Austria Sportdirektor Franz Wohlfahrt: „Die Einstellung der Spieler ist zu hundert Prozent in Ordnung“

Wien, 15. März 2015. Zu Gast bei „Talk & Tore – Die Tipico Fußballdebatte“ waren am Sonntag Austria Sportdirektor Franz Wohlfahrt, Ex-Teamspieler Franz Schiemer, Sturm Spieler Marko Stankovic und Alfred Tatar. Hier einige Aussagen des von Thomas Trukesitz moderierten Live-Talks.

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…über die sportliche Situation der Wiener Austria: „Es ist kein Geheimnis, dass wir in einer Krise sind. Wir befinden uns nicht dort wo wir stehen wollen und müssen alle Kräfte bündeln, um die Saison noch positiv abzuschließen. Die Art und Weise des Spiels gestern war nicht so, wie wir uns das wünschen. Die Personaldecke ist dünn und macht die Sache auch nicht leichter. Wenn wir trotz des Führungstreffers kurz vor Schluss nicht als Sieger vom Platz gehen, ist das sehr ärgerlich.“

 

…über seine Aufgaben: „Ich fühle mich für viele Sachen verantwortlich, aber nicht für Sachen, die vor meiner Zeit geschehen sind. Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht, was wir ändern müssen. Der alte Spruch, den keiner hören will: Es braucht halt eine Zeit. Ich habe in den Gesprächen mit den Verantwortlichen um Zeit gebeten. Wir reden über kurz- und langfristige Ziele. Man muss ruhig bleiben, im Umfeld sind eh alle unruhig. Eines der Probleme ist, dass es immer zwei, drei Spieler gibt, die ihre Leistung nicht abrufen und das sind immer andere. Die Einstellung der Spieler ist zu hundert Prozent in Ordnung, aber aufgrund der derzeitigen Situation sind sie nicht mental auf der Höhe. Es ist auch meine Aufgabe da zu helfen.“

 

…laut der Sonntagsausgabe der „Krone“ soll der Aufsichtsrat der Violetten grünes Licht für die Ablösung von Trainer Baumgartner gegeben haben, wenn dieser nicht beide Spiele bis zur Länderspielpause gewinnt: „Das ist nicht richtig. Der Trainer hat vollste Rückendeckung. Aber im Leben ist nie etwas ausschließbar.“

 

…über die Kaderplanung, viele Verträge laufen aus: „Wir sind mitten in der Planung und den Gesprächen, die haben an meinem zweiten Arbeitstag angefangen. Der Spieler will auch wissen wie es weiter geht. In 4 bis 6 Wochen, bis Ende April, muss alles zum Großteil stehen. Die Spieler von denen wir uns trennen werden, bekommen rechtzeitig Bescheid.“

 

…über den auslaufenden Vertrag von Tormann Heinz Lindner: „Wir haben schon einige Gespräche gehabt. Im Trainingslager als ein Angebot da war, hat es Aufregung gegeben. Das hat mir nicht gefallen. Es gibt nicht Plan A, B oder C. Es gibt mehrere Überlegungen in den Fällen. Wir haben auch einen hervorragenden jungen Tormann bei uns zum Beispiel.“

 

…über Ralf Rangnick: „Seine professionelle Art nehme ich mir ein Stück als Vorbild. Ich habe ihn als Trainer gehabt, als er von Ulm gekommen ist – mit ihnen zweimal aufgestiegen. Für ihn war das beim VfB Stuttgart Neuland, er hatte hier nicht nur leichte Spieler. Das ist für einen Trainer sehr schwierig, aber er hat es toll gemeistert, auch einiges umgebaut und neue Gedanken gehabt. Ich kann mich erinnern, dass er um die Spieler einmal vor dem Spiel aufzuwecken, in der Kabine einen Böller explodieren hat lassen, der leider zufällig genau unter meine Schuhe gekommen ist. Das war nicht so angenehm.“

 

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…über Red Bull Salzburg und Austria Wien: „Es gibt in Salzburg und bei der Austria eine ähnliche Situation. Stöger und Schmidt waren große Gallionsfiguren. Salzburg erweist sich als unabhängiger von Personen und gewisse Strukturen haben gegriffen. Dass habe ich bei der Austria nicht gesehen. Es gab bei Red Bull Salzburg so viele Betreuer wie Spieler. Strukturen greifen unabhängig von den Köpfen. Bei der Austria hat der Trainerwechsel von Stöger einen Umbruch gebracht.“

 

…über seinen Ex-Trainer Roger Schmidt: „Wir haben unter Roger Schmidt eine andere Sportart gelernt. Am Anfang haben wir uns gedacht, wie will der Fußball spielen. Das haben wir noch nie in unserem Leben gesehen, das kann nicht funktionieren. Er hat uns das im Laufe der Zeit und er hat natürlich die Zeit bekommen, gezeigt und wir Spieler haben gemerkt, dass es funktioniert. Es ist nach Düdelingen relativ schnell gegangen, der Herbst war schon noch holprig und im Frühjahr sind wir dann explodiert.“

 

…über auslaufende Verträge: „Ich wollte solche Entscheidungen immer relativ früh treffen. Wenn man nicht weiß, wie es nach dem Sommer weiter geht, ist das unangenehm. Zehn Spieler, die bei der Austria in so einer Situation sind, das ist zu viel. Ich weiß, was in Spielern da vor geht. Das ist sicher nicht gut, wenn in der Mannschaft so viel Ungewissheit ist.“

 

…über sein Karriereende im jungen Fußballeralter: „Es war nicht nur die Gesundheit. Ich habe schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt aufzuhören. Ich habe sehr schöne Zeiten gehabt und mir gedacht, dass es der passende Zeitpunkt war. Teilweise hat mir der Körper auch zeigen wollen, in welche Richtung es geht.“

 

…über seine berufliche Zukunft: „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich im Sportbereich bleiben werde, aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“

 

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…über die sportliche Situation bei seinem Ex-Klub Austria Wien: „Was mich irritiert hat ist, dass man vom gepflegten Fußball Abstand genommen hat und ‚auf Teufel komm raus‘ pressen wollte. Das war untypisch für die Austria. Wenn die Ergebnisse dann nicht passen wird es ganz schwierig. Spieler, die den Spielwitz reinbringen, Jun oder Liendl zum Beispiel – solche Spieler hat man nicht nachbesetzt.“

 

…über seine Zeit bei den Veilchen: „Als ich gekommen bin, habe ich mir gedacht, dass ich endlich einen Klub gefunden habe bei dem Konstanz herrscht – dann habe ich auch wieder fünf Trainer gehabt. Peter Stöger hat den Verein in und auswendig gekannt. Er hat gewusst, wie er wen anreden soll im Verein. Nenad Bjelica war direkter und hat seine Meinung klar gesagt. Stöger ist auf die Fans zugegangen, der nächste Trainer war distanzierter. Bei der Austria war alles auf Stöger zugeschnitten. Er hat richtig zur Austria gepasst.“

 

…über Unruhe damals bei der Austria: „Wir haben die Champions League erreicht, aber in der Meisterschaft sind wir hinterher gehinkt. Spieler sind zu Parits gegangen und haben sich über den Trainer beschwert. Zu meiner Zeit bei der Austria gab es ein, zwei Spieler, die die Laune in der Mannschaft bestimmt haben. Wenn es bei ihnen gepasst hat, war gute Stimmung und wenn nicht, dann eben nicht. Das war ein großes Thema.“

 

…über auslaufende Verträge: „Bei mir war es so, dass die Führung gesagt hat, dass wir bis zum Stichtag warten. Ich habe sehr schlecht geschlafen, die Ungewissheit ist nicht angenehme. Zehn Spieler in der Mannschaft mit auslaufenden Verträgen, das ist nicht gut. Es ist aber gut, dass die sportliche Führung mit ihnen spricht.“

 

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…über seine Zeit seit seiner letzten Trainertätigkeit in Mattersburg: „Nach meinem eigentlich unfreiwilligem Abgang von Mattersburg hat es eine Refraktärzeit gegeben, wo ich einen Abstand zu dieser ganzen Thematik gebraucht habe. Nach ein paar Wochen haben meine Neuronen allerdings wieder begonnen impulsive Salven durch mein Gehirn zu schießen und dann habe ich mich wieder mit der Materie beschäftigt. Zum einen Teil vertieft in neue Methoden der Trainingswissenschaft und zum anderen habe ich sehr viel Energie in prognostische Überlegungen, was den Fußball betrifft, aufgewendet. Wenn man quantenmechanische Überlegungen im Fußball miteinbezieht, dann tut sich ein neues Universum auf.“

 

…über die Austria: „Ich denke, dass in der 1. Hälfte gestern überhaupt nicht das geboten wurde, was man sich von einer Austria wünscht. Ich glaube, dass es neben Red Bull drei Vereine in Österreich gibt, die eigentlich immer um den Meistertitel mitspielen sollten, das sind Rapid, Sturm und die Wiener Austria. Wenn eine Wiener Austria von einem solchen Anliegen weit weg ist, dann muss etwas fundamental nicht stimmen. Das Offensivspiel und der Spielaufbau der Austria gestern spottet jeder Beschreibung. Mir fehlen in dieser Mannschaft Typen. Spieler, die etwas besonderes darstellen, an denen sich die anderen aufrichten können.“

…über die violette Spielphilosophie: „Das Selbstverständnis eines Vereins, wie er an die Sache herangeht, sprich die Philosophie eines Klubs. Die Austria ist immer für technische Raffinesse, Spielwitz und mit kurzen Bällen den Gegner in die Knie zwingen, gestanden. Wir spielen jetzt in einer anderen Zeit, es ist jetzt die Frage, ob die so eine Philosophie noch zulässt. Es geht aus meiner Sicht vorwiegend um das Teambuilding, die Zusammensetzung der Mannschaft in Transferperioden. Da sehe ich sicher einige Defizite.“

 

…über Red Bull Salzburg: „Kein Österreicher hätte Düdelingen überlebt, Roger Schmidt musste vom Sportdirektor Rangnick stark protegiert sein. Wenn wir über Philosophien reden, müssen wir berücksichtigen welche wirtschaftlichen Möglichkeiten man hat. Wenn ich mir die finanzielle Potenz der anderen neun Vereine ansehe, das muss man schon berücksichtigen. Bei Salzburg sieht man das zum ganz großen Fußball hin, sprich zur Champions League Qualifikation noch immer ein Abstand ist, die ist ein gehöriges Stück weg und Red Bull ist in der Liga von den neun anderen ein gehöriges Stück weg.“

 

…über das neue Vokabular in der Fußballersprache: „Mit dem Vokabular was heute um sich greift, kann ich sehr wenig anfangen. Dazu gehört zum Beispiel Gegenpressing oder das vertikale Spiel. Hier wird mit Vokabeln ein wenig Eigenbewerbung betrieben. Es ist auch meine Domäne viele Worte zu verwenden, die keiner versteht, aber in diesem Fall … Gegenpressing meint eigentlich situatives Pressing, weil Gegenpressing ist per se eine unsinnige Worthülse. Jeder Ballverlust und ich bewege mich zum gegner, um den Ball zurückzuerobern, ist Pressing. Es gibt daher kein Gegenpressing. Wenn dann gibt es ein situatives Pressing – wenn ich bei einem Dribbling den Ball verliere, dann ist es aus der Situation heraus ein Pressing. Für mich ist Spielphilosophie den Zufall zu minimieren. Zufall, der in jedem Spiel und speziell in großen Sportspielen wie dem Fußball Platz greifen muss. Diejenige Mannschaft, die es schafft den Zufall so zu minimieren, dass das Spiel lenkbar wird, hat eine Spielphilosophie. Es gibt viele Methoden den Zufall zu zähmen und ich glaube, dass die großen Mannschaften das schaffen. Eine Spielweise zu kreieren, die den Zufall, das Glück und Pech ausschalten. Glück brauchen nur die Untüchtigen.“