Das Sorgenkind der ÖHB-Männer heißt weiter Defensive

Die Handball-EM 2022 wird nicht in die Annalen des österreichischen Verbandes eingehen, der erhoffte weitere Schritt nach vorne ist ausgeblieben. Angesichts der hohen Latte eines 8. Platzes bei der Heim-EM 2020 und einer engen Ausgangslage in Gruppe D ist das frühe Aus aber wohl auch kein Beinbruch. „Wir müssen weiterschauen, dürfen nicht sagen, dass alles schlecht ist“, sagte ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser vor dem letzten Gruppenspiel am (heutigen) Dienstag gegen Belarus.

Das größte Sorgenkind ist weiterhin die Defensive, die Österreich bei der Endrunde in Ungarn und der Slowakei möglicherweise den Aufstieg kostete. Beim 31:36 gegen Polen gleich zum Auftakt war man in zu vielen Defensivaktion zu langsam, zu spät oder beides. Dabei hatte man vor Turnierstart viel Optimismus gezeigt, nicht zuletzt, weil erstmals seit längerem fast alle Wunschspieler an Bord waren und auch die durchschnittliche Erfahrung im Vergleich zum Kader der WM 2021 (Platz 26) deutlich gestiegen war. Dabei präsentierte man sich mit 31 bzw. 29 (gegen Deutschland) Toren offensiv durchaus solide. „Wir können auch gegen Topnationen unsere Tore machen, aber in der Defensive haben wir unsere Probleme“, gab Fölser an.

Das ist nichts neues in der ÖHB-Auswahl. „Diese Lücke zu schließen ist aber nicht etwas, das wir schon morgen besser machen können“, meinte Fölser, der diesbezüglich wohl etwas neidisch in Richtung der Gruppengegner Polen und Weißrussland samt ihren Hünen blicken wird. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir aus der Jugend körperlich starke Spieler herauskriegen“, forderte Fölser. Auch ÖHB-Generalsekretär Bernd Rabenseifner will diesbezüglich in der Ausbildung ansetzen. „Da werden wir schauen, was wir in der Trainer-Aus- und Fortbildung machen können. Wir sollten bereits ab dem Jugendalter noch mehr in die physische Entwicklung von Top-Talenten investieren.“

Auch für Rabenseifner ist die EM keine herbe Enttäuschung. „Es haben sich alle etwas mehr erwartet, aber wir haben gewusst, dass wir in dieser Gruppe auch ausscheiden können“, gab Rabenseifner zu bedenken. Fölser sah auch Positives: Die Körpersprache gegen Deutschland, die Leistung von Flügel Sebastian Frimmel oder der Umstand, dass sich Kapitän Nikola Bilyk – im ersten Spiel noch relativ unauffällig – gegen die Deutschen wieder zurückmeldete. Angesichts seines Ausfalls während der gesamten Saison 2020/21 und der im Vergleich zum Herbst 2019 wenigen Spielzeit beim THW Kiel durchaus erfreulich.

Es scheint, als sei Österreich mit Platz acht auf eine Art Plafond gestoßen. Worum es nach wie vor gehe, betonte Raenseifner: „Unser Grundziel muss immer sein, Qualifikationen zu schaffen.“ Die regelmäßige Teilnahme – die EM 2022 war die neunte Endrunde seit 2010 bzw. die fünfte in Folge – ist zwar inzwischen Usus, davor aber herrschte fast 20 Jahre völlige Flaute. Klar, dass auch die Erwartungen gestiegen sind.

Es wird aber auch in der näheren Zukunft wohl bleiben, wie es Frimmel am Sonntag formuliert hatte: „Wenn wir einen Toptag haben, gut drauf sind und jeder am Maximum ist, dann können wir mit vielen Gegnern mitspielen. Um die ganz Großen zu schlagen aber reicht es nur, wenn bei uns alles passt und bei denen viel schiefgeht.“

Schiefgehen sollte auch finanziell nicht zu viel. Der Verband habe mit Corona durchaus seine Mühen, betonte Rabenseifner. „Wir sind gut durchs eigentliche Krisenjahr 2020 gekommen, weil einfach so viele Spiele abgesagt wurden und die Ausgabenseite entlastet wurde. Jetzt sieht man aber, dass die Einnahmenseite Probleme bereitet. Manche Sponsoren sind leider ausgestiegen, und die Sponsorensuche ist derzeit extrem schwierig.“

(APA) / Bild: GEPA