Taktikanalyse: Sturms Offensive mit Problemen in Wolfsberg

Erneut verlor Heiko Vogel mit Sturm Graz gegen den Wolfsberger AC. Die Grazer hatten im Ballbesitz Probleme, konnten nur durch einen Konter einen Treffer erzielen, bekamen jedoch selber in einer Umschaltsituation das entscheidende Tor um 2:1-Endstand.

Sturm setzte auf das übliche 4-4-2, brachte gegenüber dem Cupspiel am Mittwoch Thomas Schrammel, Christian Schulz, Sandi Lovric und Emeka Eze neu in die Startelf. Andreas Ibertsberger hingegen nahm bei seiner Mannschaft nur eine personelle Veränderung vor, brachte Christoph Rabitsch an Stelle von Majeed Ashimeru, veränderte dafür das System von einem 4-4-2 auf ein 4-1-4-1.

Die Ausgangslage war schnell klar. Wolfsberg fokussierte die Defensive und beschränkte sich als Außenseiter auf das Konterspiel. Sturm hatte somit weitaus mehr Ballbesitz und musste das Spiel selbst gestalten. Doch damit hatten die Grazer über die ganzen 90 Minuten ihre Probleme.

Die Wolfsberger spielten ein Mittelfeldpressing im 4-1-4-1, pressten nur situativ höher in der gegnerischen Hälfte. Generell ließen sie sich jedoch kaum rauslocken und wählten die Situationen für ein Offensivpressing passend. Sturm formte das 4-4-2 in Ballbesitz über unterschiedliche Rollen der Außenspieler zu einem 3-5-2 um. Koch blieb tief und bildete mit Spendlhofer und Schulz eine Dreierkette im Spielaufbau. Im Mittelfeld rückte Jantscher Richtung Zentrum, Röcher auf der anderen Seite besetzte konstant den Flügel.

Die Formation von Sturm war nur im Pressing wirklich ein 4-4-2.

Durch die Dreierkette im Spielaufbau hatte Sturm eine klare Überzahl gegen den einzigen Stürmer der Wolfsberger, Dever Orgill. Speziell Koch und Schulz hatten dadurch recht viel Zeit und Raum zur Verfügung, fanden jedoch kaum Anspielstationen im Mittelfeld. Dort zeigten sich Zulj, Lovric und Jantscher sehr variabel in ihren Positionierungen, allerdings konnte diese durch ihre viele Bewegung nur selten in passenden Situationen angespielt werden.

Da Zulj und Jantscher eher wenig Zuspiele bekamen, ließen sie sich häufig zurückfallen, um sich direkt vor oder neben der Dreierketten den Ball abzuholen. Das führte zu einer noch höheren Überzahl im Spielaufbau und zu weniger Passoptionen nach vorne, wodurch der Ballbesitz von Sturm nur selten in gefährlichen Zonen war. Das Mittelfeld des WAC konnte nur dann überspielt werden, wenn Zulj nach seinem Zurückfallen schnell wieder aufrückte und so schwierig für die Gegenspieler zu greifen war.

Die Dreierkette von Sturm hat viel Raum zur Verfügung. Jantscher lässt sich zusätzlich zurückfallen.

Durch die Bewegungen von Deni Alar, welcher viel in das Mittelfeld ging, war das Zentrum nicht ideal, aber dennoch nicht schlecht besetzt. Sturm hätte das Kombinationsspiel in den zentralen Räumen noch mehr fokussieren können, was auch für Platz auf den Flügeln gesorgt hätte. Bei Kombinationen im Zentrum zieht sich die Defensive zusammen, wodurch auch außen für Röcher und Schrammel Räume entstanden wäre.

Die Grazer spielten jedoch zu sehr in die Breite, was der WAC mit seinem Fünfer-Mittelfeld ganz gut verteidigte. Röcher kam dadurch sehr selten in Situationen, in denen er seine Stärke im Dribbling zeigen konnte. Er und Schrammel hatten als einzige Flügelspieler bei Sturm eine schwierige Aufgabe gegen jeweils zwei Außenspieler bei Wolfsberg. Dass der einzige Treffer von Sturm aus einem Konter entstand, war bezeichnend für das Spiel und die Probleme im Ballbesitzspiel.

Röcher kommt am rechten Flügel an den Ball, ist jedoch sehr tief positioniert und hat sowohl Ouedraogo als auch Wernitznig nahe bei sich. Dadurch konnte er wenig Gefahr erzeugen.

Nachdem Ouedraogo kurz vor der Halbzeitpause ausglich, wurden die Wolfsberger mutiger und pressten etwas höher und druckvoller, stellten den Spielaufbau vermehrt zu mit Jovanovic, der dann auf einer Höhe mit Orgill agierte. In der zweiten Spielhälfte hatte Sturm dadurch etwas weniger Kontrolle in Ballbesitz. Die Wolfsberger stellten die Innenverteidiger des Gegners vermehrt zu, Sturm griff dadurch früh zu langen Bällen anstatt spielerische Lösungen zu forcieren.

Das Offensivspiel wurde noch etwas schwächer und die Ballbesitzphasen weitaus kürzer als noch in der ersten Spielhälfte. Dafür hatten die Wolfsberger etwas mehr Spielanteile konnten den Ball gegen das 4-4-2 von Sturm nun besser in den eigenen Reihen halten. Defensiv ließen die Wolfsberger fast nichts zu, wodurch es nach dem Fehler von Schulz beim 2:1 blieb.

Damit holte der WAC auch seinen zweiten Sieg im Frühjahr gegen Sturm. Dabei zeigte sich erneut, dass das Ballbesitzspiel von Heiko Vogel noch ausbaufähig ist. Schon in der vergangenen Runde gegen Mattersburg war Sturm über Konter gefährlicher als über das Ballbesitzspiel und auch in Wolfsberg wurde der einzige Treffer durch einen schnellen Gegenstoß erzielt. In Ballbesitz wurde die Überzahl im Aufbau nicht gut genutzt, das Mittelfeld nicht optimal besetzt und zu sehr das Spiel über die Flügel forciert.

Text: Alexander Belinger