Auto, Fahrer & das Team: Darum ist der Ferrari-Sieg keine „Eintagsfliege“

Ferrari liefert gleich im ersten Rennen ab und zwar mit Charles Leclerc und Carlos Sainz sogar doppelt. Der Traditionsrennstall fährt wieder mit im Konzert der ganz großen. Das hat Gründe und dürfte anhalten.

Es muss sich für die Tifosi wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Endlich hatten sie wieder einen Sieg zu feiern – und dann auch noch einen doppelten! Insgesamt 45 Rennen hat es seit dem letzten Ferrari-Erfolg (Singapur 2019) in der Formel 1 gedauert. Damals hieß der viel umjubelte Fahrer noch Sebastian Vettel. Auch damals feierte die Scuderia einen Doppelsieg – mit dabei: Charles Leclerc.

Der Monegasse gab sich in Bahrain jedoch nicht mit dem zweiten Platz zufrieden und holte sich nach Spa und Monza (2019) den dritten Sieg seiner Karriere. Teamkollege Carlos Sainz machte das rote Glück schließlich perfekt. Ferrari setzte in Bahrain ein Ausrufezeichen und schickt sich an, Ansprüche auf den Weltmeister-Titel in dieser Saison zu stellen. Oder war das nur eine Momentaufnahme?

Glock: Ferrari-Erfolg keine „Eintagsfliege“

„Das war auf keinen Fall eine Eintagsfliege“, meint Sky Experte Timo Glock. Ferrari sei schon bei den Tests schnell gewesen, „egal zu welchen Bedingungen“, sagt Glock. „Man muss sie schon jetzt ganz oben auf der Liste der Titelanwärter haben.“ Das Gesamtpaket aus Auto, Fahrern und Team scheint aktuell zu passen. Und das Selbstbewusstsein ist bei der stolzen Scuderia groß.

Wenige Long Runs in den Trainings lassen erahnen, wie viel Vertrauen die Italiener in ihr Auto haben. „Im dritten Freien Training hat man schon gesehen, die gehen sehr, sehr selbstbewusst in dieses Rennwochenende“, erklärt Rennstratege Alex Bodo in der Sky F1 Analyse. Bis auf ein paar „Grenzmomente“ (mit Verstappen) habe Ferrari das Rennen im Griff gehabt, so Bodo.

https://www.skysportaustria.at/doppelsieg-fuer-ferrari-leclerc-gewinnt-saisonauftakt-in-bahrain-vor-sainz-verstappen-out/

Ferrari selbstbewusst, Leclerc scherzt

Bei der in der Vergangenheit gebeutelten Scuderia kehrt wieder ein wenig Lockerheit ein, wie Leclerc kurz vor Rennende zeigte. „Da ist was merkwürdig beim Motor!“, funkte der Monegasse in der letzten Runde in der Anfahrt zu Kurve 13. Jedem seiner Teamkollegen dürfte in diesem Augenblick das Herz in die Hose gerutscht sein, hatte man sicherlich die Befürchtung, dass man ähnlich wie Red Bull nun auch Probleme bekommen würde.

Aber nein, der 24-Jährige gab siegessicher den Scherzkeks und spielte seinem Team einen Streich. „Ich mache nur Witze!“, löste er das Ganze schnell auf. Sein Renningenieur Carlo Santi wusste gleich was los ist und nahm es mit Humor. Leclercs Funkspruch war eine Anspielung auf 2019 und das Rennen in Bahrain, als er seine Führung aufgrund eines Zylinderschadens abgeben musste und es nur zu Rang drei reichte.

Stand jetzt ist Ferrari das Team, dass es zu schlagen gilt. Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass Red Bull und Mercedes in den kommenden Wochen noch nachlegen werden. Ferrari hat momentan einfach das kompletteste Paket. Zu groß sind die Zuverlässigkeitsprobleme bei Red Bull und das Bouncing beim Mercedes aktuell noch.

Bei Ferrari stimmt das komplette Paket

Die frühzeitige Entwicklung des 2022er Autos trägt somit erste Früchte. Die Zuverlässigkeit, der stärkste Motor und das Reifenmanagement lassen die Tifosi darauf hoffen, dass es am Ende vielleicht zum ersten WM-Titel seit 2008 reichen könnte.

Hinzu kommt, dass auch die Mechaniker in Bahrain ganze Arbeit geleistet haben. Die Boxencrew zeigte unter anderem mit dem zweitschnellsten Reifenwechsel, dass sie im Gegensatz zu anderen Teams keine beziehungsweise wenige Probleme mit den neuen Reifen und Felgen haben.

Teamchef Mattia Binotto drückt noch auf die Euphoriebremse: „Von einem Doppelsieg konnten wir nicht einmal träumen. Das ist also ein hervorragender Start für uns. Unsere Basis ist gut. Ich denke aber, dass wir vier bis fünf Rennen abwarten müssen, bis wir eine aussagekräftige Hackordnung im Feld haben.“

VIDEO: Die Analyse des F1-Rennens in Bahrain

Sainz mit seinem „schwierigsten Wochenende“

Es ist zu erwarten, dass das Top-Trio noch enger zusammenrückt. Aber auch Ferrari will sich noch steigern. Das erklärte Sainz nach dem Rennen: „Es klingt vielleicht etwas seltsam, das jetzt zu sagen, aber als Ferrari-Fahrer war es mein schwierigstes Wochenende. Ich hatte nicht die Pace, weder im Rennen noch im Freitagstraining“, sagte der Zweitplatzierte. „Ich habe heute im Rennen meine Schwäche mit diesem Auto gezeigt. Es gibt also noch einiges zu tun für mich.“

Mit Platz zwei will sich der Spanier nicht zufriedengeben: „Ich werde mit dem ganzen Team feiern, aber ab Montag werde ich mich auf die Daten konzentrieren und darauf, was ich besser machen kann, um dieses Auto zu fahren und beim nächsten Mal um den Sieg zu kämpfen.“

Nutzt Ferrari das Momentum?

Dass Ferrari mit Leclerc und Sainz zwei talentierte Fahrer in den Cockpits sitzen hat, dürfte sie zu Höchstleistungen pushen. „Leclerc hat teamintern ein Ausrufezeichen gesetzt“, so Glock. „Das ist ein Thema, wenn man zwei so starke Fahrer hat. Jeder will natürlich von Anfang an den Ton angeben. Das wird spannend zu sehen sein, wenn Sainz näher herankommt.“

Das Auto, die Fahrer und das Team drumherum. Ferrari zeigte in Bahrain, in welcher Frühform sich die Scuderia befindet. Die Zahnräder laufen schon deutlich besser zusammen als bei den Konkurrenten. Am kommenden Wochenende in Saudi-Arabien wird sich zeigen, ob die Italiener das Momentum verlängern und Nutzen aus den Schwierigkeiten der anderen Teams schlagen können. Eines scheint sicher: Die Tifosi müssen vorerst keine 45 Rennen auf den nächsten Sieg warten.

https://www.skysportaustria.at/internationale-pressestimmen-zum-grossen-preis-von-bahrain/

(Max Georg Brand – skysport.de)

Bild: Imago