Thiem glaubt nicht an Heim-Komplex, aber an anderes „Schema“

Dominic Thiem muss auch nach seinem 15. ATP-Tour-Event auf heimischem Boden weiter auf den ersehnten Titel vor seinen österreichischen Fans warten. Für den 24-jährigen Niederösterreicher, der wegen einer leichten Sehnenreizung in der rechten Schulter als Vorsichtsmaßnahme auf ein weiteres Antreten im Doppelbewerb von Kitzbühel verzichtete, kam wie 2016 schon nach dem ersten Match das Aus.

Auf der Suche nach den Ursachen drängt sich vordergründig auf, dass sich Thiem generell seit einiger Zeit in Österreich schwertut: In Wien ist er 2014 und 2015 jeweils in Runde eins und in den vergangenen beiden Jahren auch schon in Runde zwei ausgeschieden, in Kitzbühel ist seit dem Semifinale 2015 die Bilanz ebenfalls mager: 2016 Zweitrunden-Aus gegen Jürgen Melzer nach einem Freilos und nach einer „Kitz-Pause“ im Vorjahr nun die Dreisatz-Niederlage gegen Martin Klizan – allerdings nach einem über weite Strecken hochklassigen Match.

„Ja, Wien war die letzten zwei Jahre wirklich richtig schlecht. Aber hier war es (gegen Klizan, Anm.) definitiv nicht schlecht. Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass es in Österreich war“, glaubt Thiem nicht an einen Heim-Komplex. Dennoch lastet gerade in Kitzbühel und Wien schon großer Druck auf ihm: Am Mittwoch war das Stadion beim Generali Open mit knapp 6.000 Zuschauern gesteckt voll. Auch er selbst erwartet von sich mittlerweile bei jedem Turnier dieser Kategorie den Titel. Und schließlich ist Thiem dieses Jahr erstmals im French-Open-Finale gestanden.

Hohe Erwartungshaltung an sich selbst

Dass die hohe Erwartungshaltung an sich selbst eine Rolle spielt, hält Vater Wolfgang Thiem gegenüber dem ORF für „wahrscheinlich. Er will natürlich unbedingt gewinnen, wenn er vor eigenem Publikum spielt. Aber das ist eine Herausforderung, die ein Sportler annehmen muss und der muss er sich stellen.“

Thiem bestand in der Analyse aber eher auf einem anderen „Schema“ – Thiem hat mittlerweile ein wenig den Ruf eines Spätstarters, eines Spielers, der sich erst in ein Turnier reinspielen muss. Und das hat er gleich mit mehreren Top-Ten-Spielern gemeinsam – Alexander Zverev oder Grigor Dimitrow, um nur zwei zu nennen. Und gerade wenn diese Stars die ersten engen Runden überstehen, oft sogar nach Abwehr von Matchbällen, holen sie später die Titel.

„Oft solche Matches dabei“

„Es sind oft solche Matches dabei, das ganze Jahr. Wenn ich Madrid hernehme, was im Rückblick alle als Superturnier einstufen, ich selbst auch: da kann ich easy in der ersten Runde rausgehen, leicht in der zweiten Runde rausgehen“, erinnerte Thiem an den Finaleinzug in der spanischen Haupstadt. Nach zwei sehr knappen Drei-Satz-Siegen über Federico Delbonis und Borna Coric fegte er im Viertelfinale den Weltranglisten-Ersten Rafael Nadal mit 7:5,6:3 vom Platz und verlor erst im Endspiel gegen Zverev.

„Und in Lyon war es genau das gleiche. Das Turnier habe ich schon ein paar Mal verloren gehabt, bevor ich es dann am Schluss gewonnen habe.“ Ähnlich, aber mit anderem Ausgang sei es eben in Kitzbühel gewesen: „Es war keine schlechte Leistung, aber ich habe halt den Sieg nicht geholt. Das ist es, was zählt, in so einer Partie.“

Thiem hat Lösungsansätze

Wie er dieses Problem lösen kann? „Ich muss mein generelles Spiel verbessern. Die Leute, die ihre Gegner von der ersten Runde an wegspielen, das sind zur Zeit vielleicht einer oder zwei“, bezog sich Thiem auf die absoluten Topstars wie Nadal oder Roger Federer. „Es waren vor ein paar Jahren einmal vier. Ich würde mich jetzt in die Kategorie darunter einreihen, dass ich halt mit starken Gegnern teilweise in der ersten Runde raufe. Das Ziel muss einfach sein, alles zu verbessern, dass ich diese Partien halt neun von zehn Mal gewinne.“

Fakt ist, dass es auch gilt, ein anderes „Schema“ zu durchbrechen, man könnte auch von gewissen, sich manifestierenden Negativserien sprechen. Die schwächere zweite Saisonhälfte in den vergangenen Jahren, aus welchen Gründen auch immer, und immer noch auf hohem Niveau, gilt es aus dem Kopf zu kriegen. Wobei sich dies für einen Mann, der sich seit über zwei Jahren immer in den Top Ten aufhält, vielleicht zu negativ anhört. Doch will Thiem noch weiter nach oben, muss er auch diese durchbrechen.

Sowohl beim ATP-500-Event in Hamburg in der Vorwoche, als auch in der Gamsstadt war Thiem mit dem Ziel Titel angetreten. In Deutschland kam das Aus nach zwei Siegen im Viertelfinale, in Kitz gleich im ersten Match. „Klar habe ich mir die zwei Turniere anders vorgestellt. Ich kann mich jetzt wieder in den Satz verflüchten, dass das Schöne am Tennis ist, selbst nach so einem bitteren Tag: Wenn ich nächste oder übernächste Woche gute spiele, dann ist das relativ schnell wieder vergessen.“

Nächsten Chancen folgen

Seine nächsten Chancen erhält Thiem nun bei den Übersee-Turnieren, hochwertigen 1000er-Turnieren in Toronto und Cincinnati. Auch dort sollte er nicht unbedingt in die Vergangenheit blicken: Bei den jährlich den Schauplatz wechselnden Canadian Open hat er nun vier Jahre in Folge jeweils sein erstes Match verloren. In Cincinnati lief es Thiem mit zuletzt zwei Viertelfinali aber schon besser.

Im Kampf um seine dritte Qualifikation für das ATP-World-Tour-Finale in London, – Thiem ist aktuell Sechster im Race -, spielt natürlich auch das letztes Grand-Slam-Turnier des Jahres eine große Rolle. Bei den am 27. August beginnenden US Open stand Thiem bei vier Anläufen zuletzt dreimal im Achtelfinale.

Beitragsbild: GEPA

(APA)