Zum NACHSEHEN: „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“ mit Sandro Platzgummer

In der zweiten Ausgabe „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“ trifft Kimberly Budinsky Österreich großes Football-Versprechen: Sandro Platzgummer.

Der Tiroler hat kürzlich seinen Vertrag bei den NY Giants verlängert. Der hochtalentierte Runningback verfolgt seinen großen Traum, in der Sommervorbereitung einen Kaderplatz in der NFL bei dem viermaligen Super-Bowl-Champion zu erobern. Platzgummer spricht über seinen untypischen Karriereweg, das Leben in den USA sowie seine sportlichen Ziele.

Alle Stimmen zu „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“Sandro Platzgummer (NFL-Runningback New York Giants):…über die Faszination Football: „Als ich sechs Jahre alt war, habe ich diese Faszination für mich entdeckt. Ich war immer ein sehr aktives Kind, habe immer Bälle herumgeworfen und Kinder gejagt. Letztendlich bin ich dann über Fußball und Gymnastik durch den Nachbarn meiner Oma draufgekommen, dass es Football gibt und dass Football ein Sport ist, wo man so viele unterschiedliche Sachen machen kann.“…weiter zur Faszination Football: „Diese Kombination hat mir immer so gut gefallen und es war auch ein Sport, wo man legal Kinder hat tackeln dürfen. Das war vor allem im jungen Alter immer die Motivation und jetzt kommt die ganze taktische Seite hinzu. Es gehört beim Football einfach so viel dazu – werfen, fangen, Ballübergabe, blocken. Und man sieht beim Football auch die komplett verschiedenen Körpertypen – groß, klein, flink, träge, schwer, leicht – alles Mögliche ist dabei. Das macht diese Faszination für mich aus.“…angesprochen auf seinen Weg in die NFL: „Der eigentlich einzig anerkannte Weg in die NFL geht über die Highschool und dann über ein College. Den Schritt den ich jetzt gemacht habe (Anm. über das sog. International Pathway Program), der ist eigentlich weniger anerkannt und daher bin ich auch immer ein bisschen unterbewertet. Die Leute denken oft, dass ich gar nicht Football gespielt habe, weil ich nicht am College gespielt habe.“…auf die Frage, warum er nicht den normalen Weg genommen hat, obwohl er die Chance dazu hatte: „Weil es ein riesiges Risiko gewesen wäre. Ich wollte Medizin studieren und in den USA kann man eigentlich nicht Medizin studieren und Football spielen. Ich hätte sicher Angebote von Colleges bekommen, aber dazu hätte ich ein Jahr auf eine Highschool gehen müssen und danach vier oder fünf Jahre auf ein College. Wenn es dann nicht mit der NFL geklappt hätte, dann wäre ich wieder mit Mitte 20 zurück nach Österreich gekommen und hätte effektiv kein Geld verdient. Dieses Risiko war es für mich nicht wert, vor allem als weißer Österreicher auf meiner Position und Österreicher generell im Football.“…weiter zu seinem Weg in die NFL über das International Pathway Program: „Ich habe zuerst ein paar Anrufe bekommen, wurde dann nach Köln zu einem Sichtungstraining eingeladen und habe dort gut aufgezeigt. Dann bin ich weiter nach Florida eingeladen worden und habe dann das Glück gehabt, dass ich als einer von vier Leuten außerhalb der USA und Kanada ausgewählt worden bin und letztendlich waren die New York Giants das Team, das mich aufgenommen hat.“…über den Moment, als er den Anruf mit der Zusage der New York Giants bekommen hat: „Es war nicht unbedingt überraschend, weil man sieht ja die Konkurrenten, wo ich nach und nach gesehen habe, dass ich mithalten kann, ihnen die Stirn bieten kann und alles nur Menschen sind. Nicht wie ich immer als Kind geglaubt habe, dass NFL-Spieler Roboter sind. Daher hat mich in dem Moment der Anruf auch nicht so überrascht. Es hat sich einfach über die letzten Monate davor schon aufgebaut, dass das wahrscheinlich passieren wird und es war dann auch in dem Moment die Bestätigung.“…über seine bisherige Zeit als Spieler der Practice Squad bei den New York Giants: „Es ist sehr gut. Ich fühle mich als der Newcomer, der ins Team will. Die Starspieler sind natürlich ein bisschen zu hoch, aber es ist in den USA einfach so, dass man mit einem nicht so viel abhängen will, der es nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit ins Team schafft, weil der ist oft auch gleich wieder weg. Ich hatte viele Teamkollegen, mit denen war ich einmal Frühstücken und am nächsten Tag waren sie wieder weg. Das ist eine Tatsache, die jeder dort kennt. Es bringt nichts, eine Freundschaft mit einem aufzubauen, der am nächsten Tag mit einer 50:50-Chance wieder weg ist.“…auf die Frage, wie er es jetzt in den Hauptkader, der auch an den Spielen in der NFL teilnimmt, schaffen will: „Im Grunde will ich einfach die Erfahrung der letzten zwei Jahre mitnehmen und auch dieses Selbstvertrauen, das ich aufgebaut habe.“…über seine Chancen auf einen Kaderplatz: „Diese Frage bekomme ich fast täglich, aber es gibt nicht wirklich eine Antwort darauf. Ich kann es selbst nicht wirklich einschätzen. Ich weiß, dass ich mehr kann, als die meisten drüben von mir erwarten, aber ob es dann reicht, kann ich schwer sagen.“…angesprochen auf sein bisheriges Highlight: „Auf jeden Fall der Run von der eigenen 1-Yard Linie. Im Prinzip eine sehr schwierige Position, weil wenn ich für -1 Yard oder mehr getackelt werde, dann ist es ein Safety, dh die Gegner bekommen Punkte und man muss den Ball abgeben. In der Situation hat mir aber Selbstvertrauen gegeben, dass gleich beim ersten Spielzug in dieser Angriffsserie der Trainer einen Spielzug vorgegeben hat, der fix eine Ballübergabe auf mich ist. Dementsprechend habe ich den Ball bekommen, habe einfach meine Football-Instinkte aus den letzten 17 Jahren rausgelassen und letztendlich ist es noch immer einer der top Spielzüge von der Vorbereitungssaison gewesen und hat mir auf alle Fälle sehr viel Respekt verschafft.“…auf die Frage, wie ihn seine Familie geprägt hat: „Der Sport kommt auf jeden Fall von den Eltern. Die Unterstützung war immer da. Auch mein Bruder, der zwei Jahre älter ist, war immer ein großer Punkt. Ich musste immer mit ihm und seinen Kollegen mithalten. Ich habe es als Kind eigentlich nicht akzeptiert, warum ich langsamer und schwächer sein sollte, nur weil ich jünger bin. Hat mir natürlich sehr geholfen und ist sicher einer der Faktoren, warum ich meinen Schritt so weit nach oben machen hab können.“…auf die Frage, was er sich für den europäischen Football wünscht und wie er dessen Zukunft sieht: „Der einzige Aspekt, der gegen den Football spricht ist, dass das ganze Geld in den Fußball fließt und die Talente daher nach Amerika gehen und so für den europäischen Football verloren gehen. Alles andere spricht aber dafür. Der Sport wird immer gegenwärtiger, immer größer, mehr Kinder wollen spielen, das Niveau steigt. Ich hoffe auch, dass mit dem Start der European League of Football (ELF) mehr Geld dahintersteckt. Das ist nämlich das Mittel Nummer 1, das in Europa fehlt. In Amerika ist das Geld nämlich immer da. Da muss in der Highschool keiner die Ausrüstung zahlen.“…weiter zu diesem Thema: „Ziel wäre natürlich, dass ich selbst mit irgendeinem NFL-Spiel in München spielen könnte, wo dann viele Österreicher live zuschauen könnten und das Ganze dadurch nochmals einen großen Schritt machen könnte. Und ich alles, was ich bisher in diesen Sport investiert habe, nützen könnte, um den Football mehr in die Köpfe der Leute zu bringen.“…über seine Ziele: „Ich weiß, dass Football nicht für immer ist, demnach studiere ich ja auch Medizin. Mein Ziel ist – nach all den Verletzungen, die ich auch selbst hatte – dass ich Leuten helfen kann und selber Arzt werden kann. Ich möchte auf Dauer auch nicht so weit von der Familie wegbleiben. Ich bin ein Familienmensch und möchte daher auch mit meiner Freundin in Österreich eine Familie aufbauen. Der Rest wird sich spontan ergeben.“…auf die Frage, ob Teamarzt bei den Giants ein mögliches Ziel wäre: „Natürlich, aber ich weiß gar nicht, ob ich die Möglichkeit bekommen möchte, weil es wäre dann schon zu verlockend, dass man da überhaupt ,Nein´ sagen könnte. Und wie gesagt: Ich weiß nicht, ob ich es möchte, auf Dauer in den USA zu bleiben. Das wäre wahrscheinlich die schwerste Entscheidung meines Lebens.“…was er jungen Footballern mitgeben kann, die denselben Weg wie er einschlagen möchten: „Sich nie einen Kopf zu machen, wegen irgendwelchen Sachen und für Dinge, wo man nicht zu viel von seinem Leben hergeben müsste, würde ich nie ,Nein´ sagen, würde ich immer Gas geben und mein Bestes geben. Nur daheim zu liegen und zur Schule gehen, das reicht nicht. Man hat viel mehr Zeit im Leben, kann so viel machen und hat dann mehrere Dinge im Leben. Denn jeder hat mehrere Ziele im Leben. Diese auch verfolgen und eines von denen wird man auch erreichen. Welches es dann ist, kann man sich nämlich oft nicht aussuchen.“