Vienna Capitals beklagen Wilderei am Spielermarkt

Mit Erstaunen verfolgen die Vienna Capitals die sich schneller drehende Gehaltsspirale in der ICE-Liga. Insbesondere das finanzstarke Red-Bull-Imperium fällt fünf Jahre nach dem letzten Salzburger Meistertitel mit einer Transferpolitik auf, die in Wien auf wenig Gegenliebe stößt. Die Caps sind unmittelbar betroffen. Ty Loney, Ali Wukovits und Benjamin Nissner dürften künftig im „Bullen“-Trikot auflaufen.

Wien-Manager Franz Kalla sieht derzeit Hagel an vielen Fronten. Das aggressive Vorgehen der Salzburger am Transfermarkt sei „destruktiv und zerstört die Balance der Liga“, die Shoppingtour der zuletzt schwer gebeutelten Villacher kann er nicht nachvollziehen und den Eishockeyverband nimmt er auch gleich in die Pflicht: „Der ÖEHV wird von uns seit Jahren aufgefordert, endlich Ausbildungsentschädigungsreformen zu machen, um – analog zur Schweiz – Vereine zu belohnen, die Nachwuchsarbeit machen.“ Allein, es passiere nichts.

Kallas wohl schon länger brodelnde Unzufriedenheit wurde in den vergangenen Wochen verstärkt durch Tiefschläge am Verhandlungstisch. Wukovits (24), Eigenbauspieler und zum Aushängeschild des „Wiener Weges“ aufgestiegen, quittierte das Angebot zur Vertragsverlängerung nur mit einem milden Lächeln. Salzburg lockt den Teamspieler mit der dreifachen Summe seines derzeitigen Gehalts, sagt Kalla. Und Wukovits ist kein Einzelfall. Auch Nissner dürften die Wiener noch an Salzburg verlieren. Offiziell von Salzburg bestätigt ist bereits der Transfer von Scharfschütze Loney (37 Tore).

Das Gentlemen’s Agreement, wonach vor allem heimische Schlüsselkräfte nicht abgeworben werden, ist offenbar Geschichte. Salzburg scheint an einem Dreamteam zu basteln. Auch um KAC-Kapitän Manuel Ganahl und Lukas Haudum ranken sich Gerüchte. Der Meister bestätigte – ohne Namen zu nennen – Begehrlichkeiten seitens „der Red-Bull-Eishockeyabteilung“, die bekanntlich auch den Standort München umfasst, und betonte: „Wir konnten alle Spieler halten.“

Salzburgs Taktik im Fokus der Kritik

Die Capitals beklagen zudem eine Taktik, die Österreichs Fußball-Seriensieger Salzburg beizeiten vorgeworfen wird: Die Schwächung der Konkurrenz durch das vorzeitige Abwerben der größten Talente. „Im Nachwuchs wird gewildert und oben wird gewildert. Mit absolut überzogenen Gehältern, was insgesamt negativ auswirkend ist“, sagt Kalla über die derzeitige Situation, wohlgemerkt im Eishockey.

Dies sei gerade in Coronazeiten noch kritischer zu sehen. Die Budgets werden derzeit – notgedrungen durch die Pandemie – im Nebel erstellt. Der Zeitpunkt der Rückkehr der Zuschauer in die Stadien ist so wenig abschätzbar wie die zu befürchtenden Einschnitte der Sponsoren. Auch ob der überlebenswichtige Sportligen-Fonds der Bundesregierung fortgeführt wird, ist laut Kalla nicht bekannt. Kurzum: „Kein Mensch kennt die Rahmenbedingungen.“

Dass ausgerechnet Villach um namhafte Spieler wie Brian Lebler buhlt und andere abwirbt, lässt Kalla rätseln. „Man kann sich nur noch wundern. Das ist ein Verein, der in jeder Sitzung jammert, dass er kein Geld hat. Und der jetzt auf lustig Spieler abwirbt.“ Um sicherzustellen, dass sich die Vereine ihre Ausgaben auch leisten können, will er bei der Liga einen Antrag zur Einführung eines ordentlichen Lizenzierungsverfahrens stellen. „Es ist völlig unüblich, dass es kein Lizenzierungsverfahren in einer Profiliga wie der unsrigen gibt“, sagt Kalla, der seit heuer auch Vizepräsident der Liga ist.

Seinen österreichischen Weg mit so wenigen Imports wie möglich wird der Halbfinalist der Vorsaison indes weitergehen. Konkurrenzfähigkeit sei man den Sponsoren und Fans aber schuldig, betonte Kalla. „Wir werden sicher keine Mannschaft stellen, die nur um den Play-off-Einzug spielt. Aber wir werden sicher nicht mit 12 Imports spielen.“ Panik-Käufe am Legionärssektor schloss er aus. „Es gibt keinen Druck. Der Markt ist übervoll.“

(APA)

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