„Dreifach schöner“ – Stehaufmanderl Fettner jubelt über Olympia-Silber

Gut Ding braucht Weile. In seiner 23. Weltcupsaison und mit 36 Jahren auf dem Skispringer-Buckel hat Manuel Fettner den größten Coup seiner Karriere gelandet. Die Silbermedaille im Olympia-Bewerb von der Normalschanze in Zhangjiakou war so verdient wie sensationell. Überschäumend fiel die Freude bei seinen Wegbegleitern aus, Fettner selbst indes genoss seinen Karriere-Höhepunkt mehr im Stillen.

„Es ist unglaublich, ein unglaubliches Gefühl. Am meisten taugt mir, wie sich alle mit mir mitfreuen“, sagte Fettner nach Wochen, Monaten, – ja – Jahren des Kampfes. Vor zwei Jahren noch hatte alles nach einem baldigen Karriere-Ende ausgesehen, doch er mühte sich durch die Untiefen des Kontinentalcups wieder zurück. Erst vor wenigen Wochen erkämpfte er sich seinen Platz im Olympia-Team. Und am Ort seines nun größten Triumphes gab es zunächst auch nichts geschenkt: Starke Trainings waren notwendig, um sich ins olympische Normalschanzen-Quartett zu springen.

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„Die Liebe zum Sport war ausschlaggebend“, sagte Fettner über seine Motivation. „Sicher noch mehr als der Glaube an mich selbst, dass das möglich ist.“ Schlussendlich sei die Medaille zwar jetzt sehr schön, „aber in erster Linie war trotzdem der Weg das Entscheidende. Es hat mir auch fast immer Spaß gemacht.“

Die ständige Weiterentwicklung bezeichnete er als seinen Antrieb. „Es ist nicht so, dass der Sport seit 20 Jahren das Gleiche ist. Jedes Jahr oder jedes zweite Jahr kommen wieder Reglementänderungen, die Schanzen und der Sprungstil ändern sich. Diese Arbeit fand ich immer spannend. Dass das heute so belohnt worden ist, ist dreifach schöner.“

Für die große Sause war schon angesichts des keine 24 Stunden später stattfindenden Mixed-Bewerbs keine Zeit. Der Austragungsort macht Underground-Partys sowieso schwer. „Viel feiern kann man da eh nicht in China, wenn man ehrlich ist“, so Fettner, schon ein wenig geschlaucht vom Interviewmarathon, „außerdem werde ich heute so fertig ins Bett fallen, dass ich wahrscheinlich eh keinen mehr sehen will.“ Zumindest dieser Wunsch wird ihm bei den vom Coronavirus geprägten Peking-Spielen in Form eines Einzelzimmers erfüllt.

Er holte das erste Olympia-Edelmetall von der kleineren Schanze seit dem Bronze von Gregor Schlierenzauer 2010. Und avancierte zum zweitältesten Skisprung-Medaillengewinner im Zeichen der fünf Ringe. Älter war nur Noriaki Kasai, der allerdings nie Olympiasieger wurde wie sein Landsmann Ryoyu Kobayashi am Sonntag.

Mit Kobayashis Triumph konnte gerechnet werden, Fettner hatten nur Grundoptimisten auf der Rechnung. Oder wie es Teamkollege Daniel Huber formulierte: „Der alte Mann kann Skispringen. Das hat er schon oft gezeigt. Aber dass er es so souverän zusammenbringt, hätte davor auch keiner geglaubt.“ Auch Fettner konnte seinen Erfolg nicht so wirklich erklären, sprach aber einen Satz, der die Überraschung vielleicht am besten zusammenfasst: „In unserem Sport ist generell nicht alles immer zu erklären.“

Eine Zauberformel gibt es also nicht, ein Ansatz ist natürlich seine außergewöhnliche Sprungkraft, die etwa der Schweizer Oldboy Simon Ammann als ausschlaggebend herausstrich, und die Fettner gerade auf kleinen Schanzen brandgefährlich macht. „Prinzipiell hupfe ich immer ganz gern auf 90-Meter-Schanzen“, bekannte dann auch der Silbermedaillengewinner, der – von Mannschaftserfolgen einmal abgesehen – zuvor lediglich drei dritte Plätze im Weltcup vorzuweisen hatte. Leider, so Fettner, gibt es die Kleinschanzen im Weltcup nicht mehr. „Sonst wäre ich vielleicht schon öfter weiter vorne gewesen.“

(APA)

Artikelbild: GEPA