Thiem-Manager Straka warnt vor „Übersicherheit“

Herwig Straka ist nicht nur der Manager von Tennis-Star Dominic Thiem und Turnierveranstalter u.a. des Erste Bank Open. Der Steirer sitzt im mächtigen ATP-Board. Im Interview mit der APA – Austria Presse Agentur in Wien spricht er über die schwierige Planung in Zeiten der Coronakrise, den Ablauf der Corona-Tests in New York, seinen Schützling Thiem und sein Wiener Turnier im Oktober.

APA: Die ATP-Tour ist wegen der Coronakrise monatelang stillgestanden. Stimmt der Eindruck, dass hinter den Kulissen so viel los war wie nie zuvor?

Herwig Straka: „Es ist eine sehr große Herausforderung für das Board gewesen. Wir haben sicher dreimal die Woche längere Telefonate und Videocalls, weil sich die Situation ständig ändert. Ich weiß nicht wie viele Kalender, Deadlines und Pläne wir schon über Bord geworfen haben. Die Situation ist eben abhängig von den Entwicklungen in den einzelnen Ländern und Kontinenten. Jetzt sieht es relativ stabil aus. Wir hatten vor langer Zeit den fixen Willen der US Open, dass sie unbedingt stattfinden wollen. Das haben sie auch durchgezogen, und das hat es für uns leichter gemacht, den Rest des Jahres zu planen. Es wird ein einigermaßen geregelter Turnierablauf in Europa stattfinden. Es gibt noch ein paar Slots, die sich mit Turnieren füllen können, das betrifft die Zeit nach den French Open und vor Wien. Eventuell auch noch während Wien. Die Idee ist, mehr Turniere anzubieten, weil es sonst ein unfairer Wettbewerb ist, wenn immer nur die besten 32 Spieler spielen können und die anderen nicht.“

War es schwierig die Spieler zu überzeugen, zu den US Open anzureisen?

„Ein Nadal ist ein Spieler, der schon sehr viel gewonnen hat. Für das überwiegende Gros der Spieler ist es schon so, dass ein Turnier zu spielen noch immer nicht nur ihr Beruf ist, sondern dafür leben sie. Das ist die Hauptmotivation, auch wenn es extreme Einschränkungen gibt wie jetzt in New York. Ein Grand Slam oder ein 1000er zu gewinnen, steht schon noch ganz oben auf der Liste. Natürlich spielen Punkte und finanzielle Überlegungen auch eine Rolle.“

Als Thiem-Manager befragt: War die Entscheidung zur US-Reise auch ein Kalkül, weil Thiem vergangenes Jahr in Cincinnati krank war und in New York gleich ausgeschieden ist?

„Ich glaube nicht. Das ist eventuell beim Rafa ein Kalkül, aber ansonsten: es geht um einen Grand-Slam-Sieg. Ich teile nicht ganz die Meinung, dass es jetzt leichter ist, weil vielleicht ein oder zwei nicht dabei sind. Es ist wie beim Skirennen: Wenn im ersten Durchgang einer ausscheidet, ist der Sieg nicht weniger wert, man ist trotzdem Olympiasieger oder Weltmeister.“

Und im Gegensatz dazu werden die gesundheitspolitischen Maßnahmen besonders herausfordernd sein…

„Genau. Es wird die große Herausforderung sein, wie spielst du einen fünften Satz, wenn keiner im Publikum sitzt? Normalerweise ist eine gute Stimmung im Stadion schon beflügelnd.“

Wie ist der genaue Ablauf in New York, auch was Coronatests betrifft?

„Es gibt immer wiederkehrende Tests. Bevor man überhaupt die Anlage betreten darf, muss einmal getestet werden. Da muss man im Hotel mehr oder weniger in Kurz-Quarantäne auf das Ergebnis warten. Wenn der Test negativ ist, ist er frei fürs Turnier und wird alle drei Tage wieder getestet. Wenn sie dann verloren haben, müssen die Spieler, bevor sie ausreisen, wieder einen Test machen, damit sie in Italien, Österreich oder anderen Ländern einreisen dürfen.“

Die ATP musste also vorab klären, dass die Spieler ohne langen Quarantänen in die Länder der nächsten Turniere einreisen dürfen?

„Ja, das war der Job des Managements und Boards, dass wir gewährleisten, dass all die Länder, in denen Turniere nach den US Open stattfinden, innerhalb des Zeitraums von zwei Wochen Einreisemöglichkeiten gewährleisten. Es hat sich noch einmal verzögert, weil wir mit Madrid diese Lösung hatten. Mit der spanischen Regierung war alles klar, als sie ihr Turnier aber abgesagt hatten, mussten wir das Ganze auf die italienische Regierung ummünzen, und das hat dann länger gedauert.“

Kitzbühel findet in der zweiten US-Open-Woche statt: Muss der Thiem-Fan nicht eigentlich darauf hoffen, dass Thiem seinen Kitz-Titel nicht verteidigen kann, weil er in New York sehr weit gekommen ist?

„Man nimmt es, wie es kommt. Er kann eigentlich nur gewinnen. Sollte er früh ausscheiden, kann er immerhin seinen Kitzbühel-Titel verteidigen.“

Spielt Thiem nicht in Kitzbühel, könnte man ihn 2020 nur noch in Wien sehen. Die Fallzahlen steigen auch in Österreich wieder. Wie kann denn das Hallenturnier in Wien in Corona-Zeiten funktionieren?

„Das Thema, dass mehr Leute in den Herbst hinein pro Tag infiziert werden, war allen bekannt. Ich glaube nach wie vor, dass es im Rahmen ist. Daher gehen wir auch weiter davon aus, dass die Zahlen, die kommuniziert sind, nämlich 5.000 Kapazität in einer Halle, halten. Wir brauchen ausreichend Frischluft in der Stadthalle und das ist dort gegeben, die fehlende Klimaanlage ist in diesem Fall sogar ein Vorteil. Wir haben schon Konzepte entwickelt, wie die Zuschauer getrennt in einzelne Sektoren rein- und rausgehen. Es gibt auch ein Konzept, dazu ist es aber noch zu früh, wo sich jeder Zuschauer selbst einem Test unterzieht. Das Virus wird nicht verschwinden. Es ist schon eine Vision, alle Leute, die reingehen sind getestet und corona-negativ.“

Die Zuschauerrekordzahlen der vergangenen Jahre sind natürlich Utopie.

„Das Herz blutet natürlich, wenn man die letzte zwei, drei Jahre Aufbauarbeit sieht. Dann blutet das Herz noch einmal, wenn man weiß, dass man das wahrscheinlich bestbesetzte Turnier ever haben wird (das Parallelturnier Basel wurde abgesagt, Anm.), und es hilft nichts, was die Zuschauer betrifft. Damit muss man leben. Finanziell ist es so: wir wissen, dass wir heuer rote Zahlen schreiben werden. Uns ist aber wichtig, dass die Geschichte am Leben bleibt.“

Werden wir nun einen noch stärkeren Thiem sehen?

Straka: „Wie ich sehe, hat er schon an Confidence gewonnen – auch, weil er bei den Exhibitions unglaublich gespielt hat. Man hat gesehen, dass er ganz vorne steht. Ich hoffe, dass es nicht in eine Übersicherheit ausartet. Er hat super trainiert und sich in den Monaten menschlich weiterentwickelt. Er steht noch mehr auf eigenen Beinen.“

Kann er sowohl bei den US Open, als auch bei den French Open trotz der Termindichte weit kommen?

„Die Frage ist die kurze Zeit. Wenn er in den beiden Turnieren in Amerika weit kommt, ist das schon eine Herausforderung für seine mentale Situation. Es war schon immer so, dass er, nachdem er bei einem Grand Slam weit gekommen ist, einmal ein, zwei Wochen gebraucht hat, um wieder auf normaler Temperatur zu sein. Andererseits haben jetzt alle wenig bis gar nicht gespielt. Insofern wird diese Erholungszeit wesentlich verkürzt werden. Zuzutrauen ist ihm bei beiden Grand Slams, dass er weit kommt. Jetzt hoffen wir einmal, dass er bei den US Open weit kommt.“

(APA)

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