500 Tage Ralf Rangnick

Sky Sport News HD Österreich Reporterin Christina Happel (@Sky_Christina) traf  in der Red Bull Arena in Salzburg zum exklusiven Interview.

500 Tage Ralf Rangnick – wie lautet Ihr persönliches Resümee? Wir haben viel erlebt in den 500 Tagen, es ist viel passiert. Dadurch, dass es zwei Clubs waren natürlich verständlicherweise auf zwei verschiedenen Ebenen. Insgesamt sind wir jetzt auf einem richtig guten Weg und sind mit beiden Vereinen auf Kurs und darum geht es jetzt den konsequent weiter zu gehen. Wie sehen sie die Entwicklung der Mannschaft hier in Salzburg? Es ist ja einiges weitergegangen… Ja, die Mannschaft hat, neben dem – schon letztes Jahr – richtig guten Spiel nach vorne jetzt auch gelernt gut gegen den Ball zu spielen. Sie sind schwer zu spielen. Ich glaube momentan ist es für unsere Gegner in der Liga am Schwersten sogar, wenn sie selber den Ball haben. Das war letztes Jahr noch nicht eine unserer Stärken. Das kann man jetzt auch am Torverhältnis ablesen, Wir haben bislang nur 10 Tore kassiert und letztes Jahr waren es schon einige mehr zum gleichen Zeitpunkt. Das zeichnet jetzt momentan auch die Mannschaft aus, dass sie in beiden Situationen  eigener Ballbesitz und Ballbesitz Gegner richtig stark ist. SSNHD: Wie sehr entspricht der Spielstil schon dem, was sie sich von der Mannschaft vorstellen? Ja, wie schon gesagt. Letztes Jahr war es nach vorne auch schon sehr ansehnlich, da haben wir teilweise auch schon sehr attraktiven Fußball gespielt, haben aber einfach noch zu viele Gegentore kassiert und uns deswegen auch nicht belohnt. Das ist jetzt anders geworden und die Balance stimmt jetzt eher als letztes Jahr. Das kommt jetzt dem, was wir Ende vorhaben, sehr nahe. Aber: ja, wir haben noch nichts erreicht, es ist erst ein Drittel der Spiele gespielt und dieses Jahr geht es auch darum das entsprechend auch mit Titeln am Ende zu untermalen. Und hier in Salzburg ist ja ein unglaublicher Lauf… Da kann man eigentlich nur zufrieden sein und positiv? Ja das stimmt. Das ist ein angenehmer Nebeneffekt, aber dafür gibt es keine Extrapunkte und auch keine Titel. Letztes Jahr sind wir am Ende komplett ohne Titel geblieben und das wollen wir dieses Jahr unbedingt ändern. Was war denn die größte Niederlage ihrer Ära hier? Düdelingen? Ja Düdelingen war sicher ein denkbar schlechter Einstand, den wir uns alle nicht vorstellen konnten. Ich habe nach 20 Minuten auf der Tribüne sitzend in Düdlingen schon gesehen, dass es kein gutes Spiel war. Aber für mich war völlig unvorstellbar, dass wir gegen diesen Gegner tatsächlich in Gefahr geraten könnten, geschweige denn Ausscheiden. Klar, das war natürlich ein einschneidendes Erlebnis. Danach die Heimniederlage gegen Rapid war für mich fast noch schlimmer, weil wir da eigentlich alle Vorteile auf unserer Seite hatten. Drei Siege zum Auftakt, der Gegner ein Euro League-Spiel drei Tage vorher mussten noch auswärts reisen und wir waren völlig chancenlos. Und dann gab’s natürlich noch mal dieses Pokalspiel gegen Pasching zu einem Zeitpunkt wo wir eigentlich schon dachten wir wären gefestigter, stabiler. Aber da wiederhol ich mich noch mal: wenn du denen nach eine 1:0-Führung im eigenen Stadion gegen eine Drittligamannschaft zwei Tor zulässt, dann stimmt einfach auch die Balance noch nicht und das haben wir dieses Jahr deutlich verbessert. Und das positivste Erlebnis? Das positivste Erlebnis bisher war natürlich der Aufstieg von RB Leipzig und hier auch der Aufstieg von Liefering. Die Gesamtentwicklung in Salzburg stimmt mich sehr, sehr zuversichtlich. Aber ein richtig positives Erlebnis können wir erst vermelden, da wiederhol ich mich, wenn wir dieses Jahr in der Euro League noch möglichst weit kommen und wenn wir Titel gewinnen in den nationalen Bewerben. Was trauen sie ihrer Mannschaft denn in der Europa League zu? (ITW war vor EL-Hinspiel gegen Lüttich am 24.10.2013) Ja ich denke wir haben eine richtig gute Ausgangsposition, wenn wir heute das Heimspiel gegen Standard Lüttich gewinnen, dann sind wir mit eineinhalb Beinen in den Playoffs und sind weitergekommen. Das trau ich uns zu. Wir haben einen idealen Start gehabt mit den beiden Auftaktsiegen und wenn wir jetzt noch vier weitere Punkte holen, dann sind wir glaub ich schon ziemlich sicher mit dabei. Aber wie weit kann es gehen? Das werden wir dann sehen. Jetzt macht es noch keinen Sinn sich damit zu beschäftigen was danach noch alles passieren kann. Wir müssen zuerst einmal die Hausaufgaben machen, die direkt vor der Brust stehen und wenn wir das geschafft haben, dann können wir mal sehen gegen wen wir dann kommen würden. Aber das ist alles Konjunktiv. Die Gegenwart heißt heute Standard Lüttich zuhause. Wie sehr lieben sie ihren Job hier als Sportdirektor?  Ja er fängt an richtig Spaß zu machen, weil man langsam sieht – nicht nur an der Tabelle ablesen kann – sondern auch an der Spielweise, an der Akzeptanz – wir haben hier zwar noch nicht die ganz großen Zuwachsraten, wie in Leipzig – aber trotzdem merkt man hier auch an der Zuschauerresonanz, dass sich etwas bewegt. Wir sind momentan bei etwas mehr als 12.000 Zuschauern im Schnitt. Das ist für österreichische Verhältnisse schon ganz ok. Wir hoffen, dass das noch weiter zunimmt im Laufe der Saison. Klar in Leipzig ist es natürlich phantastisch, da fahren nach Chemnitz fast 2.000 Fans mit zu einem Drittliga-Spiel auswärts. Da sieht man schon wie sehr der Verein und die Spielweise der Mannschaft angenommen wird. Wie ist denn jetzt ihre Zeiteinteilung aus? Sind sie immer noch mehr in Salzburg oder schon mehr in Leipzig? Ja ich bin immer noch mehr in Salzburg, das liegt allerdings wohl auch daran, dass ich hier eine Wohnung habe. Aber das habe ich mir fest vorgenommen in den nächsten Wochen, Monaten ein bisschen zu verschieben, zu verlagern. Aber der Anteil ist derzeit sicher noch zwei Drittel Salzburg und ein Drittel Leipzig. Man kann raushören, dass sie sich wohlfühlen in Salzburg… Ja, ich fühl mich grundsätzlich in beiden Städten wohl. Leipzig hat sich auch zu einem richtigen Schmuckkästchen entwickelt, aber Salzburg ist natürlich schon etwas Besonderes. Es ist nur ein Drittel oder ein Viertel der Einwohnerzahl (Anm. Leipzigs), aber hier kann man’s aushalten. Wie schaut es denn in der Winterpause mit Verstärkungen aus? Sollte man tatsächlich die Gruppenphase der EL erreichen, kommen dann noch Verstärkungen, arbeiten sie da schon dran? Ja es kommen hoffentlich automatisch Verstärkungen durch die Spieler die jetzt gerade noch verletzt sind. Ein Fränky Schiemer steht ja erst seit kurzem wieder im Kader, hat jetzt erstmals wieder gespielt. Wir hoffen dass Isaac Vorsah in der Rückrunde wieder zur Verfügung steht. Tino Lazzaro, der verletzt war, kommt dann auch von der U17 wieder zurück. Wir haben also genügend Neuzugänge aus den eigenen Reihen die wir kriegen und ich gehe vom jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass wir in der Winterpause da noch mal aktiv werden, es sei denn es würde uns jetzt überraschenderweise einer unserer Spieler die schon da sind, verlassen. Thema österreichischer Fußball. Haben wir da an Ansehen gewonnen. Durch die Leistungen des Nationalteam oder auch durch einzelne Spieler, die sehr stark spielen? Ja es ist natürlich sehr, sehr schade, dass die Nationalmannschaft das nicht geschafft hat nach er 1:0-Führung in Schweden in die Playoffs zu kommen. Das hätte dem nochmals einen richtigen Schub gegeben. Das wäre möglich gewesen. Jetzt geht es einfach darum es bei der nächsten Euro-Quali zu schaffen wieder dabei zu sein. Dann bei der nächsten WM-Quali dann vielleicht dabei zu sein. Die Mannschaft und die Jahrgänge – die interessanten – sind jung genug, können auch in den nächsten vier Jahren eine gute Rolle spielen. International hängt es auch von unserem Abschneiden ab, vielleicht auch noch vom Abschneiden von Rapid. Bei der Austria glaub ich seit gestern nicht mehr so richtig dran, dass sie unter die ersten zwei kommen. Platz drei ist jetzt nach dem gestrigen Spiel das höchste der Gefühle was sie noch schaffen können. Und national: klar, es ist eine Zehnerliga, da gibt es nicht so viele davon international aber das ist nun mal so hier bei uns. Wir wollen jetzt für uns, aus Salzburger Sicht, den Meistertitel unbedingt wieder holen, zurückholen und am Ende das Double möglichst schaffen. Gibt es in der Meisterschaft überhaupt jemanden der ihnen noch gefährlich werden kann? Ja das liegt natürlich in erster Linie an uns. Wenn wir so weiterspielen und das konstant über eine gesamte Saison, dann wird es sicherlich schwer uns zu stoppen. Deswegen kann man schon sagen, wir sind selbst gefragt und könnten – sollten wir es nicht tun – selber unser größter Gegner werden. Aber natürlich gibt es Mannschaften die uns auch gefährden können. Wir haben gegen Wolfsberg gesehen, dass selbst 2:0 hier noch nicht zum Sieg gereicht hat. Mannschaften wie Rapid, Sturm, auch die Austria, Grödig jetzt am Sonntag. Da hatten wir im Hinspiel in den ersten 60 Minuten auch große Probleme. Von alleine geht es nicht. Aber es liegt an uns selber. Wie zufrieden sind sie mit der Entwicklung bei RB Leipzig? Ja die letzte Saison war ja eigentlich nicht zu toppen. Wir haben in zwölf Monaten kein einziges Spiel verloren. Nicht nur in den Pflichtspielen, sondern auch kein einziges Testspiel. Dass das jetzt in der dritten Liga etwas anderes werden würde, war uns klar. Wir haben teilweise gute Leistungen gezeigt, teilweise noch etwas durchwachsene. Trotzdem sind wir momentan auf Platz zwei in einer extrem ausgeglichenen Liga, wo wirklich jeder jeden schlagen kann. Wenn wir den Platz am Ende der Saison auch belegen würden, würde ich sofort unterschreiben und wahrscheinlich alle anderen auch und darum geht es jetzt auch dort, dass wir eine Konstanz reinkriegen, relativ gesehen immer denen einen Tick besser sind als die Gegner, gegen die wir spielen und mit dem jetzigen Punkteschnitt 1,85 – vielleicht können wir ihn sogar noch ein bisschen nach oben erweitern – dann hast du glaub ich ganz gute Chancen am Ende zumindest unter den ersten Drei mit dabei zu sein. Der direkte Aufstieg ist ja auch das große Ziel, oder? Das wäre schön, aber man kann jetzt nicht davon ausgehen, dass ne Mannschaft, die drei Anläufe gebraucht hat von der vierten in die dritte Liga zu kommen dann automatisch aus der dritten in die zweite Liga aufsteigt. Das ist möglich, aber wie gesagt wir selber müssen vieles dabei richtig machen und das ist der Auftrag. Beide Projekte auf Schiene, es scheint als wäre die Kombination Red Bull und Rangnick eine Erfolgskombination… Ja, wir sind aber erst im Herbst und im Herbst werden noch keine Titel verteilt. Gemeinhin passiert das dann am Übergang vom Frühjahr zum Sommer. Ich bleibe dabei: ich habe momentan das Gefühl, dass wir in beiden Standorten gut aufgestellt sind, sowohl was die Teams angeht, aber auch was den Stab drumherum angeht, was den Unterbau angeht, was den Nachwuchs angeht. Liefering habe ich bereits erwähnt. In Leipzig ist es auch so, dass wir unbedingt die zweite Mannschaft eine Klasse höher bringen wollen, die A-Jugend in die Bundesliga aufsteigen soll. All das sind Dinge die perspektivisch für uns wichtig sind. Mein Gefühl sagt mir, dass wir gut vorbereitet sind für die nächsten Monate. Jetzt hat es im Sommer immer wieder Gerüchte gegeben, Ralf Rangnick könnte in England Trainer werden… Wie zufrieden sind sie mit ihrem Sportdirektoren-Job oder würde es doch wieder jucken irgendwann wieder einmal auf einer Trainerbank zu sitzen? Ja die Frage wird natürlich immer wieder mal gestellt. Momentan macht es riesig Spaß. Vieles von dem was ich jetzt mache, habe ich vorher in Hoffenheim oder auch in Hannover und Ulm auch gemacht. Die tägliche Arbeit mit der Mannschaft geht nicht, auch zeitlich überhaupt nicht möglich so was noch zusätzlich zu machen. Ich bin momentan wirklich sehr zufrieden, hab auch viel Spaß an meiner Aufgabe. Und solange das so ist gibt es auch überhaupt keinen Grund über irgendetwas anderes nachzudenken. Nachgedacht wird bei Red Bull aber angeblich darüber in England einen Klub zu übernehmen. Was ist da dran? Ja, wir beschäftigen uns mit dem Thema momentan nicht, weil wir mit Leipzig und Salzburg genügend Aufgaben vor der Brust haben. Was einmal in ferner Zukunft sein kann, kann ich jetzt auch noch nicht sagen. Sollte es tatsächlich irgendwann mal so sein, dass wir alle Aufgaben hier so erledigt haben, dass gar nicht mehr viel zu tun ist – was wahrscheinlich nie der Fall sein wird – dann weiß ich auch nicht wie es dann aussehen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es kein Thema mit dem wir uns ernsthaft beschäftigen. Die Gerüchte das sie mit Everton bereits in Verhandlungen stehen stimmen also nicht? Nein, die kann ich ganz definitiv ausschließen. Wir sind mit keinem Verein in Gesprächen. Wir sind intern natürlich immer wieder in Gesprächen, was wir hier in Salzburg und in Leipzig verbessern können, aber alles andere ist für uns intern kein Thema. Langfristig muss das aber doch auch ein Traum sein, bei einem  Premier League Team dabei zu sein? Das kann schön sein. Aber auch dort gilt, wie bei uns auch, du musst zuerst einmal die Voraussetzungen schaffen, dass dort der Erfolg möglich ist. Hier bei uns haben wir jetzt noch genug Arbeit vor uns. Und sollten wir es tatsächlich schaffen Leipzig irgendwann mal in die Bundesliga zu bringen und Salzburg hoffentlich auch einmal in der Champions League dabei zu haben, dann ist das spannend genug und dann würde das Stadion hier auch voll sein. Was wünschen sie persönlich und auch für ihren Job für die Zukunft? Persönlich geht es darum, dass man selbst und auch das private Umfeld gesund bleibt und das es da allen einfach auch gut geht. Persönlich kann es für mich so weiterlaufen, wie es jetzt auch die letzten Wochen und Monate gelaufen ist. Sie haben die Gesundheit angesprochen. Haben sie Angst, dass da wieder Probleme auftreten könnten oder fühlen sie sich derzeit so wohl, dass sie sagen, dass ist ja gar kein Thema mehr… Grundsätzlich glaub ich muss jeder Mensch immer wieder auf sich aufpassen. Das hab ich glaub ich auch mitgenommen aus den letzten zwei Jahren bzw. aus der Zeit von vor zwei Jahren – dass man einfach aufpassen muss und nicht glaubt man bleibt altersmäßig so stehen und kann immer weiterhin auch ein Stück weit manchmal Raubbau mit seinem Körper betreiben. Momentan fühle ich mich top. Auch von der Energie her so, dass ich sagen kann, ich freue mich wirklich auf jeden Tag aufs Neue und kann kaum erwarten, dass der Tag beginnt. Das war früher eigentlich auch so. Vor zwei, drei Jahren dann wie gesagt nicht immer so und da heißt es jetzt auch immer wieder kleinere Pausen auch einzulegen, Zeit auch für andere zu haben. Fußball ist zwar wunderschön und die schönste Nebensache der Welt – dann im Job auch die Hauptsache – aber es gibt eben auch andere Dinge im Leben und für die muss zwischendrin einfach auch immer wieder mal genug Zeit sein.