Woods-Comeback bringt Elektrizität in 86. Masters-Auflage

Ein Golf-Major zieht schon grundsätzlich viel Aufmerksamkeit auf sich. Wenn es aber mit einem zu erwartenden Comeback von Tiger Woods einhergeht, wird es zum Fest. Die Euphorie rund um das am Donnerstag in Augusta beginnende 86. Masters wird auch dadurch befeuert, dass es in der Anzahl der Zuschauer im Gegensatz zu den vergangenen beiden Austragungen keine Zuschauer-Beschränkungen mehr gibt. Als Titelverteidiger tritt der Japaner Hideki Matsuyama an, aber nicht als Favorit.

Ein solcher ist u.a. Jon Rahm, seines Zeichens Weltranglistenzweiter. Der Spanier spürt freilich, dass nicht er schon weit vor dem ersten Abschlag nicht im Mittelpunkt steht. „Man kann es fühlen, es dreht sich viel um Tiger“, sagte der 27-Jährige. Rahm erzählte von einer Montag-Trainingsrunde von sich mit Tony Finau, die Aufmerksamkeit der Fans habe sich aber ganz auf die fünf Löcher dahinter spielende Crew mit Woods konzentriert. Rahm: „Es ist sehr viel mehr Elektrizität in der Luft, der Montag hat sich wie ein Samstag während des Turniers angefühlt.“

Am Dienstag hatte Woods selbst so gut wie alle der letzten Zweifel ausgeräumt, als er erklärte, 14 Monate nach seinem Autounfall mit mehreren schweren Beinbrüchen für das Masters-Antreten bereit zu ein. Noch vor dem „grünen Licht“ hatte Justin Thomas auf der Trainingsrunde mit Woods einen Eindruck von der Stimmung gewonnen. „Es war unglaublich. Es waren wahrscheinlich mehr Leute als ich es jemals auf einer Runde im Augusta National gesehen habe. Und die sind nicht gekommen, um mich zu sehen“, meinte Woods‘ Landsmann, immerhin Weltranglisten-Siebenter.

Als zusätzlicher Anheizer diente Woods‘ Einschätzung, dass er sich für den Gewinn seines sechsten „Green Jacket“ fähig fühle. Die Konkurrenz traut sich da nicht dagegen zu wetten. „Ich wäre nicht überrascht“, meldete sich etwa Rory McIlroy zu Wort. „Er schlägt und chippt sehr gut, er ist scharf.“ Der Nordire selbst hat immerhin die Chance, mit seinem eigenen Masters-Triumph seinen Karriere-Grand-Slam bei den vier Majors zu komplettieren, das steht aber nur für ihn selbst im Mittelpunkt: „Es geht nur darum, ob er (Woods, Anm.) es physisch schafft, die 72 Löcher zu spielen.“

46-Jähriger bricht in Jagd nach Rekord-Sieg mit Prinzipien

Es gibt aber auch Zweifler an der Konkurrenzfähigkeit von Woods. Nach seiner Verletzungsmisere – er musste sich zahlreichen Rücken-und Knieoperationen unterziehen – verzichtete Woods auf jegliche Turnierteilnahmen, wenn er seiner Sache nicht ganz sicher war. Er wollte immer körperlich, mental und mit seiner Technik auf dem höchsten Stand sein. Nun bricht er offensichtlich mit diesen Prinzipien. Er springt ins kalte Wasser. Ein Ende nach zwei Runden könnte ihm daher durchaus ereilen.

Sicher ist aber, dass Woods in den ersten zwei Runden alles Interesse der Golfwelt auf sich ziehen wird. Scott Van Pelt, renommierter Kommentator bei ESPN, sagte, worauf man sich in Augusta gefasst machen muss: „Er spielt nicht einfach ein Turnier. Tiger Woods spielt das Masters Tournament nach all dem, was er zuletzt erlebt hat. Ich sagte ein paar andern Spielern zum Spass: Wenn Tiger spielt, könnt ihr Burschen nackt spielen, und niemand wird es merken.“

Woods‘ bisher letztes PGA-Turnier war das 2020 wegen Corona in den November verlegte Masters, noch vor der Pandemie hatte der heute 46-Jährige 2019 bei seinem 22. Antreten in Augusta ein viel bejubeltes Sieg-Comeback auf Major-Ebene gefeiert. Elf Jahre lang hatte er davor keines der vier großen Turniere gewonnen. Es war sein 15. der vier großen Titel. Golf-Größe Jack Nicklaus äußerte sich zuversichtlich, dass diese Woche der 16. Streich folgen könnte. „Tiger kennt diesen Kurs wie seinen Handrücken. Wenn es sein Körper aushält, kann er es wieder machen.“

Nicklaus ist mit im Zeitraum 1963 bis 1986 errungenen sechs Titelgewinnen Masters-Rekordsieger, Woods könnte als gleichziehen. Vor 2019 hatte Tiger 1997, 2001, 2002 und 2005 triumphiert. Das Doppel Anfang des Jahrtausends war das letzte Mal, dass ein Golfer einen Masters-Erfolg im Jahr darauf wiederholt hat.

Wenn nicht Woods, dann könnte es den allgemeinen Einschätzungen zufolge außer Rahm auch einer seiner Landsleute Brooks Koepka, Jordan Spieth, Dustin Johnson, Thomas oder der Weltranglistenerste Scottie Scheffer schaffen. Der ist aber noch ohne Top-drei-Ergebnis bei den Majors. Auch Colin Morikawa hat schon Major-Siege in der Tasche. Ein heißer Tipp aus dem erweiterten Kreis ist der Vierte der Weltrangliste, der Norweger Viktor Hovland. Die meisten anderen wären schon mit einem Top-Ten-Ergebnis überglücklich, so wie er Austro-Amerikaner Sepp Straka.

(APA)/Bild: Imago