälscht wurde.

Nach Spielende zog Austria-Sportdirektor Franz Wohlfahrt seine Spieler erneut in die Verantwortung und kritisierte diese scharf. Doch nicht nur die Spieler waren Schuld an dieser Niederlage. Das Spiel war lange Zeit ausgeglichen, Rose hatte jedoch die richtigen Antworten auf die Umstellungen von Letsch. In der zweiten Halbzeit zeigte sich schließlich, welch hohe individuelle als auch mannschaftstaktische Qualität Salzburg hat, während die Austria unter ihrem neuen Trainer mit einer neuen Spielidee und den vielen Formationsveränderungen mannschaftlich noch nicht ausreichend gefestigt ist, um gegen so starke Salzburger zu bestehen.

Eine Analyse von Alex Belinger